«Die Grosse Konkurswelle kommt im November»
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Creditreform-Chef Egeli warnt:«Die Grosse Konkurswelle kommt im November»

Creditreform-Chef Raoul Egeli warnt im Interview
«Die Grosse Konkurswelle kommt im November»

Noch halten sich in der Schweiz die meisten Firmen über Wasser, auch dank der Stützungsmassnahmen des Bundes. Doch ab November rollt eine Konkurswelle übers Land, so die düstere Prognose von Raoul Egeli.
Publiziert: 05.10.2020 um 23:09 Uhr
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Aktualisiert: 06.10.2020 um 07:41 Uhr
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Raoul Egeli, Präsident des Gläubigerverbandes Creditrefom, ist pessimistisch.
Foto: Werner Tobler
Christian Kolbe

In Konkurs gehen – das ist in der Schweiz ein heikles Thema. In der Öffentlichkeit darüber reden will erst recht niemand. Dabei ist klar: Die Corona-Krise wird die Zahl der Konkurse hochschnellen lassen, gerade auch in den touristischen Gebieten. Was das genau heisst und wen es trifft, wollte BLICK von Konkursexperte Raoul Egeli (52) wissen.

BLICK: Vielen Hotels fehlen die ausländischen Gäste. Was kommt auf die Hotel- und Gastrobranche zu – eine grosse Pleitewelle?
Raoul Egeli:
Es kommt darauf an, wo genau das Hotel liegt. Gerade Stadthotels sind in einer deutlich schwierigeren Situation als Betriebe in ländlichen, klassischen Touristenregionen. Diese haben davon profitiert, dass viele Schweizer Ferien im eigenen Land machten. Gastrobetriebe, die zum Beispiel einen guten Teil des Umsatzes mit Messen gemacht haben, dürften es sehr schwer haben.

Was kommt auf die ganze Wirtschaft zu?
Viele KMU haben in den letzten Monaten von den staatlichen Massnahmen wie den Covid-19-Krediten und der Kurzarbeitsentschädigung profitieren können. So sind diverse Unternehmen, die so oder so in eine schwierige Situation gekommen wären, zu flüssigen Mitteln gekommen. Das heisst, viele Konkurse wurden durch die Stützungsmassnahmen aufgeschoben ...

... aber nicht aufgehoben?
Richtig! Bei den Überbrückungskrediten wurde nur darauf geschaut, ob sich eine Firma nicht bereits in Liquidation befindet, und nicht auf ihr allgemeines Zahlungsverhalten. Das heisst, auch eine Firma, die bereits ernsthafte Zahlungsprobleme hatte, bekam einen Covid-19-Kredit. Das hat ihr für ein paar Monate Liquidität verschafft. Deshalb ist in den Monaten März und April, mitten im Lockdown, die Zahl der Konkurse deutlich gesunken.

Hätten die Banken bei der Kreditvergabe genauer hinschauen müssen?
Die Politik hat schnell und effizient gehandelt, darauf geachtet, dass die Flut der Kreditanfragen zu bewältigen war. Das war der Situation angepasst. Im Nachhinein lässt sich sagen: Man hätte neben der Frage der Liquidation auch das Vorliegen von erheblichen Zahlungsproblemen berücksichtigen müssen. Denn für solche Firmen dürfte es unmöglich sein, das Geld zurückzuzahlen. Immerhin: Mit den Covid-Krediten konnten Gläubiger bezahlt werden, für die das Geld sonst nicht mehr gereicht hätte.

War der Bund zu grosszügig?
Wenn ich mir die aktuellen Zahlen anschaue: Auf ein Kreditvolumen von über 16 Milliarden Franken kommen Bürgschaftsverluste von knapp 14 Millionen. Das ist im Rahmen. Die grosse Frage ist nun: Wie entwickelt sich die Wirtschaft weiter, und wie viele Firmen können den Kredit tatsächlich zurückzahlen?

Kommt die Konkurswelle überhaupt?
Das ist kein Hirngespinst, die Konkurswelle kommt. Im September haben wir schon mal einen Anstieg der Konkurse gesehen, und so richtig los geht es im Spätherbst. Ich rechne ab November mit der grossen Konkurswelle.

