BLICK: Zwischen Ihnen beiden stimmt die Chemie nicht, oder?
Beda Stadler: Hans Rudolf Herren fliegt um die Welt und tut so, als wäre Bio unsere Rettung. Das funktioniert für reiche Länder. In der Dritten Welt kann ein Ernteausfall aber Menschenleben fordern!
Hans Rudolf Herren: Für mich ist Beda Stadler ein Sprachrohr der Pharma-Industrie. Es geht ihm nicht um das Wohl der Konsumenten.
Stadler: Das stimmt nicht. Ich bin keine Pharma-Hure. Ich bin unabhängig!
Wie giftig ist die Chemie auf Schweizer Kirschen?
Herren: Dimethoat ist ein Nervengift, das auch krebserregend ist. Es soll gegen Fruchtfliegen wirken, tötet aber alles Mögliche. Viele dieser Mittel sammeln sich im menschlichen Körper an. Ein Kind erreicht einen Grenzwert viel schneller als eine 100-Kilo-Person. Grenzwerte sind willkürlich.
Stadler: Alkohol ist auch ein Nervengift. Es darf ein tausendstel Gramm Dimethoat auf ein Kilo Kirschen gespritzt werden. Wissen Sie, wie viel Sie essen müssten, bis das giftig wird? Wenigstens gibt es dieses Jahr eine einfache Möglichkeit, Bio-Kirschen von normalen zu unterscheiden: Die mit den Maden drin sind bio.
Herren: Die Natur ist eben nicht perfekt! Diese Hochglanzfrüchte wie auf den Plakaten gibt es ohne Chemie doch gar nicht.
Wie soll man das als Konsument verstehen? Sind Schweizer Früchte und Gemüse nun gesund oder schädlich?
Herren: Die Leute werden krank von diesem Chemie-Food. Kaufen Sie nachhaltige Produkte aus ökologischer und biologischer Landwirtschaft. Da können Sie sicher sein, dass Ihr Essen gesund ist. Chemie gehört nicht ins Essen.
Stadler: Es gibt keinen Beweis, dass diese Mittel zu Krebs führen. Es geht nur darum, das Verhalten der Kunden zu beeinflussen. Konkret: Wie bringe ich jemanden dazu, für Kirschen mit Maden mehr zu bezahlen? Bio-Produkte sind 20 bis 40 Prozent teurer. Ich kenne Biobauern, die lachen sich abends kaputt. Ein 20 bis 40 Prozent höherer Preis für die gleiche Arbeit.
Herren: Wenn Sie nur den Kassenzettel anschauen, sind konventionelle Produkte billiger. Das Gift im Grundwasser ist da nicht eingerechnet. Die gesundheitlichen Probleme für die Konsumenten sind auch nicht eingerechnet. Langfristig sieht die Rechnung ganz anders aus!
Das Image von Bio-Food ist super. Das Image der Pharma-Industrie nicht. Warum ist das so?
Herren: Den Herstellern dieser Spritzmittel geht es nur um Geld. Unnachhaltiges, kurzfristiges Geld. Nahrung ist ein Menschenrecht und sollte nicht in diesem Masse dem Privatsektor überlassen werden.
Stadler: Die Bio-Vertreter haben ein geniales Lobbying. Man könnte sagen: Was Christa Markwalder für Kasachstan war, ist Maya Graf von den Grünen für die Bio-Industrie. Die Chemie-Hersteller haben jahrzehntelang falsch kommuniziert. Die haben ihre Produkte direkt an die Bauern verkauft und die Endkonsumenten völlig vergessen. Die Marke Bio richtet sich direkt an die Konsumenten. Und vermittelt ein gutes Gefühl.
Kann die Schweiz selber entscheiden, welche Spritzmittel zugelassen werden?
Stadler: Da gibt es viel Druck von den USA und der EU. Die Schweiz muss vieles übernehmen.
Herren: Auch die Industrie übt starken Druck aus. Dabei wäre es möglich, auf Chemie zu verzichten!
Was sind Ihre politischen Forderungen?
Herren: Die Schweiz investiert jedes Jahr circa 170 Millionen Franken in Landwirtschaftsforschung. Nur etwa vier Millionen gibts für die Bio-Forschung. Das muss sich ändern. Künstliche Spritzmittel sollten verboten werden. Es gibt genug natürliche Alternativen.
Stadler: Man darf den Konsumenten zu nichts zwingen. Für meinen Enkel zum Beispiel bekomme ich nur noch Bio-Babybrei. Was sage ich ihm, falls er trotzdem einmal Krebs bekommt?