Bei tieferem Referenzzinssatz Mietsenkung beantragen
«So spare ich 3600 Franken pro Jahr»

Am Montag ist der Referenzzinssatz auf ein neues Rekordtief gefallen. Schweizer Mieter könnten mehrere Milliarden Franken sparen. Felix G. tut es jetzt schon.
Publiziert: 01.03.2020 um 23:14 Uhr
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Aktualisiert: 01.09.2020 um 09:55 Uhr
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Der Referenzzinssatz fällt am 2. März von 1,5 auf 1,25 Prozent, wie das Bundesamt für Wohnungswesen bekannt gibt.
Foto: KEYSTONE
Dorothea Vollenweider

Heute Montag hat das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) bekannt geben, dass der hypothekarische Referenzzinssatz für Wohnungsmieten weiter sinkt. Und zwar von 1,5 Prozent auf ein Rekordtief von 1,25 Prozent.

2,2 Millionen Haushalte in der Schweiz haben theoretisch das Anrecht auf eine Mietzinsreduktion. So auch Felix G.* (46) aus Zürich. Der Familienvater hat seit seinem Einzug in die Vier-Zimmer-Wohnung mit Terrasse vor zehn Jahren bei jeder Referenzzinssatzsenkung einen Antrag auf Mietzinssenkung gemacht. «Wenn ich Geld sparen kann, dann mache ich das. Der Vermieter spart schliesslich auch an tieferen Zinssätzen», sagt er zu BLICK.

Mieter spart 300 Franken pro Monat

Auch wenn der Vermieter nie die gesamte Zinssenkung weitergab, so doch immer einen Teil davon. Die Vermieter haben stets einen Teuerungsausgleich und allgemeinen Kostenbeitrag geltend gemacht. Trotzdem sank die Miete von Felix G. von ursprünglich 2180 Franken im Jahr 2010 auf heute 1875 pro Monat. «So spare ich über 3600 Franken pro Jahr», führt er aus.

Seine Nachbaren, die über ihm in gleichen Wohnungen wohnen, haben die Spargelegenheit dagegen nicht genutzt. Die oberste Wohnung mit Balkon sah der Familienvater letztes Jahr ausgeschrieben – zum alten Mietpreis von 2180 Franken. Inzwischen sind dort neue Mieter eingezogen. «Wenn die Neuen wüssten, wie viel wir bezahlen, würden sie sich wohl ziemlich ärgern», meint er.

Sparpotenzial von 8,5 Milliarden Franken

Die summierten Nettomieten in der Schweiz betragen laut dem Mieterinnen- und Mieterverband (MV) rund 35 Milliarden Franken. Wird der Referenzzinssatz wie erwartet von 1,5 auf 1,25 Prozent gesenkt, würde dies einer Senkung des Mietzinses von rund 2,9 Prozent entsprechen.

Insgesamt würde das also rund eine Milliarde Franken an Mietzinssenkungen bedeuten. Der Referenzzinssatz wurde im Jahr 2008 eingeführt. Damals lag er noch bei 3,5 Prozent. Wären alle Senkungen des Referenzzinssatzes seit 2008 direkt an die Mieter weitergegeben worden, so hätten diese insgesamt rund 8,5 Milliarden Franken Mietkosten gespart.

Die Mieten könnten 30 Prozent tiefer sein

«Hätten alle Mieter von ihrem Recht Gebrauch gemacht, wären ihre Mieten heute um 30 Prozent tiefer», sagt Martin Neff (59), Chefökonom der Raiffeisen. Doch die Realität sieht anders aus: Eine neue Studie der Raiffeisen zeigt, dass im Nachgang der letzten drei Referenzzinssatzsenkungen jeweils nur zwischen 18 und 21 Prozent der Mietwohnungen günstiger wurden. «Es ist also offensichtlich, dass die Weitergabe der sinkenden Finanzierungskosten vom Vermieter an den Mieter nicht grossflächig stattfindet», sagt Neff.

Das Problem: Die meisten Mieter müssen selbst aktiv werden, wollen sie von dieser Mietzinssenkung profitieren. Und das tun die wenigsten, wie auch die Studienverfasser der Raiffeisen schreiben. «Mietern ist es sicher zu wenig bewusst, dass es gemäss Gesetz keine automatische Senkung gibt, sondern dass sie meist selber aktiv werden müssen», sagt Natalie Imboden (49), Generalsekretärin des MV.

Nicht alle Vermieter geben Zinssenkung weiter

Stecken die Vermieter die Zinssenkung also in den eigenen Sack? Nein, sagt die stellvertretende Direktorin vom Hauseigentümerverband (HEV) Schweiz, Monika Sommer (45): «Für die Mietzinse ist nicht nur der Referenzzinssatz massgebend.» Gegen den Senkungsanspruch kann der Vermieter beispielsweise 40 Prozent der Teuerung sowie die Steigerungen der Unterhalts- und Betriebskosten aufrechnen.

Zudem kann der Vermieter Investitionen für umfassende Überholungen und andere wertvermehrende oder energetische Verbesserungen zur Verrechnung bringen: «Jährlich werden in der Schweiz von privaten Immobilieneigentümern rund zwölf Milliarden Franken in den Unterhalt und die Erneuerung ihrer Liegenschaften investiert», so Sommer.

Mieterverband plant Infokampagne

Bei vielen Mietern spielt laut MV zudem eine gewisse Sorge mit, was es bedeuten könnte, beim Vermieter den Anspruch einzufordern. Der Verband will die Mieter deshalb aufklären. «Der Mieterverband plant eine breite Infokampagne für die Begleitung der nächsten Senkung, damit die Mieter wirklich ihren Anspruch einfordern», so Imboden zu BLICK.

* Felix G. ist mit einer BLICK-Redaktorin verheiratet

Das wichtigste zum Referenzzinssatz

1. