Bahnhof Bern, Perron 8: Endlich rollt er heran! Aufgeregt betrete ich den neuen Doppelstöcker aus den Werkstätten von Bombardier. FV Dosto nennen ihn die SBB.
Elegant sieht er aus, schlank, mit aerodynamisch gebogener Schnauze. Der Mega-Zug ist doppelt bestückt 400 Meter lang. Er soll das Platzproblem der Bahnbetreiber lösen.
Denn er ist nicht nur 200 Stundenkilometer schnell, er hat auch vor allem Platz für 1300 Passagiere – so viel wie kein anderer Zug auf dem Schweizer Schienennetz. «Wir sind stolz auf diesen Zug. Besonders darauf, dass wir damit zehn Prozent mehr Passagiere transportieren können», sagt Stéphane Wettstein (57), Chef von Bombardier Schweiz, zu BLICK.
Sanft, um 10.56 Uhr, fährt der FV-Dosto an. Ziel dieser Testfahrt ist der Bahnhof Interlaken Ost. Für mich genug Zeit, um den Monsterzug als einer der Ersten in der Schweiz unter die Lupe zu nehmen.
Gänge und Sitzplätze wirken geräumiger
Mein erster Eindruck: Es riecht neu, wie in einem PKW frisch ab Werk. Es ist extrem hell im Vergleich zum Doppelstöcker, in dem ich zuvor von Zürich nach Bern gefahren bin. Die Gänge und Sitzplätze wirken sowohl im Unter- als auch im Oberdeck geräumiger.
In der zweiten Klasse suche ich nach Steckdosen. Sie sind nicht mehr oben, sondern es gibt unten jeweils eine für zwei Plätze. In der ersten Klasse hat jeder Sitz eine Steckdose, die Tischchen wirken hier auch edler.
Statt Steckplätzen für die Reservierung gibt es nun digitale Schildchen an jedem Platz. Die Laptops lassen sich, anders als geplant, nicht fest fixieren, damit sie nicht herumrutschen – der neue Doppelstöcker fährt nämlich bis zu 15 Prozent schneller durch die Kurven als seine Vorgänger.
Im Unterdeck sind die Toiletten – teilweise mit Wickeltisch. Ich gucke auf mein Handy, telefoniere und nutze das Internet. Der Empfang ist einwandfrei. Serienmässsig gibt es ein Restaurant, einen Familienbereich, Gepäckraum und einen zweiten Behindertenbereich mit zusätzlichen Universal-WCs.
Vierjährige Verspätung
Der SBB-Zug der Zukunft kommt mit vierjähriger Verspätung. Und sorgte bei Stadler Rail für grossen Ärger. Statt dem Ostschweizer Schienenfahrzeug-Hersteller bekam die kanadische Bombardier im Jahr 2010 den Zuschlag für den bis dato grössten Auftrag der SBB-Geschichte: 59 Doppelstöcker sind Bestandteil des 1,9-Milliarden-Vertrags der Bahn mit Bombardier.
SBB-Chef Andreas Meyer (56) bezeichnete das Bombardier-Angebot in allen Belangen klar als das beste. Eine Ohrfeige für Stadler-Rail-Chef Peter Spuhler (58).
Laut Bombardier-Verantwortlichen läuft die Zulassung planmässig. 80 Prozent der Tests sind abgeschlossen. Bis Mitte Jahr soll die Bewilligung durch das Bundesamt für Verkehr (BAV) vorliegen.
Wenn dem so ist, dann rollt der FV-Dosto per Fahrplanwechsel im Dezember 2017, etwa von St. Gallen nach Genf, im Fernverkehr quer durch die Schweiz. Endlich!
Ab Nachmittag können Sie ein Video der Fahrt sehen.