Bündner Regierungsrat Marcus Caduff zum Lockdown
«Ich verstehe den Aufschrei»

Der Volkswirtschaftsdirektor Marcus Caduff ist vom Bündner Weg überzeugt.
Publiziert: 06.12.2020 um 11:50 Uhr
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Aktualisiert: 06.12.2020 um 12:58 Uhr
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In Graubünden sind seit Freitag die Restaurants geschlossen. Die Terrassen auf den Skipisten sind verbarrikadiert.
Foto: Thomas Meier
Interview: Danny Schlumpf

SonntagsBlick: Herr Caduff, Ihre Regierung verhängt ­einen Minilockdown. Warum gerade jetzt?
Marcus Caduff: Die Fallzahlen in Graubünden sind auf hohem Niveau stabil, in gewissen Regionen steigen sie. Und wir haben eine Reproduktionsrate über 1. Bei dieser epidemiologischen Ausgangslage ist die Wintersaison gefährdet. Aber wir haben auch die neusten Entscheidungen des Bundes kommen sehen. Ohne zusätzliche Massnahmen würden wir die Voraussetzungen des Bundesrats nicht erfüllen, um den Skigebieten eine Öffnung zu bewilligen.

Im Oktober stiegen die Fallzahlen in Graubünden von 104 auf 498. Warum haben Sie da nicht eingegriffen?
Ende Oktober setzten wir die Verschärfung der bundesrätlichen Massnahmen um. So konnten wir die Lage stabilisieren und hatten im November im nationalen Vergleich unterdurchschnittliche Fallzahlen.

Dafür stieg die Zahl der an Corona-Verstorbenen in Ihrem Kanton im No­vember von 53 auf 104. Warum haben Sie dannzumal nicht ­reagiert?
Die Massnahmen im Kampf gegen Corona brauchen Zeit, bis sie ­einen Effekt erzielen. Das war auch bei den Todesfällen so.

Dann müsste die Wirkung der Massnahmen ja mittlerweile einge­treten sein. Stattdessen verordnen Sie nun ­einen Minilockdown …
Seit Mitte November ­gingen die Zahlen nicht herunter. Sorge bereitet insbesondere die zu hohe Reproduktionsrate.

Die Betriebe fühlen sich vor den Kopf gestossen, die Bevölkerung ist überrumpelt. Haben Sie noch die Kontrolle da­rüber, was in Graubünden gerade passiert?
Ich verstehe den Aufschrei in der Bevölkerung. Die Leute haben allmählich genug, und auch wir sind langsam müde. Aber die neuen Entscheide des Bundes geben uns recht.

Der Minilockdown gilt vorerst für zwei Wochen. Und dann?
Wir setzen alles daran, dass es dabei bleibt. Aber wir haben keine Kristallkugel. In zwei Wochen beurteilen wir den Effekt der Massnahmen.

Die Landesregierung hat am Freitag die ­Kantone ultimativ zum Handeln aufgefordert. Selbst das Zepter in die Hand nehmen will man nicht. Stiehlt sich der Bundesrat aus der Verantwortung?
Er gibt die Verantwortung tatsächlich an die Kantone ab. Aber das empfinde ich nicht als ­negativ. Es erlaubt den Kantonen, aufgrund ihrer spezifischen Lage zu handeln. Diejenigen Kantone, die der Bund nun zum Handeln aufruft, müssen das auch tun. Sonst wird der Bundesrat nächste Woche seinerseits schärfere Massnahmen anordnen und die Skigebiete schliessen.

Lukas Engelberger, der Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz, sagt dazu, die ­Skigebiete müssten jetzt die Verantwortung tragen. Offenbar wollen auch die Kantone möglichst wenig mit Ver­antwortung zu tun haben ...
Wir tragen die Verantwortung als Gesamtgesellschaft. Wir können noch so gute Schutzkonzepte entwickeln und Massnahmen anordnen – am Schluss muss die Gesellschaft sie auch mittragen.

Aber auf sämtlichen ­politischen Ebenen wächst nun die Befürchtung, dass die Slowdown-Strategie nicht funktioniert. Jetzt wird die heisse Kartoffel von oben nach unten durchgereicht. Verspielt die Politik so nicht ihre Glaubwürdigkeit?
Das Ziel aller Massnahmen ist es, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und gleichzeitig die ökonomische Existenz zu sichern. Da den richtigen Weg zu finden, ist eine enorme Herausforderung und setzt je nach Gewichtung der Massnahmen die Politik immer unter Druck.

Die dann entweder gar nicht oder gleich mit dem Vorschlaghammer reagiert …
Wir können machen, was wir wollen: Wenn wir nichts tun, sind wir ­verantwortlich für die ­Toten. Wenn wir Massnahmen ergreifen, nennt man uns Totengräber der Gastronomie. Aber wir müssen den Spagat ­zwischen Wirtschaft und ­Gesundheit weiter wagen.

Hand aufs Herz: Sind wir immer noch auf dem richtigen Weg?
Ich bin überzeugt, dass der Weg, den wir in ­Graubünden eingeschlagen haben, ans Ziel führt. Der Weg der Schweiz hingegen funktioniert nur, wenn alle ihren Beitrag dazu leisten: Kantone, Gemeinden, Branchen und letztlich wir alle als Gesellschaft. Sonst wird der Bund wieder die ausserordentliche Lage ausrufen und das Zepter übernehmen. Dieser Weg wäre in meinen Augen nicht der richtige.

Persönlich

Marcus Caduff (47) ist seit 2019 Vorsteher des Departements für Volkswirtschaft und Soziales des Kantons Graubünden. Vor seiner Wahl in den Regierungsrat ­leitete er das Regional­spital Sur­selva AG. Der CVP-Poli­tiker ist ­studierter ­Agronom, verheiratet und ­Vater zweier Töchter.

Marcus Caduff (47) ist seit 2019 Vorsteher des Departements für Volkswirtschaft und Soziales des Kantons Graubünden. Vor seiner Wahl in den Regierungsrat ­leitete er das Regional­spital Sur­selva AG. Der CVP-Poli­tiker ist ­studierter ­Agronom, verheiratet und ­Vater zweier Töchter.

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