Der Untersuchungsbericht zum Postauto-Skandal liest sich wie ein Krimi. Und noch nie in ihrer 169-jährigen Geschichte hat die Schweizerische Post ein solches Massaker erlebt wie nach dessen Veröffentlichung: die Chefin sofort weg, die Postauto-Geschäftsleitung komplett weg, der Vizeverwaltungsratspräsident demnächst weg, die Chefrevisorin entlassen, alle externen Revisoren ausgewechselt.
Über Jahre hinweg hatte die Postauto AG Tausende von illegalen Buchungen vorgenommen, um Gewinne aus subventionierten Buslinien zu verstecken, statt sie an die Kantone zurückzuzahlen: Total rund 100 Millionen Franken hat das Unternehmen, das alle liebten, dem Steuerzahler geklaut!
Wer in der Chefetage wann was wusste oder hätte wissen können, zeichnet der Untersuchungsbericht minutiös nach. Offen ist, was die Strafuntersuchung des Bundesamts für Polizei zutage fördern wird.
Bereits jetzt hat die Post ein Führungs- und Vertrauensproblem, das sie unter Hochdruck lösen muss. Der stellvertretende Konzernchef Ulrich Hurni (59) kann das Riesenunternehmen bestenfalls vorübergehend führen – schliesslich hat er alle Hinweise auf Betrug genauso ignoriert wie Susanne Ruoff (60).
Um das Vertrauen in die Post wiederherzustellen, braucht es einen Chef, der eine saubere Weste hat und in der Lage ist, eine wahre Herkulesarbeit zu leisten:
- Er muss sämtliche geschassten Chefs schnellstmöglich durch ein neues, vertrauenswürdiges Führungsteam ersetzen.
- Er muss beweisen, dass die Post im Grunde ein ehrliches Unternehmen ist, das die Unterstützung der Bürger verdient.
- Er muss den gewaltigen Transformationsprozess bewältigen, den die Digitalisierung erforderlich macht.
Denn die Post ist nicht irgendeine Firma, sie ist ein Staatsbetrieb, der allen gehört und bei dem alle dreinreden, weil alle emotional an ihm hängen. Deshalb muss der neue Chef in Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit vernetzt sein. Er muss die Regeln eines Staatsbetriebs kennen. Er muss Führungserfahrung auf höchstem Niveau mitbringen. Und er muss sich gegen Widerstände durchsetzen können.
Es gibt einen Mann, der all das mitbringt: SBB-Chef Andreas Meyer (57).
Er könnte gleich am Montag bei der Post anfangen, denn die SBB hat er in zwölf Jahren so aufgestellt, dass sie auch ohne ihn funktionieren. Er hat die SBB in ein hochmodernes Unternehmen verwandelt. Dabei hatte er mit denselben Akteuren zu tun wie die Chefs der Post: mit dem Departement von Bundesrätin Doris Leuthard (55), mit dem Preisüberwacher, mit dem Bundesamt für Verkehr.
Niemand weiss, ob Meyer will. Falls ja, könnte er sich ein Vorbild nehmen an Oswald Grübel (74), der als CEO zuerst die Credit Suisse zum Erfolg führte, dann die UBS.
Im Bundeshaus ist zu hören, dass den Politikern der zuständigen Kommissionen vor einem solchen Postchef grauen würde. Fachlich hat keiner etwas an ihm auszusetzen. Doch Meyer eckt mit seinem Führungsstil an: zu forsch, zu frech, zu eigenständig.
Aber sind das nicht genau die Eigenschaften, die es jetzt braucht?
Herr Meyer, übernehmen Sie!