Foto: Barry Callebaut / ZVG

Besuch in der grössten Schokoladenfabrik der Welt
Hier wird die Schoggi neu erfunden

Die Schweizer Schokoladenfirma Barry Callebaut betreibt in Belgien die grösste Schokoladenfabrik der Welt. Besuch am Ort, wo man die Schoggi neu erfinden will.
Publiziert: 09.02.2019 um 23:51 Uhr
|
Aktualisiert: 10.03.2019 um 21:14 Uhr
1/12
Die Schokolade verlässt die Fabrik in Form von Pellets, Blöcken oder flüssig.
Foto: Barry Callebaut / ZVG
Moritz Kaufmann
Moritz KaufmannWirtschaftsredaktor

Ihr Geruch schleicht sich die Nase hoch, lange bevor man sie sieht. Schwer, süsslich, schokoladig eben. In Wieze, 50 Autominuten von der belgischen Hauptstadt Brüssel entfernt, betreibt die Schweizer Firma Barry Callebaut die grösste Schokoladenfabrik der Welt.

Barry was? Wem der Firmenname nichts sagt, der muss sich nicht hinterfragen. Im Supermarkt findet man kein einziges Produkt unter dieser Marke. Doch im Mund hatten sie alle schon. Barry Callebaut ist der grösste Schokoladenverarbeiter der Welt. Allein das Werk Wieze pumpt Hunderte Tonnen Schokolade pro Tag hinaus. 59 Fab­riken gibt es weltweit. Die Schweizer Tochter heisst Carma und ist in Dübendorf ZH zu Hause. Der Welt-Hauptsitz von Barry Callebaut liegt in Zürich-West.

Beliefern tut sie kleine und grosse Süsswaren-Hersteller in 140 Ländern. Von einigen weiss man es: Nestlé, Unilever, Mars. Die meisten Kunden – darunter viele Premiummarken – wollen aber unbekannt bleiben. Wenn herauskommt, dass sie den Schoko-Rohstoff einkaufen, statt selbst herstellen, ist das fürs Image nicht unbedingt förderlich.

In Wieze durchläuft jedenfalls die Schokolade ihren ganzen Produktionsprozess: In riesigen Anlagen werden die Kakaobohnen geröstet, gewalzt, zu Masse verarbeitet, neu vermischt und temperiert. Die Fabrik verlassen sie in Form von Schokopellets, Fünf-Kilo-Blöcken oder flüssig in Schokotank-Lastwagen.

Die Schoggi der Zukunft

Wieze ist aber nicht nur eine Fabrik. Es ist auch ein Labor. Hier wird an der Schoggi der Zukunft getüftelt. «Die Kakaobohne ist das komplexeste Lebensmittel. Sie enthält mehr als 20'000 bioaktive Inhaltsstoffe», sagt Bas Smit, Marketing-Chef von Barry Callebaut, «wir sind daran, sie zu entschlüsseln und in neue Geschmackserlebnisse umzusetzen.»

Oder aber: Den Geschmack beibehalten, allerdings mit anderen Zutaten. Die Konsumenten zwingen Barry Callebaut dazu. «Die jüngeren Generationen pflügen den Lebensmittelmarkt mit einer rasanten Geschwindigkeit um», sagt Smit. Ihr Anspruch: gesunde Produkte aus natürlichen, nachhaltigen Zutaten. Selbstverständlich ohne Abstriche beim Geschmack.

Um milchfreie, zuckerarme Schokolade herstellen zu können, experimentieren die Schoggi-Tüftler in Wieze deshalb mit den unterschiedlichsten Zutaten: Hafermilch, Kokoszucker, mikrobiotischen Müesliflocken. «Man kann verschieden reagieren: Die ‹schlechten› Zutaten reduzieren. Zum Beispiel: weniger Zucker», sagt Smit. Oder: «Die ‹guten› erhöhen. Also Nüsse, mehr Kakao, anreichern mit Proteinen.»

