SonntagsBlick: Wie wächst man als Sohn eines Schokoladenfabrikanten auf – wie im Paradies?
Daniel Bloch: Nicht ganz, zumal wir ja auch nicht direkt in der Schokoladenfabrik in Courtelary gewohnt haben. Meine Eltern waren diesbezüglich recht streng, Schokolade ohne Ende gab es bei uns zu Hause nicht. Ich konnte auch nicht all meine Freunde ständig mit Schokolade überhäufen. Da musste ich immer zuerst fragen. Meine Mutter hat sich regelmässig neue Verstecke ausgedacht, aber ich war noch besser darin, diese Verstecke aufzustöbern. Ich habe, glaube ich, mich im Zimmer meiner Mutter fast besser ausgekannt als sie.
Keine Überdosis Schokolade in der Kindheit also, damit war der Weg zum Chef von Camille Bloch vorgespurt?
Das war zwar der Plan meines Vaters Rolf Bloch, der deckte sich aber noch nicht ganz mit meinem. Als ich im Sommer 1994 als angehender Direktor in die Firma eintrat, wurde ich von einer Runde ehrwürdiger alter Herren in einem holzgetäferten Zimmer mit grünem Spannteppich empfangen. Da habe ich gleich gespürt, das ist noch nicht meine Welt. Also habe ich erst mal noch eine Zusatzausbildung an einer Kaderschmiede in Frankreich absolviert.
Im zweiten Anlauf hat es dann geklappt. Was macht eine erfolgreiche Nachfolgeregelung aus?
Jede Nachfolgeregelung ist eine Art Handel, mit dem beide Seiten und dazu noch die anderen Familienmitglieder einverstanden sein müssen. 1994 war ich noch nicht bereit, in diesen Handel einzuschlagen. Wenn man jung ist, versucht man die Erwartungen der anderen zu erfüllen, also habe ich studiert, habe Erfahrungen in der Industrie gesammelt, war im Ausland. Mein Vater hatte klare Vorstellungen, wie ich ihn an der Spitze von Camille Bloch ablösen sollte, er war ja schon einige Jahrzehnte in der Firma.
Sie hatten noch keinen Plan?
Mein Planungsprozess hat erst in diesem getäferten Zimmer eingesetzt, drei Jahre später war ich dann bereit, einen neuen Deal mit meinem Vater einzuschlagen. Ich bin sehr froh, dass mein Vater es zugelassen hat, dass ich meinen eigenen Weg an die Spitze finden konnte.
Seit 20 Jahren liegt nun das Schicksal von Camille Bloch in Ihren Händen, ist «Creating Passion», so der Titel Ihres Buches, eine Art unternehmerisches Manifest?
Das ist eher eine starke Zwischenbilanz. Ich liebe Geschichten. Ich versuche, die Geschichte hinter den betriebswirtschaftlichen Prozessen zu verstehen, die Fakten mit meinen Sinnen zu erfassen. Es geht darum, wie bewege ich Menschen gleichzeitig, zum gleichen Thema, mit der gleichen Begeisterung, etwas zu tun! Begeisterungsfähigkeit ist eine Kraft, die wichtiger ist als betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Ein Unternehmer muss alle Leute mobilisieren, es muss ihm gelingen, mit allen Mitarbeitern eine gemeinsame Geschichte zu erzählen.
Es geht um Passion. Hat Leidenschaft, haben Emotionen überhaupt Platz in der Wirtschaft?
Gefühle sind heute in der Wirtschaft ein gefährdetes Gut. Die Welt der Emotionen ist ein ständiges Rauf und Runter. Das hat ein Manager nicht so gern, das Rauf zwar schon, aber das Runter, das passt ihm gar nicht. Aber ich bin Unternehmer und nicht Manager – ich kann es mir eher leisten, einen Rückgang wie nach dem Frankenschock auch als Chance zu begreifen.
Ist eine solche Haltung in einem Familien-Betrieb einfacher?
Es ist sicher ein Vorteil, dass wir nicht an der Börse sind, wir stehen weniger unter täglicher Beobachtung von Investoren oder Analysten. Es ist für einen Unternehmer leichter als für einen angestellten Manager, gewisse Risiken einzugehen, eine Sache auch mal etwas gelassener anzugehen, nicht jedes Problem gleich lösen zu wollen. Ich versuche immer, Probleme nicht einzeln abzuarbeiten, sondern die Dinge zu Ende zu denken, die Zusammenhänge zu erkennen.
