«Gefährlich wäre eine Kupplung, die reisst»
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Spuhler über RhB-Weltrekord:«Gefährlich wäre eine Kupplung, die reisst»

CEO Peter Spuhler zum Weltrekordversuch
«Gefährlich wäre eine Kupplung, die reisst»

Der längste Reisezug der Welt fährt am Samstag auf der legendären Albulastrecke. Mit 100 Wagen von Stadler Rail. CEO Peter Spuhler sitzt beim Weltrekordversuch selbst im Zug. Und ist jetzt schon stolz.
Publiziert: 28.10.2022 um 08:21 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2022 um 09:54 Uhr
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Peter Spuhler sitzt beim Weltrekordversuch nicht im Führerstand. Das überlässt er den Technikern.
Foto: Thomas Meier
Interview: Christian Dorer

Was für ein Weltrekordversuch! 1,9 Kilometer lang ist die Zugkomposition, mit der die Rhätische Bahn (RhB) am Samstag in Graubünden unterwegs ist. Es wäre der längste Reisezug der Welt. Der Zug soll auf der Albula-Strecke von Preda nach Bergün und weiter über den Landwasserviadukt rollen. Mit dabei ist auch der Chef von Zugbauer Stadler Rail, Peter Spuhler (63). Im Blick-TV-Talk «Hier fragt der Chef» spricht er über die Faszination der Aktion und die grössten technischen Herausforderungen. Die 100 Wagen wurden bei Stadler gebaut.

Herr Spuhler, die Rhätische Bahn will einen Rekord aufstellen: Mit einem fast zwei Kilometer langen Zug fährt sie die Albulastrecke hinunter. Was haben Sie gedacht, als Sie zum ersten Mal davon gehört haben?
Ich war überrascht. Aber das ist typisch für die Rhätische Bahn. Sie ist ein Uno-Weltkulturerbe. Die Aktion ist ein weiterer Beweis, dass man auch mit ÖV gute PR machen kann. Und zwar weltweit. Wir drücken die Daumen, dass es gut kommt.

100 Wagen sind aneinandergehängt. Ziemlich verrückt. Was sind die Schwierigkeiten?
Es sind 25 Triebzüge mit je vier Wagen. Normalerweise fahren nur zwei oder drei zusammen. Die grösste Herausforderung ist, dass sich auch der 25. Zug in Bewegung setzt, wenn es der erste tut. Und zwar möglichst gleich schnell. Mit kleineren Einheiten haben wir das erfolgreich getestet. Und hoffen, dass der Weltrekordversuch am Samstag gelingt.

Sind Sie nervös?
Nein. Ich hab volles Vertrauen in die Rhätische Bahn und in unsere Ingenieure. Wir haben unsere Spezialisten vor Ort. Das kommt gut.

Wo ist die Achillesferse?
Entscheidend ist, dass beim Anfahren und Bremsen alle Züge gleichzeitig reagieren.

Was kann im schlimmsten Fall passieren?
Es könnte verschiedene Probleme geben. So kann es eine Kupplung auseinanderreissen. Oder ein Zug kann entgleisen.

Welche Bedeutung hat der Weltrekord? Oder ist er bloss ein PR-Gag?
Klar. In erster Linie ist das alles ein Marketing-Gag. Die Rhätische Bahn kann sich so der ganzen Welt präsentieren. Über 100 Journalistinnen und Journalisten reisen ins Bergün. Das ist ein Hit! Auch für uns als Stadler. Wir haben die 25 Züge gebaut. Das hat bestimmt auch einen guten Werbeeffekt für uns.

Wo sind Sie am Samstag?
Selbstverständlich im Zug. Allerdings nicht im Führerstand, das überlassen wir den Technikern.

