Brisantes Gutachten im Streit zwischen Versicherungen und ihren Kunden, darunter viele Beizer und Restaurants. Es geht um Deckungsausschlüsse bei Epidemieversicherungen. Das Gutachten besagt: Die Versicherer können sich nicht hinter dem Begriff Pandemie verstecken. Das Gutachten verfasst hat der Luzerner Rechtsprofessor Walter Fellmann (64). Er ist Experte für Haftpflicht und Versicherungsrecht.
Allerdings seien manche Versicherungsklauseln so ungenau, dass sie eine klare Handhabe erschweren würden. Das Gutachten war von der Ombudsstelle der Privatversicherung und der Suva in Auftrag gegeben, um sich mit ausgewählten Versicherungsklauseln von Epidemieversicherungen zu befassen.
Unklare Vertragsklauseln
In der Medienmitteilung heisst es, dass Rechtsexperte Fellmann zu dem Schluss komme, «dass die Feststellung einer Pandemie durch die WHO in der Schweiz keine rechtlichen Auswirkungen hat». Nach seiner Beurteilung sind verschiedene Vertragsklauseln, die im Pandemiefall einen Leistungsausschluss vorsehen, ungewöhnlich oder unklar.
Die Ombudsstelle will das Gutachten nun nutzen, um einvernehmliche Einigungen zwischen Versicherten und Versicherungs-Gesellschaften zu erreichen. Seit dem vom Bundesrat verfügten «Lockdown» Mitte März sind bei der Ombudsstelle rund 400 Anfragen von Versicherten eingegangen. Ohne gütliche Lösungen müssten aber letztlich die Gerichte entscheiden, ob strittige Deckungsablehnungen im Einzelfall zulässig seien oder nicht, heisst es.
Gegenüber BLICK sagt Versicherungsombudsmann Martin Lorzenon (57): «Mir war es immer wichtig, dass man zeitnah gütliche Lösungen finden und so Prozesse verhindern kann». Das scheint die Versicherungsbranche nun weitgehend begriffen zu haben.
Freude bei den Gastwirten
Denn der Branchenverband Gastrosuisse frohlockt: Er hatte selbst ein Gutachten in Auftrag gegeben, das nun durch das Gutachten von Fellmann gestützt wird. Der Verband hatte das Verhalten der Versicherer öffentlich angeprangert und nun einen Teilerfolg erzielt.
Gastrosuisse weist dabei darauf hin, dass sich inzwischen verschiedene Gesellschaften wie die Basler Versicherung, Esurance und Mobiliar bereiterklärt hätten, nach der behördlich angeordneten Schliessung der Restaurationsbetriebe für den durch das Coronavirus verursachten Schaden aufzukommen.
Ein «substanzielles Angebot» habe auch die Helvetia unterbreitet. Deren Verwaltungsratspräsidentin hatte im «SonntagsBlick» den Wirten noch Ende März die kalte Schulter gezeigt.
Nur Generali distanziert sich
Auf Anfrage von BLICK heisst es bei der Versicherung Axa: Das im Auftrag des Versicherungsombudsmannes erstellte Gutachten «nehmen wir zur Kenntnis». Die Versicherung bleibt aber bei ihrem bisherigen Standpunkt: «Unser Epidemieversicherungsprodukt war nie dafür gedacht, die finanziellen Folgen einer Pandemie zu tragen.»
Trotzdem hat sich bei Axa einiges bewegt, denn die Versicherung weiss genau um die Kosten, die Rechtsstreitigkeiten mit sich bringen können. «Da wir aber langwierige rechtliche Auseinandersetzungen angesichts der einzigartigen und schwerwiegenden wirtschaftlichen Situation, die durch die Corona-Pandemie hervorgerufen wurde, nicht als im Sinne unserer Kundinnen und Kunden erachten, kommen wir den betroffenen Gastrobetrieben mit einer Vergleichslösung auf individueller Basis pragmatisch entgegen», schreibt Axa.
Somit ist die Generali die einzige grössere Versicherung, die offenbar kein Herz für die Nöte der Gastrobranche zeigt: «Generali distanziert sich von diesem Gutachten, unter anderem, weil der Ombudsmann dem Gutachter unsere Versicherungsbedingungen nicht zur Beurteilung unterbreitet hat.» Insbesondere wehrt sich die Generali gegen den Vorwurf unklar formulierter Versicherungsbedingungen.
Immerhin: Gegenüber dem Ombudsmann hat Generali zugesichert, jeden der Ombudsstelle unterbreiteten Fall detailliert zu überprüfen und alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigen zu wollen.