Wird man als Unternehmer geboren oder lässt sich das lernen?
Ob man Unternehmer ist oder nicht, ist eher eine Einstellungssache als eine Frage der Ausbildung. Es braucht Kraft, als Unternehmer seine unternehmerische Freiheit auch auszuleben. Als Unternehmer ist man ständig gefordert, sei es durch Regulatoren, die Gewohnheit, es gilt Widerstände oder auch Ängste zu überwinden, Risiken abzuwägen. Viele Leute werden durch ihr Umfeld in ihrem unternehmerischen Elan lahmgelegt! Nicht jeder hat die Kraft, diese Widerstände zu überwinden. Unternehmertum ist ein stetiger Kampf.
Haben Sie ein anderes Verständnis von Unternehmertum als Ihr Vater und Grossvater?
Jeder Unternehmer muss mit den wirtschaftlichen Umständen seiner Zeit fertigwerden. Mein Grossvater Camille Bloch gründete die Firma 1929 in einer Krisenzeit, hat aus der Not eine Tugend gemacht und nebenher auch noch den Schokoladenmarkt revolutioniert: Er hat nicht nur den knappen Kakao mit leicht erhältlichen Haselnüssen gemischt, er hat auch mit Ragusa – und später Torino – die ersten Schokoriegel produziert. Damals war es üblich, Schokolade in Tafelform zu Hause zu essen – mit einem Stück Brot zum Zvieri. Dank des 50-Gramm-Ragusa-Riegels haben die Leute begonnen, Schokolade mitzunehmen, sie auch mal unterwegs zu essen.
Und Ihr Vater?
Mein Vater, Rolf Bloch, musste sich darum kümmern, dass sich unsere Produkte in den Regalen der damals aufkommenden Supermärkte behaupten konnten. Ich sorge heute als Chef dafür, mit meinen Mitarbeitenden gemeinsame Ambitionen zu entwickeln und ihnen genügend Freiraum zu lassen, um kreativ zu sein.
Kreativ sind Sie auch, was den Firmensitz in Courtelary anbelangt – der erstrahlt bald in neuem Glanz.
Wir schaffen Raum für die Schokoladenfabrik der nächsten Generation und eine neue Erlebniswelt für die Konsumenten. Das Projekt «Authenti-Cité» beansprucht mich im Moment so stark, dass ich mich fast nicht mehr um die Zahlen kümmere. Fragen Sie mich bitte nicht nach den Umsätzen im September, da müsste ich erst nachschauen. Aber es tut auch mal gut, sich aus dem Tagesgeschäft zu lösen und sich um eine langfristige Vision zu kümmern. Ich bin richtig aufgeregt vor der Eröffnung am 28. Oktober, es fühlt sich fast so an, wie das erste Mal verliebt zu sein.
Sie haben Kinder. Die Schokoladengeschichte Ihrer Familie kann also weitergehen.
Wie mein Vater würde auch ich mich freuen, wenn eines meiner Kinder die Nachfolge antreten würde. Aber für konkrete Pläne sind die Kinder noch zu jung, in diesem Alter darf man sich das wünschen, aber planen kann man das noch nicht. Zudem hat mein Bruder auch Kinder. Die Nachfolge wird von Generation zu Generation komplexer. Es ist wichtig, den Raum zu schaffen, damit die Nachfolger die nötigen unternehmerischen Freiheiten haben, um die Zukunft der Firma nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten.
Daniel Bloch (54) führt den Schokoladenproduzenten Camille Bloch mit Sitz in Courtelary im Berner Jura in dritter Generation. 1997 trat der Jurist als Vorsitzender der Geschäftsleitung in die Fussstapfen seines Vaters Rolf Bloch.
Daniel Bloch (54) führt den Schokoladenproduzenten Camille Bloch mit Sitz in Courtelary im Berner Jura in dritter Generation. 1997 trat der Jurist als Vorsitzender der Geschäftsleitung in die Fussstapfen seines Vaters Rolf Bloch.