CS-Schweiz-Chef Thomas Gottstein (52) sorgt sich um die Renten
«Die Negativzinsen sind Gift für die Pensionskassen»

Thomas Gottstein (52) ist der neue Mister Credit Suisse für den Heimmarkt. Der frühere Spitzengolfer soll das Schweizer Geschäft an die Börse bringen.
Publiziert: 21.08.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 21:21 Uhr
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Thomas Gottstein (52) ist der neue Mister Credit Suisse für den Heimmarkt.
Foto: Mirko Ries
Guido Schätti, Vinzenz Greiner (Text), Mirko Ries (Bilder)

SonntagsBlick: Herr Gottstein, Sie haben ein sensationell gutes Golf-Handicap. Stimmt es, dass Banker den halben Tag auf dem Golfplatz verbringen?
Thomas Gottstein:
Bei mir stimmt das Klischee sicher nicht. Ich komme kaum zum Golfen. Aber ich fing bereits mit zwölf an, war mit 16 in der Junioren-Nationalmannschaft und habe während meines Studiums an fünf Weltmeisterschaften teilgenommen. Davon profitiere ich heute noch.

Mit 20 gehörten Sie zu den besten Golf-Junioren Europas. Warum entschieden Sie sich gegen eine Profi-Karriere?
Ich war damals ein Jahr lang an einem College in Florida und habe jeden Tag Golf gespielt. Irgendwann habe ich mich gefragt, ob ich wirklich für den Rest meines Lebens hauptberuflich hinter einem weissen Ball herlaufen will.

Die Bankerkarriere war Ihnen in die Wiege gelegt. Der frühere SBG-Präsident Niklaus Senn war Ihr Götti.
Er war nicht mein Götti, zählte jedoch zu unserem Bekanntenkreis. Meine Mutter stammt wie er aus Appenzell. Mein Interesse am Banking habe ich aber während meines Wirtschaftsstudiums an der Uni Zürich entdeckt, beeinflusst von den Professoren Kilgus, Volkart und Meyer. Gespräche mit Persönlichkeiten wie Niklaus Senn oder CS-Ehrenpräsident Rainer E. Gut spielten dabei auch eine Rolle. Beide haben mich sehr beeindruckt.

Seit 17 Jahren stehen Sie in Diensten der CS. Die Bank kam ohne Staatshilfe durch die Finanzkrise, heute steckt sie in Schwierigkeiten. Was lief falsch?
Gerade weil die Bank so gut durch die Finanzkrise kam, gab es weniger Druck, die Risiken im Investmentbanking stark abzubauen. Doch dann trübten sich die Aussichten, die regulatorischen Eingriffe nahmen zu, und die Märkte blieben auch nach der Finanzkrise volatil. Jetzt wird das Handels­geschäft der neuen Realität angepasst, und die Risiken werden heruntergefahren.

Die Fehler verderben der CS das Jubeljahr 2016. Die Fussball-Nati spielt an der Euro, der Gotthard-Basistunnel wird eingeweiht. An beidem hatte die CS wesentlichen Anteil, Schlagzeilen macht aber die Krise. Das muss Sie nerven!
Gerade in der Schweiz muss man mit Negativschlagzeilen rechnen, wenn wir die Resultate nicht liefern. Mich ärgert, wenn Unwahrheiten in den Raum gestellt werden. Vor allem, weil unsere Mitarbeiter täglich für die Kunden da sind und einen tollen Job machen. Auf unser Engagement für die Fussball-Nationalmannschaft sind wir stolz, und wir identifizieren uns stark mit dem Gotthard. In beiden Fällen erhielten wir positive Erwähnung – sie ging nur etwas unter.

Wie kommen Sie aus der Negativspirale heraus?
Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Seit letztem Oktober haben wir eine neue Strategie. Wir führten eine Kapitalerhöhung durch, verkauften das US-Private-Banking-Geschäft, verkleinern das Investmentbanking und stärken die Vermögensverwaltung. Der Umbau ist auf drei Jahre angelegt und zeigt nach den ersten zwei Quartalen bereits erste Früchte. Die Kapitalbasis befindet sich auf dem höchsten Niveau, welches die Bank je hatte. Und im ersten halben Jahr haben die Kunden global rund 22 Milliarden Franken zur Bank gebracht – trotz einiger Negativschlagzeilen. Das zeigt die Stärke unserer Marke.

Die Probleme der CS stammen aus dem internationalen ­Geschäft. Viele Schweizer Mit­arbeiter sind frustriert, dass sie immer den Kopf hinhalten müssen für die Fehler anderer. Haben Sie Verständnis dafür?
Nur bis zu einem gewissen Grad, denn wir profitieren auch bei Schweizer Kunden von unserem internationalen Netzwerk. Darüber hinaus wird uns der Börsengang helfen. Dann wird man die Leistung des Schweizer Geschäfts klar und deutlich sehen.

Ist der auf nächstes Jahr geplante Börsengang der CS Schweiz der erste Schritt, um die Gruppe in Einzelteile zu zerlegen und diese zu verkaufen?
Nein, eine Abkoppelung ist überhaupt nicht das Ziel. Das Schweizer Geschäft wird eine Kernaktivität der Gruppe bleiben. Wir werden weiterhin als Gruppe auftreten. Die CS Schweiz kann nur so erfolgreich sein.

