BLICK: Herr Meyer, vor einem Monat versicherten Sie BLICK, dass Sie noch lange Chef der Bundesbahnen bleiben wollen. Nun treten Sie zurück. Woher der Sinneswandel?
Andreas Meyer: Es hätte nicht unserem Kommunikationsplan entsprochen, wenn ich Ihnen bereits damals gesagt hätte, dass ich zurücktreten werde. Ich habe bereits im Mai entschieden, nochmals eine neue berufliche Lebensphase einzuleiten. Bundesrätin Simonetta Sommaruga und der Verwaltungsrat waren jederzeit über meine Pläne informiert.
Marode Infrastruktur, Verspätungen, die sich häufen und der Todesfall eines Zugbegleiters. Gerade jetzt gehen Sie von Bord. Ist das wirklich der richtige Zeitpunkt?
In einem grossen Unternehmen wie der SBB gibt es täglich viele Herausforderungen zu bewältigen. Wir befinden uns in einer sehr anspruchsvollen Situation. Dass wir angeblich eine marode Infrastruktur haben, stimmt einfach nicht. Ich habe immer wieder betont, dass wir mehr für den Unterhalt tun müssen. Ich gehe davon aus, dass die Bombardier-Züge zum Fahrplanwechsel Stück für Stück auf die Schiene kommen. Und der neue Giruno wird uns helfen, die Situation zu beruhigen. Wir werden zudem den Fahrplan entspannen, indem wir mehr Reserven einbauen.
In den letzten Wochen liessen Sie keinen PR-Anlass der SBB aus. Sie waren aber nicht an der Beerdigung des Zugbegleiters.
Wir haben in den letzten Wochen hart gearbeitet. Wir haben Partnerschaften bei der SBB Cargo unter Dach und Fach gebracht, der Streit um die Fernverkehrskonzession mit der BLS ist ad acta gelegt, und wir haben eine neue App auf den Weg gebracht, die das Reisen noch einfacher machen soll. Es war ein bewusster Entscheid der gesamten Konzernleitung, dass zwei Mitglieder an die Beerdigung gehen. Ich bin zu Hause geblieben und habe die Arbeit gemacht. Zudem war es Toni Häne (Chef Personenverkehr Anm. d. R.) ein grosses Anliegen, selbst an der Beerdigung teilzunehmen. Weil er den Zugbegleiter persönlich gekannt hatte.
Der SonntagsBlick hat aufgedeckt, dass ein SBB-Ingenieur lange vor dem Todesfall von Baden vor defekten Zugtüren warnte. Sie haben heute gesagt, dass Sie das Dokument kennen. Warum ist nichts passiert?
Da legen Sie mir falsche Worte in den Mund. Erst kurz bevor das Dokument im SonntagsBlick veröffentlicht wurde, erhielt ich Kenntnis davon. Der SonntagsBlick hat es unserer Medienstelle vorgelegt. Hier werden Sachen vermischt, die nichts miteinander zu tun haben.
Konkret?
Wir reden ja nicht nur über Personen bei den SBB, die an der Front sind, sondern auch über Menschen, die für die Instandhaltung der Züge verantwortlich sind. Nun lassen Sie uns doch endlich ganz sachlich klären, welche Hinweise wann an welcher Stelle eingegangen sind und wie darauf reagiert wurde. Vorverurteilungen wären fehl am Platz. Die SBB sind während einer laufenden Untersuchung gehalten, keine Spekulationen zu verbreiten. Ich persönlich wäre froh, wenn sich die Medien eine grössere Zurückhaltung auferlegen würden. Sie können sicher sein, dass wir jedem Hinweis nachgehen.
Machen Sie sich persönlich Vorwürfe?
Nein. Nach dem ICE-Unglück von Eschede – ich habe damals für die Deutsche Bahn gearbeitet – habe ich mir geschworen, jedem noch so kleinen Hinweis nachzugehen. Ich könnte mir nie verzeihen, eine moralische oder rechtliche Verantwortung tragen zu müssen, weil ich etwas ignoriert hätte. Aber: Die SBB sind ein grosser Konzern. Wir haben 17 Türschliessungssysteme, 17’000 Türen. Jede dieser Türen hat einen eigenen Wartungsrhythmus. Da werden Sie von mir nicht erwarten können, dass ich jede Anordnung selber mache.