Wenn die Blase brennt, dann drängt die Zeit. In die neue Urologie-Permanence beim Bahnhof Stadelhofen in Zürich können die Patienten ohne Termin direkt von der Strasse hineinspazieren. Sie wollen rasch und direkt zum Spezialisten, sagt Roger Gablinger, Gründer und Direktor von Uroviva, dem Netzwerk hinter der Praxis. Besonders in der Stadt sei die Anspruchshaltung der Patienten gross. «Den Gang zum Hausarzt sehen sie als Zeitverlust.»
Bei Uroviva, nach eigenen Angaben die erste Spezialpermanence ihrer Art, können sich Kranke auch telefonisch anmelden. Nachdem sie ihr Problem geschildert haben, erhalten sie möglichst schnell einen Termin. Das tun 70 Prozent der Patienten, wie die ersten Wochen gezeigt hätten, erklärt Urologe Miklos Scholl.
Mit Spitälern verbunden
«Wir sehen uns als eine Art Erste Hilfe – nicht als Alternative zum Hausarzt, sondern zum Notfall», so Gablinger. Der erste Termin beim Spezialisten fällt entsprechend kurz aus. Rund 15 Minuten sind dafür vorgesehen. Danach gehe der Patient für einen Folgetermin zu seinem Hausarzt, komme wieder zu ihnen oder auch in eine der Kooperationskliniken. In den Zürcher Spitälern Männedorf und Zollikerberg betreibt Uroviva den Urologie-Bereich.
Dieses Netzwerk mit eigener Klinik in Bülach ZH und Kooperationsspitälern sehen die Permanence-Betreiber als Plus. Vom Ersttermin bis zu einer möglichen Operation sei alles intern möglich. Doch genau deswegen gibt es auch Kritik. Denn im boomenden Permanence-Markt sind Spitäler besonders aktiv. So können etwa in Thun BE Patienten ohne Anmeldung ins Medizinische Zentrum Thun am Bahnhof gehen. Dieses gehört zum Spital Thun. Der Walk-in-Notfall am Bahnhof Bern ist Teil der Hirslanden-Gruppe. Das Aargauer Kantonsspital Baden betreibt das Ärztezentrum Limmatfeld in Dietikon ZH.
Santésuisse-Präsident Heinz Brand (63) sieht diese Entwicklung skeptisch. «Es entsteht der Eindruck, dass Permanencen zulasten der Prämienzahler Umsatz bolzen.» Oft seien diese mit Spitälern verbunden, an die sie die Patienten für noch mehr Behandlungen überweisen. «Das bringt für Spitäler, Ärzte und Permanencen mehr Umsatz – die Behandlungen sind aber oft unnötig. Dieses Spiel zulasten der Prämienzahler ist sehr fragwürdig», kritisiert er.
Praktisch und nötig
Festmachen kann man diesen Eindruck nicht. Es fehlen entsprechende Erhebungen. Nicht einmal eine einheitliche Definition des Begriffs Permanence existiert. Gewöhnlich aber werden damit Gruppenpraxen mit erweiterten Öffnungszeiten – abends und am Wochenende – sowie der Möglichkeit von Besuchen ohne Voranmeldung bezeichnet. Immerhin, die Tendenz zur Gruppenpraxis lässt sich statistisch belegen. So wächst laut der Verbindung der Schweizer Ärzte FMH die Zahl der Ärzte, die in Gruppenpraxen arbeiten, diejenige in Einzelpraxen nimmt dagegen ab.
Lange Öffnungszeiten und schnelle Termine, das spricht viele Leute an und macht Permanencen so beliebt. Pendler können ohne grosses Aufheben den Arztbesuch mit dem Nachhauseweg verbinden. Zudem haben viele keinen Hausarzt mehr. Sei es, weil sie keinen wollen oder weil sie keinen finden. Letzteres ist besonders in ländlicheren Gegenden ein Problem. Im Kanton Thurgau etwa haben bereits 40 Prozent der Gemeinden keinen Hausarzt. Wird ein Arzt pensioniert, findet sich nicht immer ein Nachfolger.
Permanencen haben einen guten Ruf. Das zeigt auch die Namenswahl von Uroviva: «Wir hätten unsere Einrichtung rein rechtlich auch als Poliklinik bezeichnen dürfen. Wir haben uns aber für Permanence entschieden, denn Patienten verbinden damit positive Erfahrungen und Erwartungen», erklärt CEO Gablinger.
