Seit fünf Jahren sinken die Preise in der Schweiz. Lebensmittel, Elektronik, sogar die Mieten – alles wird billiger. Nur die Krankenkassen schlagen auf. Nächstes Jahr um 4,5 Prozent, wie Bundesrat Alain Berset (44) gestern bekannt gab. Seit das Krankenversicherungsgesetz (KVG) vor 20 Jahren eingeführt wurde, sind die Prämien jedes Jahr in diesem Umfang
gestiegen.
Die halbe Wahrheit
Die Erklärungen der Gesundheitsbürokraten sind ebenfalls jedes Jahr dieselben: Die Schweizer würden immer älter und damit auch kränker. Zudem sei der medizinische Fortschritt halt nicht gratis zu haben.
Das tönt gut, ist aber nicht mal die halbe Wahrheit. Zum einen sind die Prämienaufschläge für die meisten Versicherten höher. Die von Berset genannten 4,5 Prozent gelten nur für jene 30 Prozent der Versicherten mit einer Franchise von 300 Franken.
Die übrigen haben Franchisen zwischen 500 und 2500 Franken. Und dort schlagen die Prämien im Schnitt um 5,8 Prozent auf, wie der Vergleichsdienst Comparis ausgerechnet hat. Jedem fünften Versicherten flattert sogar eine Prämienerhöhung um zehn Prozent oder mehr ins Haus.
Alterung nicht zentraler Kostentreiber
Ebenso wackelig sind die Erklärungen für den Kostenanstieg. «Alles auf die Alterung der Bevölkerung abzuschieben, ist zwar populär bei den Politikern», sagt der Gesundheitsökonom Tilman Slembeck (52). «Tatsächlich ist die Alterung aber nicht der zentrale Kostentreiber.» Gemäss Studien des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums lassen sich nur 20 Prozent der höheren Kosten darauf zurückführen.
Auch der medizinische Fortschritt taugt nicht als Grund. Denn wenn es ihn gäbe, müssten die Kosten auf Dauer sinken – oder zumindest stabil bleiben. Ökonom Slembeck: «Der angebliche technische und medizinische Fortschritt besteht vor allem darin, dass neue Leistungen für neue Patientengruppen erbracht werden.»
Häufiger zum Spezialisten
Beim Fortschritt handelt es sich also vor allem um eine Ausweitung der Menge. «Die Leute gehen öfter und länger zum Arzt, sie gehen häufiger zu Spezialisten, und diese verschreiben aufwendigere und teurere Behandlungen», sagt Slembeck.
Fortschritt, der zu mehr Effizienz und tieferen Kosten führen würde, gibt es hingegen kaum. Und wenn es ihn gäbe, hätte niemand ein Interesse daran: «Die Ärzte profitieren von den abgerechneten Taxpunkten, die Krankenkassen können die höheren Kosten den Prämienzahlern weiterreichen.»
Wie lässt sich die Spirale stoppen? Nachdem Berset die Prämien bekannt gegeben hatte, setzte das übliche Schwarz-Peter-Spiel ein: Die Kassen geben die Schuld den Spitälern, die Spitäler den Patienten, die Konsumentenschützer den Ärzten, die Ärzte den Krankenkassen. Damit beisst sich die Katze in den Schwanz.
Letztlich habe niemand ein Interesse, die Kosten zu senken, sagt Patientenschützer Andreas Keusch (52). Er fordert, dass die Ärzte nur noch abrechnen dürfen, was den Patienten wirklich nützt. Dafür müssten die medizinischen Leistungen auf ihren Nutzen und ihre Wirksamkeit geprüft werden, wie dies das KVG eigentlich vorschreibt. «Nur wenn wir wissen, was nützt und was nicht, können wir die Mengenausweitung stoppen», ist Keusch überzeugt.
- Wechseln Sie konsequent zur billigsten Grundversicherung. Wer monatlich 20 Franken spart, hat pro Jahr immerhin 240 Franken mehr im Portemonnaie. Alle Kassen müssen Sie annehmen – egal, wie alt oder krank Sie sind. Der Wechselaufwand ist klein. Im Internet finden Sie vorgedruckte Formulare.
- Mit alternativen Modellen (HMO- und Telemed-Modelle) lassen sich gut und gerne bis zu 25 Prozent sparen, also ein paar Hundert Franken jährlich. Einzige Einschränkung: Der Versicherte verpflichtet sich, immer zuerst eine bestimmte HMO-Praxis aufzusuchen.
- Verpassen Sie die Wechseltermine nicht. Die Grundversicherung müssen Sie bis zum 30. November gekündigt haben. Achtung: Bei den Zusatzversicherungen sind die Kündigungsfristen je nach Anbieter verschieden.
- Optimieren Sie Ihre Zusatzversicherungen. Diese erweitern den Versicherungsschutz der Grundversicherung. Mit einer Zusatzversicherung übernimmt die Krankenkasse zwar Kosten für Leistungen wie Zahnbehandlungen, Brillen oder Alternativmedizin. Aber: Haben Sie diese wirklich nötig?
- Passen Sie die Franchise an. Vor allem bei Jungen, Gesunden und Versicherten mit
einem gewissen finanziellen Polster macht es Sinn, den Selbstbehalt von 2500 Franken zu wählen. So sinken die monatlichen Prämien massiv.
- Zahlen Sie die Prämie Anfang Jahr. Wer seine gesamte Jahresprämie auf einen Schlag zahlt, spart bis zu zwei Prozent.
- Informieren Sie sich. Portale wie swupp.ch oder priminfo.ch bieten eine gute Übersicht. Sie sind neutral und werbefrei. Aber Achtung: Vergleichsportale wie Comparis haben Verträge mit Versicherern. Achten Sie deshalb unbedingt auf eine Vollansicht aller Kassen. Damit Sie auch Prämien von Krankenkassen zu sehen bekommen, an denen die Portale im Falle eines Vertragsabschlusses nichts verdienen.
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