BLICK: Trotz starkem Franken bleibt die Arbeitslosenquote auch im Juli stabil und verharrt bei 3,1 Prozent. Ist der Frankenschock also nur ein Schöckli?
Boris Zürcher: Nein, das ist er sicherlich nicht. Der Druck auf den Arbeitsmarkt hat klar zugenommen. Die Zahl der offenen Stellen hat sich verringert und die Unternehmen stellen nur zögerlich ein. Zudem verdichten sich die Zeichen, dass im Herbst Stellen abgebaut werden.
Nun schwächt sich der Franken ab und laut Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich zeigen sich einige Unternehmer gar wieder etwas optimistischer, was die Geschäftserwartungen anbelangt.
Die Aufhebung des Mindestkurses durch die Nationalbank wird erst in den kommenden Monaten möglicherweise Spuren hinterlassen. Der Arbeitsmarkt reagiert immer mit einigen Monaten Verzögerung.
Kommt es zur grossen Kündigungswelle?
Das hängt sehr stark davon ab, wie sich Auftragslage und Lagerbestände in den Betrieben entwickeln. Bisher waren die Auftragsbücher vieler Unternehmer voll, weshalb sie auf die Mitarbeiter angewiesen waren und nur selten Kündigungen aussprachen. Ich schliesse heute nicht aus, dass es im Herbst vermehrt Kündigungen geben wird.
Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens Deloitte will jeder zweite Betrieb Stellen streichen. Ist das realistisch
Zur Umfrage möchte ich mich nicht äussern. Wir rechnen damit, dass die Arbeitslosenquote Ende Jahr 3,5 Prozent beträgt. Über das ganze Jahr ergibt dies einen Schnitt von 3,3 Prozent und ist somit nur leicht höher als im Vorjahr mit 3,2 Prozent.
Welche Branchen wird es besonders treffen?
Alle Branchen sind mit einem Jobabbau konfrontiert. Besonders betroffen ist die Industrie, der Tourismus, die Gastronomie und der Detailhandel. Vor allem im Detailhandel ist mit einer Zunahme der Arbeitslosigkeit zu rechnen.
Gibt es auch Branchen, die Stellen schaffen?
In der Finanzbranche werden wieder mehr Stellen geschaffen. Hier sehen wir nach der Krise positive Tendenzen. Ebenfalls wird Personal im Gesundheitswesen, im Sozialwesen und im Unterrichtswesen gesucht.
Dient der Frankenschock manchen Unternehmen auch als günstige Gelegenheit, Jobs abbauen zu können?
Schweizer Firmen sind seit 2008 zu wenig produktiv. Um die Leistung zu erhöhen, müssen sie Investitionen tätigen. Vielen fehlt aber das Geld dafür. Deshalb entlassen sie möglicherweise Mitarbeitende, um kurzfristig die Produktivität zu verbessern.
Erleidet die Schweiz dadurch einen Know-how-Verlust?
Gewöhnlich wird am Anfang jeder Krise immer zuerst jenen gekündigt, die schlecht qualifiziert sind. Beisst sich eine Krise jedoch fest, betrifft es dann zunehmend auch gut ausgebildetes Personal.
Wie soll man sich denn als Mitarbeiter gegen Kündigung schützen?
Eine gute Qualifikation schützt gegen Arbeitsplatzverlust und Kündigung. Deshalb empfehle ich jedem, sich laufend weiterzubilden.