Weltrekordversuch exklusiv auf Blick TV

Am Samstag, 29. Oktober 2022, um 14 Uhr ist es so weit. Die Rhätische Bahn (RhB) lässt im Bündnerland den längsten Reisezug der Welt fahren: 1910 Meter lang, mit 100 Wagen. Der Zug soll auf der Unesco-Welterbe-Strecke von Preda bis Bergün und weiter über den Landwasserviadukt rollen. Blick TV wird den RhB-Weltrekordversuch exklusiv begleiten und aus drei Studios senden. Es ist die grösste Produktion in der noch jungen Geschichte unseres Senders. 55 Personen machen die Live-Übertragung möglich. 19 Kameras liefern Live-Bilder, darunter fünf direkt am und aus dem Zug, je eine an einem Helikopter und an einer Drohne. Blick berichtet diese Woche täglich über den Weltrekordversuch – mit News, Hintergründen und auf Blick.ch mit Videos.

Am Samstag, 29. Oktober 2022, um 14 Uhr ist es so weit. Die Rhätische Bahn (RhB) lässt im Bündnerland den längsten Reisezug der Welt fahren: 1910 Meter lang, mit 100 Wagen. Der Zug soll auf der Unesco-Welterbe-Strecke von Preda bis Bergün und weiter über den Landwasserviadukt rollen. Blick TV wird den RhB-Weltrekordversuch exklusiv begleiten und aus drei Studios senden. Es ist die grösste Produktion in der noch jungen Geschichte unseres Senders. 55 Personen machen die Live-Übertragung möglich. 19 Kameras liefern Live-Bilder, darunter fünf direkt am und aus dem Zug, je eine an einem Helikopter und an einer Drohne. Blick berichtet diese Woche täglich über den Weltrekordversuch – mit News, Hintergründen und auf Blick.ch mit Videos.

Stadler liebt Weltrekordversuche: Im Dezember ist ein batteriebetriebener Zug ab Berlin bei Minustemperaturen 224 Kilometer weit gefahren. Was wollten Sie zeigen?
Die Politik und unsere Kunden setzen auf grüne Technologien. Dieselzüge, und die gibt es im Ausland noch oft, sind Vergangenheit. Batteriebetrieb ist eine Alternative. Zum Glück haben wir die Technologie schnell entwickeln können und sind heute führend in Europa. Im normalen Betrieb sind 200 Kilometer nicht möglich. Wir garantieren 100 bis 120 Kilometer. Das ist die Zukunft. Gerade in Deutschland, wo nur 60 Prozent der Strecken elektrifiziert sind.

Reden wir über Ihre Firma: Sie haben volle Auftragsbücher – 136 Doppelstöcker für Österreich, 500 Flirt-Züge für die SBB, 1500 U-Bahn-Wagen für Berlin und so weiter. Wie schaffen Sie es, so oft zu gewinnen?
Wichtig ist, dass wir die Technologie à jour halten, dort an der Spitze sind. Das haben wir uns erkämpft. Mit unseren Fahrzeugkonzepten haben wir das geschafft. Wir können im harten internationalen Wettbewerb bestehen. Aktuell haben wir Aufträge im Wert von 22 Milliarden Franken.

Es gibt starke internationale Anbieter, und die Schweiz ist kein billiger Standort. Was macht die Konkurrenz falsch?
Wir haben in der Schweiz 5000 Mitarbeiter. Zwei Drittel der Aufträge gehen ins Ausland. Klar, wir haben in der Schweiz die höchsten Löhne Europas. Da haben wir einen Nachteil, auch von der Währung her. Diesen Nachteil müssen wir mit der Technologie kompensieren. Das gelingt uns aber gut.

Was ist besser an einem Zug von Stadler Rail?
Der Preis spielt sicher eine Rolle. Aber auch die Energieeffizienz ist entscheidend. Das wird von vielen Kunden mitbewertet. Dort haben wir einen technologischen Vorsprung. So können wir unseren Kostennachteil kompensieren.

Gibt es bei Stadler Rail Betriebsspionage?
Nein. Schliesslich kann jeder mit unseren Zügen fahren und Fotos machen. Kürzlich waren wir an der Fachmesse Innotrans in Berlin. Da sind Chinesen unter die Fahrzeuge gekrochen und haben alles fotografiert.