Wie dramatisch wird die Welle sein?
Das hängt vom weiteren Verlauf der Pandemie ab. Steigen die Fallzahlen, kommen weitere Einschränkungen auf uns zu, die zu mehr Konkursen führen werden. Nur wenn es gelingt, die Zahl der Fälle zu begrenzen, bleiben auch die Lockerungen in Kraft, und gerade im Eventbereich werden so Konkurse vermieden.

Wie wird die Welle verlaufen?
Wir werden im November einen ersten Höhepunkt erleben, doch dem können weitere folgen. Denn auch in den folgenden Monaten werden viele Firmen ihre Bilanz deponieren, Konkurs anmelden. Wann die Welle abebbt, hängt von der Erholung der Wirtschaft ab.

Welche Folgen hat eine Konkurswelle für die Wirtschaft?
Es gibt bei jedem Konkurs Dominoeffekte. Den Zulieferern fehlen plötzlich Einnahmen, sie müssen dann vielleicht selbst Arbeitsplätze abbauen oder können ihrerseits die Lieferanten nicht bezahlen. Zudem sind viele Gläubiger gezwungen, ihre Forderungen einfach abzuschreiben, da sich aus Kostengründen die Durchsetzung der Forderung nicht lohnt.

Mit wie vielen Konkursen pro Monat müssen wir denn auf dem Höhepunkt rechnen?
Im Moment gibt es zwischen 300 und 400 Konkurse im Monat. Ein Peak von 800 Konkursen im Monat wäre aber durchaus möglich.

Wie lange dauert es, bis eine Firma tatsächlich die Bilanz deponiert?
Viele Patrons sind wie die meisten Menschen Optimisten. Sie glauben bis zum Schluss daran, dass sich eine Lösung finden wird, versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Es gibt nicht wenige Firmen, die zwar noch nicht in Konkurs, aber schon heute nicht mehr zahlungsfähig sind – sogenannte Zombiefirmen. Sie sind dauernd damit beschäftigt, überall die Löcher zu stopfen. Es kann lange dauern, bis eine Firma die Bilanz deponiert oder ein Gläubiger bereit ist, das Kostenrisiko zu tragen und das Konkursbegehren zu stellen.

Warum tun sich die meisten Unternehmer schwer, über einen Konkurs zu reden?
Mit dem Öffentlichmachen von Finanzproblemen läuft man Gefahr, die Situation noch zu verschlechtern. Einerseits könnten Gläubiger den Druck zur Zahlung erhöhen oder Lieferanten die Kreditlimite kürzen. Das will man wenn immer möglich verhindern. Zudem befinden sich die Unternehmer in einer ausserordentlichen Stresssituation. Viele schotten sich ab.

Wieso hat in der Schweiz die Kultur des Scheiterns einen anderen Stellenwert als in den USA?
Der Schweizer ist eher bescheiden. Wir prahlen nicht mit unseren Erfolgen und stellen sie auch nicht öffentlich zur Schau. Das gehört zu unserer Kultur. Für mich ist das der Grund, weshalb wir auch nicht gelernt haben, über Misserfolge zu sprechen. In der Schweiz ist Scheitern definitiv ein Misserfolg.

Der Herr der Konkurse

Wie es um die Solvenz von Schweizer Firmen bestellt ist, damit kennen sich nur wenige so gut aus wie Raoul Egeli (52). Der Ostschweizer ist seit 2008 Präsident des Schweizerischen Verbands Creditreform und seit 2014 Präsident von Creditreform International. Akribisch führt er mit seinen Firmen und Mitarbeitern Buch über die Zahl Konkurse in der Schweiz. (koh)

Wie es um die Solvenz von Schweizer Firmen bestellt ist, damit kennen sich nur wenige so gut aus wie Raoul Egeli (52). Der Ostschweizer ist seit 2008 Präsident des Schweizerischen Verbands Creditreform und seit 2014 Präsident von Creditreform International. Akribisch führt er mit seinen Firmen und Mitarbeitern Buch über die Zahl Konkurse in der Schweiz. (koh)

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