Es ist ein Satz, den Detailhändler fürchten: «Ich überlegs mir noch einmal!» Oft fällt er, nachdem der Kunde bereits in mehrere Paar Schuhe geschlüpft ist oder sich die Details der neuesten Smartphones erklären liess. Dann ist er weg – und kauft anderswo. Meist in Online-Shops, wo die Produkte deutlich günstiger sind.
Zürich, am Bellevue, beste Lage, exzellenter Service. Hier kämpft das Traditionsgeschäft Sport Bächtold mit Kunden, welche Beratung abholen, aber online kaufen. Die Verzweiflung drückt sich auf einer Tafel aus: «Eine persönliche Beratung für Ihren Internet-Einkauf verursacht auch bei uns einen Kostenaufwand und braucht einen Deckungsbeitrag.»
Das gefürchtete Verhalten vieler Kunden nennt man Showrooming. Dass es ein Wort dafür gibt, zeigt: Es geht nicht um Einzelfälle, sondern um einen massiven Trend. Der hat auch das Berner Oberland erreicht.
«In den letzten fünf Jahren gab es immer häufiger Situationen, wo Leute nach einem Beratungsgespräch gingen, ohne etwas zu kaufen», sagt Beat Zürcher (45) vom Intersport-Laden in Frutigen BE. Zürchers Frust wuchs: «Bin ich wirklich nichts wert?» Im Gegensatz zu dem Kollegen am Bellevue beschloss der Sporthändler, sich dem Problem zu stellen.
Beratungszeit wird berechnet
Seit der Wintersaison 2015 berechnet Zürcher konsequent jede Minute Beratungszeit. Zum Ausgleich gewährt er beim Kauf 20 Prozent Rabatt. Für den Service zahlt aber jeder – ob er kauft oder nicht. Beratung durch den Lehrling schlägt mit 24 Franken pro Stunde zu Buche, beim Verkäufer mit langjähriger Erfahrung sind es 72 Franken. Wie kommt das bei den Kunden an? Manche nähmen es gut auf, «andere weniger», sagt Zürcher. Er will an seinem Konzept festhalten.
Der stationäre Handel verliert ans Internet: 2015 gaben die Schweizer 7,2 Milliarden Franken in Online-Shops aus – 1,8 Milliarden mehr als 2010. Im selben Zeitraum schwand der Umsatz bei traditionellen Läden um 2,5 Milliarden. Denen machen auch Einkaufstouristen zu schaffen. Elf Milliarden Franken, so schätzt die Credit Suisse, flossen 2015 in ausländische Ladenkassen.
Die Kosten des Showrooming sind schwer zu beziffern. Markus Säuberli (56), Inhaber des Foto- und Videogeschäfts Zumstein in Bern: «In den letzten Jahren lag der Umsatzverlust im zweistelligen Prozentbereich.» Er nennt es «Beratungsdiebstahl, der definitiv zunimmt». Die Konsequenz: Wer Beratung zu einem Produkt wünscht, das nicht bei Säuberli gekauft wurde, zahlt 50 bis 80 Franken pro Stunde.
Rettungsschirm: Beratungshonorare
Beratungsgebühren sind auch bei Gewerbeverbänden und -vereinen ein Thema. Bisher hatte nur die Reisebranche den Mut, flächendeckend Gebühren einzuführen. Als die Fluggesellschaften vor über 20 Jahren ihre Preise senkten, gerieten die Reisebüros ins Trudeln. Online-Vergleichsportale beschleunigten die Notlage. Der Rettungsschirm: Beratungshonorare. Heute gibt es kaum noch ein Reisebüro, das gratis und franko berät. Offerten kosten schon einmal 250 Franken.
Das Geschäft mit Beratungsgebühren kann allerdings auch nach hinten losgehen. So verlangte das St. Galler Fotogeschäft Gross ein Jahr lang 45 Franken pro Stunde Beratung – bis immer weniger Kunden kamen. Jetzt werden dort keine Kameras mehr verkauft, sondern zum Beispiel Hochzeitsfotos aufgenommen. Konkurrent Hausamann hat eine andere Methode: Wenn der Kunde nach einer Kurzberatung mehr wissen will, wird er gebeten, einen kostenpflichtigen Kurs im Geschäft am St. Galler Bahnhofplatz zu buchen.
Ähnlich unverblümt geht Daniel Waldmeier (45) von Wernli Sport in Frick AG vor. «Wenn jemand offensichtlich nichts kaufen will, frage ich relativ direkt, was er denn will.» Waldmeier schätzt, dass jedes zehnte Velo, das er den Kunden präsentiert, danach online gekauft wird. Er überlegt, im nächsten halben Jahr Beratungsgebühren bei Laufschuhen einzuführen.
Auch die Outdoor-Kette Transa kennt Beratungsdiebe. Gegenmassnahme: Kunden mit noch mehr Service noch enger an sich zu binden. Ab Juli stellt Transa ihren Kunden beim «Personal Shopping» einen Berater für bis zu drei Stunden an die Seite – kostenlos. Eine Einladung zum Showrooming? Transa riskierts. Die Kette hat aber gegenüber kleineren Läden einen Vorteil: den eigenen Online-Shop.
«Kann ich das Etikett abfotografieren? Ich muss es meiner Frau zeigen.»
«Ich bin mir irgendwie noch unsicher.»
«Ich fühle mich ein bisschen unwohl mit dem Produkt.»
«Wie genau heisst das Produkt?»
«Danke für die Beratung. Jetzt schau ich mal, ob es das bei Zalando gibt.»
«Im Internet habe ich das günstiger gesehen. Geben Sie mir einen Rabatt?»
«Ich habe diesen Fotoapparat geschenkt bekommen. Können Sie mir bitte alles erklären?»
«Ich denke, ich werde das Kleid in Deutschland kaufen.»
«Ich bekomme woanders die Schuhe zu dem Preis, für den Sie sie einkaufen.»
«Kann ich das Etikett abfotografieren? Ich muss es meiner Frau zeigen.»
«Ich bin mir irgendwie noch unsicher.»
«Ich fühle mich ein bisschen unwohl mit dem Produkt.»
«Wie genau heisst das Produkt?»
«Danke für die Beratung. Jetzt schau ich mal, ob es das bei Zalando gibt.»
«Im Internet habe ich das günstiger gesehen. Geben Sie mir einen Rabatt?»
«Ich habe diesen Fotoapparat geschenkt bekommen. Können Sie mir bitte alles erklären?»
«Ich denke, ich werde das Kleid in Deutschland kaufen.»
«Ich bekomme woanders die Schuhe zu dem Preis, für den Sie sie einkaufen.»