Online-Shopping kann jeder. Ein paar Klicks, und schon ist die Ware unterwegs – selbst wenn der Händler irgendwo in Fernost hockt.
Zumindest in der Theorie. BLICK wollte es genau wissen und hat beim chinesischen Online-Giganten Aliexpress bestellt. Das ist die Kleinkunden-Plattform von Jack Mas (51) Firmenimperium Alibaba. Ein Erfolgsmodell: Letztes Jahr machte der 1999 gegründete Konzern umgerechnet 14,8 Milliarden Franken Umsatz. Alleine im zweiten Quartal 2016 hat Alibaba den Umsatz um 59 Prozent gesteigert.
Aliexpress funktioniert wie das US-Vorbild Amazon: Händler verkaufen die Ware über die Webseite direkt an den Kunden – Alibaba kassiert eine Kommission. Das verspricht günstige Preise, birgt aber auch Risiken.
Vom Computer übersetzt
Die Webseite erinnert optisch an Amazon. So findet man sich schnell zurecht – vorausgesetzt, man ist der englischen Sprache mächtig. Zwar gibt es Aliexpress auch auf Deutsch, doch nur von einem Computer-Programm übersetzt. Entsprechend wirr sind die Produktebezeichnungen. Eine iPad-Hülle heisst dann «offizielle Original 1:1 fall Für Apple iPad Pro Fällen».
BLICK hat die Hülle bestellt. Fünfzehn Tage später klingelt der DHL-Lieferant an der Tür. Was beim Auspacken gleich auffällt: Die Original-Verpackung fehlt. Passen tut die Hülle aber wie angegossen. Und günstig ist sie obendrein: 10 Franken hat der Händler verlangt, das Original kostet bei Apple 69 Franken. Allerdings verraten einige Design-Fehler, dass die Hülle keine Originalware ist.
Lepin statt Lego
Offensichtlich gefälscht ist das Star-Wars-Raumschiff von Lego. Nicht nur, weil auf der Verpackung «Lepin» statt «Lego» steht. Und «Star Wnrs» statt «Star Wars». Schwamm drüber, damit spielen können Kids allemal. Von einem Kauf ist trotzdem abzuraten. Abgesehen davon, dass die gefälschten Legos mit 27 Franken nicht gerade billig sind (das Original kostet 59 Franken), fehlt eine schöne Verpackung. Zudem ist die Aufbauanleitung samt Aufkleber lieblos in die viel zu kleine Kartonbox gestopft worden. Als Geschenk ungeeignet.
Bleiben wir bei der Fälscherware: Das USB-Netzteil für iPhones samt Ladekabel gibts bei Aliexpress für 2 Franken. Wer bei Apple bestellt, zahlt 38 Franken dafür. Auch hier: Lieferung kam zügig, die Ware war aber lieblos verpackt. Und gefälscht ist sie sowieso. Das verrät das fehlende Herstellerlogo. Doch die CE-Kennzeichnung ist drauf. Ob man sich darauf verlassen soll? Das Netzteil funktioniert immerhin. Und der Händler hat nirgendwo geschrieben, dass es sich hier um Originalware handelt.
Auch nicht echt: Der Swissgear-Rucksack. Das auf dem beigelegten Karton-Schild abgedruckte Produkt entspricht nicht dem gelieferten Rucksack. Zudem widerspricht sich das Label. Auf der einen Seite steht, die Ware stamme aus China. Auf der anderen Seite ist ein «Manufactured in the USA» abgedruckt. Dennoch: Für die verlangten 18 Franken erfüllt der Rucksack seine Funktion – für wie lange sei dahingestellt.
«Keine Toleranz» bei gefälschter Ware
Einige Fälscher-Klassiker fehlen: Die Sucheingabe Ralph Lauren Polo führt zu keinem Ergebnis. Dasselbe bei Lacoste. Allerdings ist das tagesabhängig. Gefälschte Shirts tauchen manchmal im Shop auf, verschwinden aber innert weniger Stunden wieder. Wenn Alibaba-Gründer Jack Ma (51) also erzählt, er kenne «keine Toleranz» bei gefälschter Ware, dann meint er das zumindest teilweise ernst.
Neben Dingen, die gängige Online-Shops verkaufen, gibt es bei Aliexpress auch skurrile Produkte. Etwa mannshohe Dinosaurier-Roboter oder Schuhe, mit denen man übers Wasser gehen kann. BLICK hat sich einen Büschel Haare entschieden – zu einem Schnäppchenpreis von 1.80 Franken. Laut Hersteller soll es sich dabei um «unverarbeitetes malaysisches Menschenhaar» handeln. Doch auch hier: Die Ware ist gefälscht. Das war bei dem Schnäppchenpreis zu erwarten. Denn echtes Haar kostet in dieser Menge schnell mal 700 Franken.
Nur für Mutige
Eins muss man Aliexpress lassen. Fast alle Produkte wurden kostenlos verschickt. Auch am Zoll blieb im Test nichts hängen. Bei der bestellten Ware betrug die Lieferzeit zwischen 10 und 20 Tagen. Wobei die gefälschten Legos nach Rotterdam (NL) verschifft und von dort geschickt wurden. Der Rest kam direkt aus dem Reich der Mitte.
Ist Aliexpress also eine Alternative zu Galaxus, Zalando und Co.? Nur für Mutige. Die dürften aber das eine oder andere Schnäppchen machen. Wer auf Nummer sicher gehen will, fährt mit den gängigen Online-Shops besser.