Wie gross ist Ihr Heimvorteil in der Schweiz? Kaufen Schweizer Bahnunternehmen eher bei Ihnen, weil Sie ein Schweizer Hersteller sind?
Es gibt WTO-Regeln für Ausschreibungen mit klaren Kriterien. Schummeln kann man da nicht.

Die SBB haben mit dem Dosto einen grossen Auftrag an Bombardier vergeben. Er ist als Schüttelzug bekannt, kam viel zu spät und ist pannenanfällig. Verspürten Sie Schadenfreude?
Nein, auch wenn das damals eine sehr schmerzhaft Niederlage für uns war. Als Schweizer Firma wollen wir in der Schweiz gewinnen. Das ist wie im Eishockey, wenn man im Heimstadion die Meisterschaft vergeigt. Damals hat das weh getan.

Sie haben praktisch alles im Portfolio – Regionalzüge, Fernverkehrszüge, Trams, U-Bahnen. Was läuft derzeit besonders gut?
Das ist von Land zu Land verschieden. Im Bereich Metro haben wir aufgeholt. Vor allem in Grossbritannien und den USA. Vor kurzem haben wir eine neue Strassenbahn auf den Markt gebracht und innert kürzester Zeit vier Aufträge gewonnen. Ganz gut läuft der Flirt. Da haben wir in 30 Ländern über 2500 Einheiten verkauft. In Valencia haben wir 2021 zudem über 160 Lokomotiven vor allem für den Güterverkehr produziert.

In Weissrussland haben Sie 2013 ein Werk eröffnet. Dort haben Sie nun ein Problem. Weissrussland unterstützt Wladimir Putin im Ukraine-Krieg, das Land steht auf der Sanktionsliste der Schweiz.
Wir haben uns damals entschieden, in einem der Ex-Sowjetstaaten eine Fabrik zu eröffnen. Wir hielten Weissrussland für eine gute Wahl. Wir hatten dort bis zu 1800 gut ausgebildete Mitarbeiter. Leider hat sich Präsident Alexander Lukaschenko verrannt. Das muss man so sagen. Wir haben unter diesen Sanktionen das Werk massiv runterfahren müssen. Im Moment haben wir noch 200 Mitarbeiter. Alle Aufträge haben wir in unser Werk nach Polen verlegt. Auch einen Teil der Angestellten. Das sind Familienväter. Als Firma haben wir da eine soziale Verantwortung.

Ist das ein Ende Ihres Werks auf Raten?
Wenn ich das wüsste! Vielleicht gibt es einen Putsch in Russland, und der Krieg ist zu Ende.

Ist Ihr «Traum in Weissrussland geplatzt», wie die NZZ schrieb?
Wir haben 15 Fabriken weltweit, wo wir Schienenfahrzeuge bauen. Nun haben wir eine massiv runtergefahren. Der Traum ist nicht geplatzt. Es ist ein Timeout, wie man es im Eishockey sagen würde.

Bereuen Sie im nachhinein die Zusammenarbeit mit dem Diktator?
Es ist keine Zusammenarbeit mit dem Diktator. Wir haben einfach einen Standort gesucht für unsere Fabrik. Andere Schweizer Firmen gehen nach China oder Russland. Dort weiss man jetzt auch nicht, wie es weitergeht. Als Unternehmer hat man ein gewisses Restrisiko, wenn man in ein Land geht. In zehn Jahren kann es ganz anders aussehen.

1987 sind sie bei Stadler Rail eingestiegen. Damals hatte die Firma 18 Angestellte, heute sind es 13'000. Wie haben Sie das geschafft?
Die Mitarbeiter sind das Wichtigste. Wir brauchen die besten Ingenieure, die besten in der Produktion. Und einen leistungsfähigen Vertrieb. Wie im Mannschaftssport: Das Team zählt. Wir müssen zusammenhalten und durch schwierige Zeiten gehen. Zudem muss man Trends früh antizipieren und in die Technologie investieren, damit man nicht abgehängt wird. Das haben wir in den letzten Jahren gut gemacht.

