Winterkorn (68) kam von ganz unten und schaffte es nach ganz oben. Zuletzt betrug sein Jahresgehalt 16 Millionen Euro. Der Respekt der Belegschaft war ihm sicher. Denn er konnte einen Motor selber zerlegen und wieder zusammenzusetzen.
«Winterkorn erkennt eine inkorrekte Fuge auf fünf Meter Abstand», schrieb die Zeitung «Bild». Doch den grössten Betrug in der VW-Geschichte erkannte Winterkorn nicht.
«Ich bin fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite möglich waren», sagte er gestern. «Volkswagen braucht einen Neuanfang – auch personell. Mit meinem Rücktritt mache ich den Weg dafür frei.»
Nur fünf Monate konnte Winterkorn die Alleinherrschaft beim grössten Autohersteller Europas geniessen. Im letzten April setzte er sich in einem Machtkampf gegen Ferdinand Piëch (78) durch. Der Patriarch hatte den Kopf seines Schützlings gefordert. Er sei zu Winterkorn «auf Distanz», sagte Piëch in einem Interview.
Was sich wie Winterkorns Todesurteil anhörte, wurde für Piëch selber zum Fallstrick. Der Verwaltungsrat stellte sich auf die Seite des CEOs. Zerknirscht zog sich der Enkel des Firmengründers zurück.
Die VW-Geschichte ist voll von schmutzigen Intrigen. Die Wolfsburger bauen die besten Autos der Welt. Zwölf Marken gehören zum Imperium – Massenprodukte wie Skoda und Seat, aber auch die Perlen Lamborghini oder Bentley. Letztes Jahr kam jeder achte Neuwagen weltweit aus dem Hause VW.
Doch geführt wird der 200-Milliarden-Euro-Konzern wie ein Hofstaat. Die Familien Porsche und Piëch verbindet der Besitz ihrer Stimmenmehrheit von 51 Prozent – und eine tiefe Feindschaft. Die Oberhand haben meist die Piëchs.
Clan-Chef Ferdinand hat zwölf Kinder von vier Frauen. Um seiner Familie einen Vorteil zu verschaffen, scheute er nicht davor zurück, seinem Cousin Gerd Porsche die Gemahlin auszuspannen. Seit 1993 stand er an der Spitze des Konzerns.
Ganz zu Beginn warb er den Manager José Ignacio López von der Konkurrenz ab. Der Spanier brachte haufenweise Firmengeheimnisse von GM mit. Um die Affäre zu bereinigen, musste Bundeskanzler Helmut Kohl bei Bill Clinton vorsprechen. Und VW eine Busse von 100 Millionen Dollar abdrücken.
Piëch war auch Chefaufseher, als 2005 die nächste Korruptionsaffäre VW erschütterte: Um sich die Belegschaft gefügig zu machen, hatte die Firmenleitung den Betriebsrat über Jahre hinweg mit Puff-Besuchen und Luxusreisen gekauft.
Nach dem Abgang Winterkorns könnte jetzt nochmals die Stunde des Patriarchen schlagen. Dass Piëch selbst in die Hosen steigt, glauben zwar nicht mal seine treusten Anhänger. Doch seinen Einfluss wird er bei der Wahl des Nachfolgers spielen lassen.