Bis 2020 gehen 9 von 11 Verwaltungsräten
Der Exodus als Chance für die Raiffeisen

Raiffeisen wechselt bis 2020 fast den kompletten Verwaltungsrat aus. Eine Riesenübung mit Chancen: Denn so kann die Bank wie auf dem Reissbrett ein ganz neues und zeitgemässes Kontrollgremium designen.
Publiziert: 29.04.2018 um 15:02 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 02:05 Uhr
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«Neues Spiel – neues Glück» bei Raiffeisen.
Foto: Keystone
Christian Kolbe
Bis 2015 war er der Boss: Untersuchungshäftling Pierin Vincenz.
Foto: Philippe Rossier

Der Raiffeisen-Verwaltungsrat hat eine weitere desaströse Woche hinter sich. Erst wurde bekannt, dass sich das Aufsichtsgremium eine Lohnerhöhung von über 40 Prozent gönnt. Der satte finanzielle Zustupf erfolgt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt – auch wenn die Gründe teilweise nachvollziehbar sind.

Pierin Vincenz, der Mann, den das teure Gremium eigentlich hätte überwachen sollen, sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft – seit mehr als acht Wochen! Das heisst: Bei der Kontrolle des mächtigen Ex-Raiffeisen-Chefs hat der Verwaltungsrat versagt. Versagen aber zieht in der Regel keine Lohnerhöhung nach sich ...

Mässig motiviert

Seit Freitag liegt nun auch der offizielle Fahrplan vor, wann welches Mitglied des erlauchten Gremiums sein Mandat abgeben wird. Von elf bleiben bis 2020 gerade zwei im Amt. Die anderen gehen: wegen Amtszeitbeschränkung, Alter oder mangelnder Motivation.

Vergütungsexperte Urs Klingler: «Die Zeit der Laien-Verwaltungsräte ist vorbei.»
Foto: Philippe Rossier

Der Exodus bietet aber auch Chancen. «Die Zeit der Laien-Verwaltungsräte ist vorbei. Verwaltungsräte müssen die Branche und das Geschäftsmodell viel besser kennen, als das bisher der Fall war», sagt der Zürcher Vergütungs-Experte Urs Klingler.

Der interimistische Raiffeisen-Präsident Pascal Gantenbein will die Gunst der Stunde nutzen: «Auf der Suche nach neuen Verwaltungsräten fokussieren wir uns einerseits auf Persönlichkeiten mit Bankfachexpertise, anderseits auf solche mit Digitalisierungs- und Risikomanagement-Kompetenzen.»

Ein Headhunter, der mit der Suche nach Verwaltungsräten bestens vertraut ist, sieht bei Raiffeisen eine einmalige Gelegenheit: Die Bank könne ihr Aufsichtsgremium wie auf dem Reissbrett entwerfen, es nach fachlichen Kriterien ideal zusammensetzen. Und dabei auch noch Alters- und Geschlechterdurchmischung berücksichtigen. Das sei selten, im Normalfall müsse ein neuer Präsident die Auswahl seine Vorgängers übernehmen.

Der VR-Markt ist winzig

Allerdings gibt es bei so vielen Vakanzen auch ein Problem: Der Markt für qualifizierte Bank-Verwaltungsräte in der Schweiz ist klein. Das dürfte die Suche erschweren – und die Vergütungen erneut nach oben treiben. «Wer Verwaltungsrat bei einer Bank ist, der kann eher weniger gut ein weiteres Bankenmandat annehmen, was sich oft auch im Honorar widerspiegelt», sagt der Vergütungsspezialist Stephan Hostettler.

Wer also Profis mit Sachkenntnis im Verwaltungsrat will, wird angesichts des geringen Angebots tiefer in die Tasche greifen müssen. Dabei muss die Gesamtsumme der Vergütungen nicht steigen. Urs Klingler rät: «Der Raiffeisen-Verwaltungsrat ist heute zu gross, sieben bis acht Mitglieder reichen völlig, wenn diese sich dafür im Bankgeschäft besser auskennen.» Allerdings sehen die Statuten derzeit noch mindestens neun VR-Mitglieder vor.

Der rundum erneuerte Raiffeisen-Verwaltungsrat dürfte teurer werden – aber möglicherweise um einiges besser als der alte.

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