Produktentwickler aus ganz Europa kommen nach Wieze mit ihren Anliegen. Dort arbeiten sie gemeinsam mit den Barry-Callebaut-­Experten an neuen Lebensmitteln. Heraus kommt dann zum Beispiel eine vegane Magnum. Der Lebensmittelgigant Unilever hat vor kurzem seinen Glace-Klassiker in einer Version ohne tierische Inhaltsstoffe lanciert. Der Schokomantel stammt von Barry Callebaut.

«Milchfreie Schokolade, solche mit wenig Zucker oder mit gesundheitsfördernden Zusätzen wird in Zukunft ganz selbstverständlich neben der traditionellen Schokolade existieren», ist Smit überzeugt, «die Schokoladenmarken müssen entscheiden, was das für sie bedeutet.»

Schoggi wird rosarot

Ein weiteres Novum aus der Barry-Callebaut-Küche: rosarote ­Schoggi. Sie verdankt ihre Farbe einer besonderen Kakaoart und nicht etwa künstlichen ­Zusätzen. Der Geschmack ist gewöhnungsbedürftig, liegt irgendwo zwischen cremig und beerig.

Barry Callebaut preist sie unbescheiden als die «vierte Schokolade» an – neben schwarz, weiss und Milch. Um sie unters Volk zu bringen, hat man die ganz grosse Marketing-Trompete ausgepackt – was für ein reines Business-to-Business-Unternehmen nicht ganz einfach ist.

So gibts zum Beispiel den Nestlé-Waffel-Klassiker Kitkat neu in Rosa. In Japan, wo über 60 Kitkat-Versionen auf dem Markt sind, ist sie bereits ein Hit. Seit letztem Frühling hat zudem die Luzerner Confiserie Bachmann rosarote Truffes im Angebot, deren Rohstoff aus den Barry-Callebaut-Fabriken stammt.

Kakao von Kinderhänden

Bis 2025 will Barry Callebaut nur noch «nachhaltigen» Kakao verarbeiten. Das bedeutet auch: Es sollen keine Kinder aus der Schule genommen werden, um auf den Plantagen Pestizide zu verspritzen und schwere Lasten zu tragen. Zuletzt hat Barry Callebaut nach eigenen Angaben 247 Fälle von Kinderarbeit aus der eigenen Wertschöpfungskette eliminiert. Doch die Herausforderung bleibt gross. Der Weltmarktpreis für Kakao ist tief. Viele Kakaobauern sehen keine andere Möglichkeit, als Kinder zu beschäftigen.

Barry Callebaut steigerte in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2016/17 Verkaufsmenge und Umsatz. (Symbolbild)
Barry Callebaut steigerte in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2016/17 Verkaufsmenge und Umsatz. (Symbolbild)
KEYSTONE/EPA/LEGNAN KOULA

Bis 2025 will Barry Callebaut nur noch «nachhaltigen» Kakao verarbeiten. Das bedeutet auch: Es sollen keine Kinder aus der Schule genommen werden, um auf den Plantagen Pestizide zu verspritzen und schwere Lasten zu tragen. Zuletzt hat Barry Callebaut nach eigenen Angaben 247 Fälle von Kinderarbeit aus der eigenen Wertschöpfungskette eliminiert. Doch die Herausforderung bleibt gross. Der Weltmarktpreis für Kakao ist tief. Viele Kakaobauern sehen keine andere Möglichkeit, als Kinder zu beschäftigen.

Und auch wenn eine Innovation mal floppt: Es gibt nichts Unverwüstlicheres als Schokolade. Sie wird noch jeden Gesundheitswahn überleben, denn wir Menschen können nicht ohne sie sein. Das sind beste Voraussetzungen für Barry Callebaut. Marketing-Chef Smit weiss, worauf es am Schluss immer noch ankommt. «Für uns bleibt am wichtigsten: Geschmack, Geschmack, Geschmack. Schokolade muss immer verwöhnen.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.