Testosteron ist der eigentliche Antreiber der Eisenbahn. So jedenfalls scheint es derzeit in der Schweiz. Die Lötschbergbahn BLS und die Südostbahn SOB liefern sich mit den SBB einen Kampf. Bestimmt wird er von Männerrivalitäten.
Die beiden Chefs der Regionalbahnen wollen künftig ebenfalls lukrative Verbindungen im Fernverkehr anbieten (siehe Grafik). Sie rütteln am Monopol der SBB, das nun erstmals auseinanderzubrechen droht.
Ihr Angriff auf die SBB ist auch ein Angriff auf den CEO Andreas Meyer (55) – ihren ehemaligen Vorgesetzten: BLS-Chef Bernard Guillelmon (51) verliess die SBB 2008, ein Jahr nachdem Meyer die SBB-Führung übernommen hatte. Damals ging auch der heutige SOB-Direktor Thomas Küchler (56). Meyers Führungsphilosophie habe nicht mit seiner übereingestimmt, sagte Küchler vergangenen Sommer in einem Interview.
Dem SBB-Chef auf die Finger klopfen
Im Machtspiel um die Fernverkehrs-Verbindungen hat es Meyer jedoch nicht nur mit diesen beiden Gegnern zu tun. Wenn im Herbst die Konzessionen neu vergeben werden, wird auch der Schiedsrichter nicht unbedingt auf Meyers Seite sein.
Über die Konzessions-Gesuche entscheiden wird Peter Füglistaler (57), Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV). Bis 2010 gehörte auch er zum Kader der SBB. Dass er und Meyer über Kreuz sind, ist bekannt. Darauf angesprochen sagte er am Freitag am Rand einer Medienkonferenz zu SonntagsBlick: «Alle, die uns kennen, wissen, dass wir vom Charakter und der Art her völlig unterschiedliche Menschen sind. Das müssen wir auch nicht überdecken.» Dennoch könnten sie gut zusammenarbeiten.
Laut einem Insider, der anonym bleiben will, kennt Füglistaler als ehemaliger SBB-Mitarbeiter deren wunde Punkte bestens. Daher komme es schnell einmal zu unterschiedlichen Meinungen und Konflikten.
Pro-Bahn-Präsident Kurt Schreiber (73) findet es gut, «wenn Füglistaler dem SBB-Chef auf die Finger klopft. Damit sieht Andreas Meyer, dass er nicht schalten und walten kann, wie er will». Schreiber begrüsst, wenn die SBB Konkurrenz erhalten sollten.
Wird Füglistaler zum starken Mann, der die Schweizer Bahnlandschaft umkrempelt? Der Wettbewerb in den Fernverkehr bringt? Immerhin brachte er die SBB bereits mächtig unter Druck, als er vor einem halben Jahr sagte, er könne sich auch inländische Fernbuslinien vorstellen.
Vehementer Kampf gegen das SBB-Monopol
Und: Laut BLS-Chef Guillelmon ist die Idee, ein Gesuch für Fernverkehrslinien zu stellen, im gemeinsamen Gespräch mit dem BAV entstanden.
Auf die Frage, ob Füglistaler die beiden Regionalbahnen dazu ermuntert habe, die SBB zu konkurrieren, sagt der BAV-Direktor: «Es ist Teil meiner Aufgabe, die Bahnen immer zu ermuntern, um noch bessere Lösungen zu finden.» Wenn es in der Schweiz schon so viele Bahnen gäbe, müssten sie auch konkurrieren können.
Kritisch sieht das der ehemalige SBB-Chef Benedikt Weibel (70). 2001 vereinbarte er mit der BLS, dass diese sich nur noch auf die regionalen Linien konzentrierte und dafür von den SBB S-Bahn-Linien erhielt. «Sollte die BLS neu nach Zürich und Basel fahren, würde das gut austarierte Bahnsystem über den Haufen geworfen», sagt er zu SonntagsBlick. Genau das tat Weibel selber auch, er konkurriert heute mit einer Privatbahn die österreichische Staatsbahn ÖBB. Dass BLS und SOB tatsächlich Konzessionen erhielten, sei gut möglich, findet Weibel.
Ob Füglistaler und die regionalen Bahnchefs damit Andreas Meyer eins auswischen wollen?
Weibel: «Das ist nicht unrealistisch. Die Spitzenleute waren ja vorher alle bei den SBB. Umso vehementer bekämpfen sie nun deren Monopol.»
Die Rivalitäten erreichten einen Höhepunkt, als im Februar ein gemeinsames Gespräch platzte. Unter der Moderation des BAV suchten BLS, SOB und SBB eine einvernehmliche Lösung. Vergebens. Die SBB beharrte darauf, die Konzessionen alleine zu besitzen.
Nun bereitet die BLS ein Gesuch vor. Die SOB will noch einmal verhandeln mit den SBB. Spätestens am 9. September müssen die Anträge beim BAV liegen.