Was versprechen Sie sich vom Börsengang?
Das Schweizer Geschäft ist äusserst robust und profitabel. In der Bewertung der Gruppe schlägt sich das aber zu wenig nieder. Die Gruppe ist unterbewertet. Wir gehen davon aus, dass sich das durch den Börsengang ändern wird. Zudem wird die Mutter mit dem Verkauf eines Teils der Aktien zusätzliches Kapital erhalten. Schliesslich ist dieser Schritt auch konsistent mit dem Auftrag der internationalen Regulatoren, unsere regionalen Geschäfte in rechtliche Einheiten zu verpacken.

Die CS wird heute zur Hälfte ­ihres Buchwertes gehandelt. Wird die Tochter bald mehr wert sein als die Mutter?
Nein, das ist ausgeschlossen. Die Mutter hält immer 70 bis 80 Prozent der Tochter, und die internationalen Geschäfte der CS sind gross und wachsen gut. Aber wir gehen davon aus, dass der Börsengang einen positiven Effekt auf den Aktienkurs der Gruppe haben wird.

Dann müsste man jetzt ­CS-Aktien kaufen.
Weil ich selber ein Vertreter der CS bin, gebe ich grundsätzlich keine Empfehlungen zu unseren eigenen Aktien ab. Selber halte ich aber viele und bin zuversichtlich, dass sie sich als gutes Investment herausstellen werden.

Der Börsengang soll bis zu vier Milliarden einbringen. Planen Sie Übernahmen von Schweizer Banken?
Kurzfristig eher nicht. Wenn wir den Börsengang hinter uns haben, werden Zukäufe aber ein Thema für uns.

Die Banken haben ein Kostenproblem. UBS-Chef Sergio Ermotti fordert eine gemeinsame Abwicklungsplattform. Was halten Sie davon?
Die Idee ist nicht ganz neu, aber unverändert aktuell. Wir sind offen für Gespräche. Wir arbeiten bereits zusammen bei Twint, der App für mobiles Bezahlen.

Wann können CS-Kunden mit Twint bezahlen?
Wir gehen davon aus, dass wir Twint spätestens im ersten Halbjahr 2017 anbieten können.

Nicht nur die CS, auch die UBS, Raiffeisen und die Kantonalbanken wollen in der Schweiz wachsen. Der Markt stagniert aber. Das kann nicht aufgehen.
Es ist wie im Fussball, am Anfang der Saison wollen alle Meister werden, gewinnen kann aber nur einer. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir unsere Ziele erreichen. Wir ­haben ein einzigartiges Netzwerk über die ganze Schweiz. Davon profitieren insbesondere Unternehmer. Wir haben bei Finanzierungs- und Beratungsthemen jahrelange Erfahrung aus Hunderten von Fällen. Gleichzeitig helfen wir Unternehmern, ihr Privatvermögen erfolgreich aufzubauen und anzulegen.

Viele Banken kritisieren die ­Negativzinsen. Was halten Sie davon – helfen sie, den Franken zu schwächen?
Die Negativzinsen sind ein echtes Problem für die Wirtschaft. Sie sind Gift für die Pensionskassen, bestrafen die Sparer und belasten die Banken. Aber die SNB hat aus meiner Sicht sehr beschränkte Alter­nativen. Sie muss sich fügen, wenn die Notenbanken weltweit die ­Zinsen senken. Ohne eine Kombination von Stützungskäufen und der Zinsdifferenz zum Euro und zum Dollar ginge der Frankenkurs durch die Decke. Dadurch würde die Exportwirtschaft noch mehr unter Druck geraten.

Wann müssen bei der CS auch Kleinkunden zahlen?
Wenn die Nationalbank die Zinsen noch weiter senkt, müssten wir darüber nachdenken, auch bei Privatkunden Negativzinsen zu verlangen. Beim heutigen Stand schliesse ich das aber aus. Wir verlangen nur bei Grosskunden Negativzinsen.

Bevor Sie Schweiz-Chef wurden, verbrachten Sie Ihre Karriere in der zweiten Reihe. Wie hat Sie CS-CEO Tidjane Thiam überzeugt, den Schritt ins Rampenlicht zu machen?
Als er mir die Chance bot, habe ich mich natürlich gefragt, ob ich es schaffe und gut genug bin. Die Antwort wird man erst im Nachhinein kennen. Aber ich traue es mir zu. Ich habe die notwendige Führungserfahrung und kenne sowohl das Firmen- wie das Privatkundengeschäft und verstehe, wie institutionelle Kunden denken. Vor allem aber habe ich hervorragende Leute um mich herum.

Sie sind seit kurzem auch ­Verwaltungsrat der Zürcher Oper. Welche Veranstaltungen besuchen Sie privat am liebsten – Golf, Fussball oder die Oper?
Ich gehe sehr gerne in die Oper, muss mich hier aber ganz klar für Fussball entscheiden. Ich spielte bis 14 bei den FCZ-Junioren, unter anderem auch eine Saison mit Urs ­Fischer. Mein Herz schlägt noch ­immer für den FCZ.

Persönlich

Junioren-Europameister im Golf, Doktor der Wirtschaft, Top-Manager: Thomas Gottstein (52) ist ein Multitalent. Der Zürcher startete seine Karriere bei der UBS-Vorgängerin SBG. Bei der CS war er Investmentbanker und betreute reiche Privatkunden. Seit letztem Herbst ist er Chef des Schweizer Geschäfts. Gottstein ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen.

Junioren-Europameister im Golf, Doktor der Wirtschaft, Top-Manager: Thomas Gottstein (52) ist ein Multitalent. Der Zürcher startete seine Karriere bei der UBS-Vorgängerin SBG. Bei der CS war er Investmentbanker und betreute reiche Privatkunden. Seit letztem Herbst ist er Chef des Schweizer Geschäfts. Gottstein ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen.

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