Ambulante Behandlungen sind günstiger
Der Permanence-Trend ist Teil des grösseren Trends zur Ambulantisierung. Patienten werden häufiger nach der Behandlung gleich wieder nach Hause geschickt. Dies führe zu einem Schub für Permanencen und ambulanten Operationszentren, erklären PwC-Gesundheitsexperten den Zusammenhang. Eine Studie des Beratungsunternehmens von 2016 zeigt, dass durch eine konsequente Weiterentwicklung des Trends hierzulande bis zu einer Milliarde Franken gespart werden könnte. Der Anteil der Spitäler am ambulanten Kuchen ist ansteigend. Sie werden aktiv, um die Versorgung sicherzustellen und eine integrierte Versorgungskette anbieten zu können.
Auch wenn Zahlen zum Permanence-Markt fehlen, bestätigen alle Involvierten das gefühlsmässige Wachstum. Wie die Urologie-Praxis bei Stadelhofen sind viele in Bahnhofsnähe. So sind bei den SBB 23 Praxen eingemietet. Die BLS vermietet vor allem an Einzelpraxen. Nächstes Jahr aber soll am neu renovierten Bahnhof Interlaken West eine Walk-in-Praxis eröffnen. Hinter dem Projekt stehen die Spitäler fmi. Auf Expansionskurs ist auch die Migros-Tochter Medbase, zu der etwa die Permanence am Zürcher Hauptbahnhof gehört. Neue Standorte in Winterthur ZH, Basel und in der Westschweiz eröffnen schon bald.
Führen die zentrale Lage und die langen Öffnungszeiten zu unnötigen Arztbesuchen und damit zu steigenden Gesundheitskosten? Nein, sagt Uroviva-Gründer Gablinger: «Die Hürde ist bei einer Permanence kleiner, aber dass jemand spontan Lust auf einen Arztbesuch hat, glaube ich kaum.» Die tiefere Hürde hat auch eine positive Seite: Wenn Krankheiten früh erkannt werden, ist die Behandlung günstiger.
Wie die Abrechnung des Permanencen-Wesens unter dem Strich ausfällt, das aber lässt sich zurzeit noch nicht beantworten.
Vorläufer der Permanencen sind Gruppenpraxen. Besonders in Städten haben diese in den letzten Jahren Einzelpraxen abgelöst. Der Vorteil für die Patienten: Verschiedene Spezialisten arbeiten unter einem Dach.
Permanencen sind eine Weiterentwicklung dieses Trends. Vor 15 bis 20 Jahren sind sie im Zusammenhang mit dem Versicherungsmodel HMO entstanden. Die bekannteste Deutschschweizer Permanence eröffnete 1997 im Zürcher Hauptbahnhof.
Permanent geöffnet sind die Praxen aber nicht. Eine Ausnahme war die 24-Stunden-Permanence im Bahnhof Luzern. Doch heute schliesst auch sie um 23 Uhr. Der Rund-um-die-Uhr-Betrieb hat nicht rentiert: Zu wenige Patienten kamen spätnachts.
Der jüngste Permanence-Trend heisst: Das Spital geht zum Patienten. Spitäler, die sich in der Agglomeration befinden, eröffnen Permanencen oder Walk-in-Kliniken in den Zentren. Julia Fritsche
Vorläufer der Permanencen sind Gruppenpraxen. Besonders in Städten haben diese in den letzten Jahren Einzelpraxen abgelöst. Der Vorteil für die Patienten: Verschiedene Spezialisten arbeiten unter einem Dach.
Permanencen sind eine Weiterentwicklung dieses Trends. Vor 15 bis 20 Jahren sind sie im Zusammenhang mit dem Versicherungsmodel HMO entstanden. Die bekannteste Deutschschweizer Permanence eröffnete 1997 im Zürcher Hauptbahnhof.
Permanent geöffnet sind die Praxen aber nicht. Eine Ausnahme war die 24-Stunden-Permanence im Bahnhof Luzern. Doch heute schliesst auch sie um 23 Uhr. Der Rund-um-die-Uhr-Betrieb hat nicht rentiert: Zu wenige Patienten kamen spätnachts.
Der jüngste Permanence-Trend heisst: Das Spital geht zum Patienten. Spitäler, die sich in der Agglomeration befinden, eröffnen Permanencen oder Walk-in-Kliniken in den Zentren. Julia Fritsche