Brisanter Erbstreit um Milliarden vor Berner Gericht
Zoff bei den schrecklich reichen Engelhorns

Ein Erbschaftsstreit im Berner Oberland könnte ein Steuervermeidungskonstrukt enthüllen, an dem sich schon viele Behörden die Zähne ausgebissen haben. Die Engelhorns – eine der reichsten Familien der Welt, zofft sich vor einem Berner Regionalgericht.
Publiziert: 01.11.2019 um 13:15 Uhr
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Curt Engelhorn (1926–2016) mit Ehefrau Heidemarie 2013 bei einem Anlass in München.
Foto: imago/Lindenthaler

Sie sind eine wahrlich schrecklich nette Familie: die Engelhorns aus Deutschland. Stinkreich und untereinander spinnefeind. Einen gemeinsamen Nenner allerdings gibt es: den Steuerämtern rund um den Globus so wenig Geld wie irgend wie möglich abzuliefern. Steueroptimierung nennt sich das in der Fachsprache.

Doch diese Steueroptimierung könnte der Familie nun auf die Füsse fallen. Wegen eines Erbschaftsstreits, der beim Berner Regionalgericht Oberland gelandet ist. Weil eine Tochter gegen ihre Stiefmutter klagt. Da diese Stiefmutter – die Witwe von Curt Clover Engelhorn (1926–2016) – in einem luxuriösen Chalet in Gstaad BE wohnt, wie die «Berner Zeitung» enthüllt.

Vier Frauen, eine Affäre, viele Kinder

Curt Clover Engelhorn war der Patriarch der Familie. Er verstarb 2016 im Alter von 90 Jahren. Sein ganz grosses Geld hat er 1997 mit dem Verkauf des Pharmakonzerns Boehringer Mannheim an den Schweizer Pharmagiganten Roche gemacht – ohne dabei nur einen einzigen Pfennig an den deutschen Fiskus abzuliefern, wie der «Spiegel» vor ein paar Jahren schrieb.

Man habe «die Steuerfalle» erfolgreich umgangen, zitiert das Nachrichtenmagazin Engelhorn, «Herr Waigel wird sich ärgern». Der Herr Waigel, das war der damalige deutsche Finanzminister. Und die Übernahme die damals grösste in Europa.

Patriarch Engelhorn hinterliess bei seinem Tod eine Witwe, drei Ex-Ehefrauen, vier Töchter aus zwei Ehen, einen Sohn aus einer Affäre und einen Stiefsohn, die BZ auflistet. Seine Vermögen schätzt die «Bilanz» auf rund 3,5 Milliarden Franken.

Der Plan des Patriarchen: Den Grossteil seines Geldes soll seine Witwe erhalten, da er seine Kinder bereits zu Lebzeiten grosszügig bedacht hatte, von insgesamt 450 Millionen Euro pro Nachkommen ist die Rede. Deshalb gab es nach seinem Tod nur noch 20 Millionen Euro pro Kind.

Tiefer Einblick in verschlungene Konstrukte

Doch mit solchen Brosamen will sich eine echte Engelhorn offenbar nicht abgeben, die Tochter aus erster Ehe, die in den USA lebt, hat das Erbe angefochten. Im Berner Oberland, weil da eben die Witwe und Stiefmutter zu Hause ist, am Oberbort in Gstaad, gleich neben dem Hotel Palace.

Verschleiern, vertuschen, vermeiden: Ein beliebtes dafür Vehikel dafür sind sogenannte Trusts, Anlagevehikel die den rechtmässigen Besitzer verschleiern. Engelhorn soll Dutzende davon besessen haben, drei davon sitzen nun vor dem Berner Oberländer Regionalgericht ebenfalls auf der Anklagebank.

Der Erbschaftsstreit hat weitreiche Folgen: Das Regionalgericht hat nun die Chance, «tiefer in dieses engelhornsche Dickicht von Trusts, Stiftungen und Briefkastenfirmen zu blicken» als je eine Behörde zuvor. Noch sind die Unterlagen unter Verschluss, allerdings nur bis zum ersten Verhandlungstag.

Ein über Jahrzehnte aufgebautes Steuervermeidungs-Konstrukt könnte aus Gier oder Neid einer Nachfahrin innert Kürze einstürzen. (koh)

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