Zu den Hot-Spots für Top-Kader der chinesischen Wirtschaft zählen die laut-schmutzigen Metropolen Shanghai und Peking und Ghanas geschäftige Hauptstadt Accra. Und ein behäbiges Städtchen an der Pfnüselküste des Zürichsees.
In Horgen tragen die Hügel dünne Schneekäppli. Grau schwappt der See ans Ufer. Zehn Meter davon entfernt steht der Glas-Anbau des «Lorange Institute of Business». Eine Schule mit Renommée, an der sich Wirtschaftskader aus aller Welt weiterbilden.
Im Herbst vergangenen Jahres verkaufte der norwegische Ökonomen Peter Lorange (72) die von ihm gegründete Schule für 16,5 Millionen Franken an die China Europe Business School (CEIBS) – laut «Financial Times» weltweit auf Platz 16 der Kaderschmieden.
Neuer Wirtschaftsimperialismus aus China?
ChemChina kauft den Basler Aggrochemie-Konzern Syngenta. Der Staatskonzern hält auch schon Anteile an dem Rohstoffhändler Mercuria in Genf. Es fehlt noch der letzte Schliff, dann gehört der chinesischen HNA der Flughafendienstleister Swissport. Firmen aus dem Reich der Mitte haben schon Schweizer Uhrenmarken gekauft oder sind gerade dabei. Und jetzt schluckt mit der CEIBS eine vom chinesischen Staat und der EU gemeinschaftlich gegründete Schule eine Schweizer Business School.
Die Schweiz und Europa sind als Markt interessant für chinesische Firmen. Durch Zukäufe können sie sich Know-How sichern. Ein neuer Wirtschaftsimperialismus vom Reich der Mitte?
Auch wenn das Restaurant neben dem Lorange «Imperiale» heisst, hat dies nichts damit zu tun – findet Philipp Boksberger. Der 39-jährige Ostschweizer führt seit 2011 die Geschäfte der Schule. Man sei kein Teil eines chinesischen Masterplans. «Wir sind Brückenbauer in beide Richtungen», sagt Boksberger.
Boskbergers Lorange Institute organisiert Studienreisen nach China und andersherum. Jetzt hat er eine chinesische Muttersprachlerin angestellt. Die Kommunikation soll reibungslos funktionieren.
200 Chinesen sollen mittelfristig jeden Monat in Horgen zwei- bis fünftägige Kurse besuchen oder maximal zweiwöchige Module etwa im Bereich Nachhaltigkeit oder Wirtschaftsethik belegen. Diese gehören zu einem 20-monatigen Teilzeitstudium des Executive Master of Business Administration (EMBA). Der Lehrgang kostet stolze 90'000 Franken. An den Schulen von Accra über Peking bis Horgen studieren Skandinavier, Schweizer, Chinesen, Lateinamerikaner. Die meisten davon arbeiten in Top-Positionen in der Wirtschaft.
«Pragmatische» Chinesen
Am Zürichsee-Ufer besuchen sie nicht nur Management-Kurse in internationalen Klassen. Die Schule bietet auch Werksbesichtigungen bei Schweizer Unternehmen wie ABB oder dem Uhrenhersteller IWC. Bei Rösti und Bratwurst lernen Chinesen verstehen, dass Essen in der Schweiz auch die Zeit ist, um Business zu besprechen. In Kleingruppen müssen die Studenten in wenigen Tagen reale Lösungsvorschläge für Schweizer Firmen finden.
«Pragmatisch» nennt die Schule selbst ihren Ansatz. Und «pragmatisch» findet Bosberger auch die Chinesen. Er glaubt nicht, dass chinesische Übernahmen von Schweizer Firmen deren Kultur verändern. Im Gegenteil: «Chinesen wissen, dass sie den Schweizer Markt nicht kennen. Deshalb überlassen sie den Schweizern die Führung», erklärt Boksberger. Bei US-Unternehmen bestehe dagegen die Gefahr, dass sie durchregierten und Schweizer Firmen etwa in Divisionen aufspalteten.
Institut für die künftigen Syngenta-Kader?
Warum eigentlich ein Campus für Chinesen am Zürichsee? Die Verbindung nach China sei dank des Flughafens gut. Zürich liege im Herzen Europas. Ausserdem geniesse die Schweizer Ausbildung einen guten Ruf.
Bildet das Lorange Institute die künftigen Syngenta-Kader, die neuen Übernahme-Chinesen aus? Geschäftsführer Boksberger winkt ab. Wirtschaft funktioniert in beide Richtungen. So habe ein deutscher Lorange-Absolvent eine Marketing-Firma in Fernost aufgebaut. Schweizer Unternehmen, deren Kader CEIBS-Kurse besucht haben, seien aktiv in China. Ein weiterer CEIBS-Absolvent aus China hat den Schweizer Textil-Hersteller Saurer gekauft.
Ende Februar kommen 20 Studenten aus China. Jetzt ist es still im Foyer des Glasbaus. Die Ferien um das chinesische Neujahrsfest spürt man auch am Zürichsee.