1987 war die Eisenbahnindustrie in der Schweiz am Boden. War es Ihr Traum als junger Unternehmer, diese wieder zur Blüte zu führen?
Nein, das war ein Zufall. Ich komme aus bescheidenen Verhältnissen. Ich habe nach dem Studium zuerst in der Finanzindustrie geschnuppert und gesehen, dass das nichts für mich ist. Über einen familiären Kontakt bin ich dann bei Stadler gelandet. Dann habe ich von der Thurgauer Kantonalbank einen ungedeckten Kredit über 5 Millionen Franken erhalten. Selber hatte ich kein Geld. So bin ich jetzt im Schienenfahrzeugbau tätig.

Was treibt Sie heute noch an?
Ich habe Spass an der Arbeit. Wir ziehen eine junge Generation nach. Wir Älteren sind altersmilde und langsamer geworden, haben aber viel Erfahrung. Die Jungen haben viel Energie. Denen will ich unsere Kultur weitergeben. Das motiviert mich sehr.

Haben Sie ein Problem mit Loslassen?
Eigentlich wollte ich mit 60 Jahren den Posten des CEO abgeben. Aber mit meinem Nachfolger hat es nicht geklappt. So war ich noch einmal fast drei Jahre CEO. Mit Freude. Aber ich hätte mich gerne auch aufs Strategische konzentriert. Anfang Jahr ist es nun so weit.

Nebenbei machen Sie 100 andere Sachen. Nur ein Auszug: Sie sind Hotelier im Florhof in Zürich, Sponsor des Bobverbandes, Investor der ZSC-Arena und haben eine Zahnradbahn für das Walzenhauser-Bähnli gebaut. Zudem noch eine sechsköpfige ukrainische Flüchtlingsfamilie aufgenommen. Wie viele Stunden hat Ihr Tag?
Ich bin kein Hotelier. Ich bin nur als Investor tätig. Und sicher nie im Service oder in der Küche, was gut ist für unsere Gäste. Wir unterstützen den Sport, während andere die Kultur unterstützen. Wir sind stark im Hockey tätig. Der Bobsport war früher ein Garant für Olympiamedallien. Im Moment ist der Bobverband zielich am Ende. Das tut mir weh. Deshalb wollen wir ihn unterstützen. Viel mehr Arbeit geben die anderen Unternehmen, bei denen ich drin bin. Wie Autoneum, Aebi Schmidt und Rieter. Die machen schwierige Zeiten durch im toxischen Umfeld, das derzeit global herrscht.

1999 bis 2012 waren Sie Nationalrat. Vermissen Sie Bundesbern?
Ja, schon. Im November 2011 war die erste Währungskrise. Ich konnte es mir damals nicht erlauben, meinen politischen Ambitionen nachzugehen und die Stadler-Mannschaft im Stich zu lassen. Ich hab mich dann entschieden, in der vierten Legislatur zurückzutreten.

Jetzt läufts ja gut. Wie wäre es mit einem Comeback?
Nein, nein, nein. Das ist vorbei. Definitiv. Jetzt müssen wieder Junge nach Bern gehen.

Wer wird neuer SVP-Bundesrat?
Wir haben zwei, drei sehr gute Kandidaten. Einer von denen wird sich durchsetzen. Der Kanton Bern ist wohl im Vorteil. Ich verstehe mich sehr gut mit Albert Rösti. Aber auch mit den anderen, etwa mit Heinz Tännler. Wir haben eine gute Mannschaft im Rennen. Einer wird es dann machen.

Sie selber hätten mehrfach Bundesrat werden können, wollten aber nicht. Warum?
Als Unternehmer gibt man sehr viel auf. Ich wäre kein guter Bundesrat geworden. Es freut mich, dass man mir das zutraut. Aber ich wollte wirklich nicht. Man muss dann alle Funktionen im Betrieb abgeben. Dieser Preis war mir zu hoch. Ich wäre wohl nicht glücklich geworden in einem Kollegium, in dem man das Kollegialitätsprinzip vertreten muss.

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