Besorgte Käufer im Stich gelassen, Produzenten von Anfragen überfordert
Gift-Matratzen rauben Kunden den Schlaf

Die Matratzen, die von BASF-Chemikalien verseucht sind, schrecken die Schweizer Matratzen-Branche auf. BLICK sprach mit alarmierten Kunden, überforderten Telefonisten und aufgescheuchten Firmen-Chefs.
Publiziert: 13.10.2017 um 23:35 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:55 Uhr
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Der Alltag scheint bei Riposa in Bilten GL längst vergessen.
Foto: ZVG
Konrad Staehelin und Patrik Berger

Der Gift-Kunststoff für Matratzenschaum, den der deutsche Chemie-Multi BASF zwischen 25. August und 29. September in ganz Europa auslieferte, fährt böse ein: Der Dichlorbenzol-Gehalt darin ist mindestens dreissigmal höher als erlaubt. Während man friedlich schläft, schädigt das Gift Haut, Atemwege und Augen – und es ist höchst krebserregend!

Industrie liegt flach

Die Schweizer Matratzen-Industrie hat im Moment vor allem Kopfweh: Hunderte Produktions-Mitarbeiter müssen daheim bleiben, die Bänder stehen still. Gestern brach das Chaos aus: Die dänische Kette Jysk nimmt in ihren 50  Filialen eine Vielzahl von Matratzen aus dem Verkauf, Micasa liefert keine Modelle von Bico und Robusta aus.

Hier sitzt der Giftschaum.
Foto: Infografik

Ikea Schweiz dagegen nimmt nichts aus dem Sortiment: «Abklärungen laufen», sagt ein Sprecher. «Wir haben keinen Grund zur Annahme, dass unsere Matratzen betroffen sind.» Allerdings stoppte Ikea in Frankreich, Schweden und vier weiteren Ländern den Verkauf von sechs Modellen, die auch in der Schweiz erhältlich sind. «Der Produzent ist hier aber ein anderer», sagt der Ikea-Sprecher.

Chaos bei Bico

Die Kunden sind ratlos: BLICK-Leser Ramon V.* (34) aus Winterthur ZH hatte für seinen Sohn eben eine Matratze des Schweizer Marktführers Bico gekauft. Der konnte ihm nicht helfen: «Die Hotline war ständig besetzt.»

Als er endlich durchkam, gab man ihm den Tipp: «Besorgen Sie sich eine andere Matratze. Oder nehmen Sie Ihren Sohn ins Elternbett.»

Ein Anruf bei Bico bestätigt den Eindruck: Die Firma aus Schänis SG ist überfordert. «Ich habe heute über 300 Anrufe erhalten», jammert der Telefonist – er ist einer von mehreren.

Riposa will klagen

Die Bico-Teppichetage nimmt zum Chaos keine Stellung, eine beauftragte Kommunikationsfirma aus England verschickt ein dürres Communiqué: Die Untersuchungen liefen, man nehme Qualität ernst. Verkauf und Produktion der Matratzen seien gestoppt worden. Zudem bestehe laut BASF keine Gefahr.

Walter Schnellmann (73), Chef von Riposa in Bilten GL, überzeugt das nicht: «Wir haben viel höhere Qualitätsstandards und machen unsere eigenen Messungen.» Man werde BASF auf Schadenersatz verklagen. Bei ihm glühten die Drähte, weil Händler und Kunden besorgt sind: «Wir sind alle voll ausgelastet. Aber ich habe grosses Verständnis für alle, die beunruhigt sind.» Noch klärt Riposa ab, welche Modelle genau betroffen sind.

Auch Martin Frutig (59), Leiter von Swissflex in Flüh SO, sagt: «Wir wissen zwar noch nicht, welche Matratzen genau betroffen sind.» Doch wenn jemand eine frisch gekaufte Matratze zurückbringen wolle, sei man kulant.

Ist meine Matratze giftig?

Jahrelang habe ich auf einer unbequemen Billigmatratze genächtigt. Das Mistding hängt so durch, dass ich mich auch direkt auf den Lattenrost hätte legen können. Vor einigen Wochen kam die Erkenntnis: Die Rückenschmerzen bringen mich irgendwann um. 

Ich bin also mit steifem Rücken zu Möbel Pfister. Und habe mir unter Schmerzen ein Bett gekauft, dass mehr gekostet hat, als mein alter Toyota noch wert ist.

Und dann – ausgerechnet am Abend vor der lang ersehnten Lieferung – kommt die Hiobsbotschaft: Es sind Krebs-Matratzen im Umlauf. Tolles Timing!

Nur Stunden später stellt mir ein Lieferant das potenzielle Giftding in die Stube. Und ich frage mich: Killt mich meine neue Matratze vielleicht sogar noch schneller als die alte? Man sagt ja: «Schlafen kannst du, wenn du tot bist.» Aber gleich heute Nacht?

Galgenhumor beiseite: Ein Anruf bei Pfister bringt nichts. Die Kommunikation darüber sei Chefsache, so die Dame am Telefon. Langsam frage ich mich, ob ich auf dem Sofa schlafen muss.

Stunden später der erlösende Anruf: Meine Matratze sei nicht betroffen. Zum Abschied gibt es vom Pfister-Mann noch einen Seitenhieb Richtung Konkurrenz: Meine alte Liegeunterlage – wie gesagt ein billiges Mistding eines billigen Möbelhauses – sei sicher giftiger als die potenziell krebserregenden Matratzen. Na gute Nacht dann!

BLICK-Reporter Michael Sahli packt sein neues Bett aus.
Marcel Sauder

Jahrelang habe ich auf einer unbequemen Billigmatratze genächtigt. Das Mistding hängt so durch, dass ich mich auch direkt auf den Lattenrost hätte legen können. Vor einigen Wochen kam die Erkenntnis: Die Rückenschmerzen bringen mich irgendwann um. 

Ich bin also mit steifem Rücken zu Möbel Pfister. Und habe mir unter Schmerzen ein Bett gekauft, dass mehr gekostet hat, als mein alter Toyota noch wert ist.

Und dann – ausgerechnet am Abend vor der lang ersehnten Lieferung – kommt die Hiobsbotschaft: Es sind Krebs-Matratzen im Umlauf. Tolles Timing!

Nur Stunden später stellt mir ein Lieferant das potenzielle Giftding in die Stube. Und ich frage mich: Killt mich meine neue Matratze vielleicht sogar noch schneller als die alte? Man sagt ja: «Schlafen kannst du, wenn du tot bist.» Aber gleich heute Nacht?

Galgenhumor beiseite: Ein Anruf bei Pfister bringt nichts. Die Kommunikation darüber sei Chefsache, so die Dame am Telefon. Langsam frage ich mich, ob ich auf dem Sofa schlafen muss.

Stunden später der erlösende Anruf: Meine Matratze sei nicht betroffen. Zum Abschied gibt es vom Pfister-Mann noch einen Seitenhieb Richtung Konkurrenz: Meine alte Liegeunterlage – wie gesagt ein billiges Mistding eines billigen Möbelhauses – sei sicher giftiger als die potenziell krebserregenden Matratzen. Na gute Nacht dann!

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