BLICK-Kolumnistin Patrizia Laeri über das Aushorchen der Angestellten
Der Spion an deinem Arbeitsplatz

Die Personalabteilungen wissen immer mehr über das Verhalten der Angestellten – im Geschäft und auch im Privatleben. Das hat massive Auswirkungen auf das Berufsleben.
Publiziert: 02.05.2018 um 09:58 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:25 Uhr
Schweizer Banken und Versicherer analysieren gerne Mitarbeiter.
Foto: Jochen Tack
Patrizia Laeri

Sind Sie kürzlich im Geschäft laut geworden? Was, wenn das nicht nur die Kollegen mitbekommen haben, sondern auch die Personalabteilung? Weil Algorithmen direkt Alarm geschlagen haben. Die sind nämlich längst so weit, unsere Gefühle zu lesen.

Als Mitarbeiter hinterlassen wir eine fette Datenspur. Wir machen Pausen, bewegen uns im Betrieb, sprechen mit Kollegen und Kunden, telefonieren, mailen oder drucken. Jeder Tastenklick kann heute bereits verfolgt werden. Alles sehr interessant für Personalabteilungen. Aber vor allem auch die Daten, die wir privat ausserhalb der Firma hinterlassen. Die Klicks auf den sozialen Medien entscheiden zunehmend mit, ob wir eingestellt, entlassen oder befördert werden. Das nennt sich HR-Analytics und geht bereits sehr weit.

Dem Sensor entgeht nichts

Vielleicht gucken Sie besser mal unter Ihren Schreibtisch. Da sind vielleicht dezent Sensoren angebracht. Wie bei den britischen Banken Barclays und Lloyds. Sie wollten verfolgen, wie lange Banker tatsächlich an ihrem Schreibtisch sitzen. Das kleine Spionage-Böxchen heisst OccupEye. Es misst Wärme und Bewegung und weiss deshalb genau, wie lange ein Mitarbeiter auf seinem Posten ist.

Aber auch Schweizer Banken und Versicherer analysieren gerne Mitarbeiter. Credit Suisse investiert in das indische Start-up Sapience Analytics. Es will die Produktivität der Mitarbeiter steigern, indem es auswertet, wie wir unsere Computer, iPads, aber auch Smartphones nutzen. Bereits Kader der vier global grössten Konzerne nutzen die Software, um die Belegschaft «effizient» zu trimmen.

Muntere Laborratten

Versicherer machen vor allem Call Center Mitarbeiter «effizienter». Wir wissen alle, wie es sich anfühlt, wenn nach einem langen Tag die Batterien leer sind. Dank der Software Cogito erkennt die Zurich Versicherung müde oder gestresste Stimmen und blendet auf dem Bildschirm sofort eine lustige Warn-Figur ein, damit die Mitarbeiterin wieder munter und engagierter telefoniert. Die Konzerne schwärmen, wie diese Programme Angestellten im Job helfen. Für mich klingt das eher nach Ratte im Labor.

Alle Branchen experimentieren. Auch die Hotellerie. Die Hilton-Gruppe setzt auf HireVue. Dieser Algorithmus bewertet anhand von Videos Sprache, Ton und Gestik der Bewerber. Die Beratungsfirma Accenture schwört ebenfalls darauf. Logistiker Kühne und Nagel setzt auf das russische Start-up Strafory und seinen Roboter Vera. Sie kann Bewerber interviewen und diese emotional lesen. Roboter haben schon manchen Menschen ersetzt, hier entscheiden sie nun gar selber über die Jobzukunft der Menschen. Kein Wunder, hat die Gewerkschaft UNI Global Union bereits Alarm geschlagen.

Und was ist, wenn erst die schlauen Lautsprecher am Arbeitsplatz einziehen? Siri und Alexa beobachten und zeichnen ununterbrochen auf, können aber auch mit mahnender Stimme direkt eingreifen. Wenn man sich vermeintlich im Ton vergreift. Schöne neue Arbeitswelt. Ein einziges Assessment. Tag für Tag.

Ökonomin Patrizia Laeri (40) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF-Börse» und «ECO» sowie ­Beirätin im Institute for Digital ­Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK. 

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