Ein intensiver Geruch von gerösteten Kaffeebohnen hängt wie eine unsichtbare Wolke über dem Firmengelände in Birsfelden BL. Ein Sattelschlepper, beladen mit 20 Tonnen Rohkaffee aus Brasilien, dockt an der Fabrikschleuse von Delica an. Der LKW war mit dem braunen Gold nur wenige Minuten unterwegs.
«Die Nähe des Rheins ist ein grosser logistischer Vorteil», sagt Delica-Chef Raphael Gugerli (42). «Die Kaffeebohnen werden vom Zwischenstopp in Belgien mit Containerschiffen in den Hafen von Birsfelden und somit praktisch vors Haus geliefert.»
Bereits 1925 hatte Kaffeeliebhaber und Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler (1888–1962) eine Rösterei in Zürich aufgebaut. «Diese wurde 1954 nach Birsfelden verlegt, Delica wurde gegründet, das Geschäft nahm Fahrt auf», erzählt Gugerli, als er BLICK in eine firmeneigene Café-Bar führt.
Gekonnt bedient der Chef die Siebträgermaschine, schäumt Milch auf und serviert den Kafi fast perfekt dekoriert mit Schaumherzchen. So wie er müsse das jeder bei Delica können, sagt Gugerli. «Unsere Mitarbeiter sollen fähig sein, einen guten Kaffee zuzubereiten. Darum erhalten sie die Möglichkeit, an einer Barista-Schulung teilzunehmen.»
Sein Unternehmen zählt heute 580 Angestellte. Das seien mehr als doppelt so viele wie vor sieben Jahren. Überhaupt, die Zahl Sieben scheint für Gugerli eine besondere Bedeutung zu haben: «Wir wachsen seit sieben Jahren, teilweise zweistellig, ohne Unterbruch. Und das aus eigener Kraft, ohne andere Firmen dazuzukaufen.» Gugerli vergleicht das Wachstum mit dem eines Onlinehändlers. «Für einen Lebensmittelhändler ist das ausserordentlich.»
Noch hat er nicht alle Zahlen zum abgelaufenen Geschäftsjahr zusammen. Darüber sprechen darf er sowieso erst, und dann auch nur ein bisschen, wenn der Migros-Konzern gegen Mitte Januar seine Umsatzzahlen rapportiert hat. Gugerli bekräftigt aber, dass Delica auch 2017 «ein starker Wachstumsmotor» der Migros-Industrie war. Vor allem die Verkäufe ins Ausland seien gestiegen, «in der Schweiz haben wir sie stabil halten können».
Bei einem Rundgang durch die Rösterei, die zweitgrösste der Schweiz hinter jener von Nestlé, wie Gugerli stolz betont, lässt er sich dennoch ein paar Zahlen entlocken: Jeden Tag kommen Container mit jeweils 20 Tonnen Kaffeebohnen in Birsfelden an. «Wir verarbeiten 14'000 Tonnen Rohkaffee jährlich, veredeln hier 56 Tonnen täglich.» Und: «Wir produzieren jeden vierten Kaffee, der in der Schweiz getrunken wird.»
Er blickt aus dem Fenster und zeigt auf ein Silo, in dem eine Notreserve für die Bevölkerung lagert. «Wir haben mit dem Bund vereinbart, dass 5000 Tonnen unverarbeiteter Kaffeebohnen ständig an Lager sind.» Das entspricht rund einem Drittel der Menge, die das Unternehmen jährlich verarbeitet.
Gugerli unterbricht das Gespräch, um mit einer Mitarbeiterin der Kapselabfüllung zu sprechen. In einer hochmodernen automatischen Fertigungslinie surren Roboterarme hin und her, hieven Nespresso-Klone der Marke Café Royal in die Verpackungen. Darauf der bekannte Markenbotschafter im Agentenlook: «Es ist genial, Robbie Williams unter Vertrag zu haben. Es gibt fast niemanden, der ihn nicht gernhat», sagt Gugerli. Das sichert die Aufmerksamkeit im Supermarktregal. Laut Gugerli ein entscheidender Faktor, denn der Konsument entscheide in nur wenigen Sekunden, welches Produkt er kaufe.
Der Kapselmarkt ist hart umkämpft. Delica stieg 2012 ins Geschäft mit Nespresso-Klonkapseln ein. Ende 2014 expandierte die Migros-Tochter mit Café Royal in die Nachbarländer. «Es gibt unsere Kapseln heute sogar schon in Australien und Japan und seit etwa zwei Monaten auch in China», sagt Gugerli.
Noch taufrisch ist die Zusammenarbeit mit Alibaba, dem chinesischen Onlinewarenhaus. Auf dessen Internetplattform Tmall werden die Kapseln zusammen mit anderen Migros-Produkten verkauft. Auch die US-Plattform Amazon sieht Gugerli als Wachstumstreiber. «Hätten wir unsere Strategie nicht geändert und auf Kapseln gesetzt, wäre Delica heute nur einen Bruchteil so gross, wie sie es ist.»
Mittlerweile sind viele Kapselklon-Hersteller der ersten Stunde verschwunden. «Wir haben den Kapselkrieg überlebt!», sagt Gugerli. Er bezeichnet sein Unternehmen als Schweizer Marktführer für kompatible Kapseln.
Vergisst er denn nicht die Nestlé-Konkurrenz? «Wenn Pionier Nespresso der weltweite Kapselkönig ist, sind wir der Schweizer Kapselprinz», sagt Gugerli mit dem leichten Ansatz eines Lächelns. Nicht sprechen will er über den Rechtsstreit mit Nestlé. Hier geht es nicht um Nespresso-Klone, sondern um Delica-Klone, die in das Dolce-Gusto-System von Nestlé passen.
Viel lieber spricht Gugerli über die Zukunft. Am Ausgang der Riesenrösterei zeigt er auf die ehemalige Jowa-Fabrik gleich nebenan. «Hier können wir unsere Kapazitäten bei Bedarf ausbauen.» Grosses Potenzial sieht Gugerli im Ausland. Dort sei man noch ein kleiner Player im Vergleich mit dem Heimmarkt Schweiz, dem er viel zu verdanken hat. «Beim Kaffeekonsum gehört die Schweiz zur Weltspitze», sagt Gugerli. Und das bleibe hoffentlich so.
Espresso-Fan Raphael Gugerli (42) ist seit 2009 Chef der Delica AG mit Sitz in Birsfelden BL. Sein Unternehmen gehört zum Segment 4 der M-Industrie, zu dem auch Firmen wie Chocolat Frey, Midor und Riseria gehören. Der Umsatz des gesamten Segments beträgt rund eine Milliarde Franken. Gugerli wuchs in der Westschweiz auf und lebt heute bei Birmensdorf ZH. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Wäre der auf Verfahrenschemie spezialisierte Ingenieur nicht in der Industrie gelandet, wäre er wohl Profisegler geworden.
Espresso-Fan Raphael Gugerli (42) ist seit 2009 Chef der Delica AG mit Sitz in Birsfelden BL. Sein Unternehmen gehört zum Segment 4 der M-Industrie, zu dem auch Firmen wie Chocolat Frey, Midor und Riseria gehören. Der Umsatz des gesamten Segments beträgt rund eine Milliarde Franken. Gugerli wuchs in der Westschweiz auf und lebt heute bei Birmensdorf ZH. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Wäre der auf Verfahrenschemie spezialisierte Ingenieur nicht in der Industrie gelandet, wäre er wohl Profisegler geworden.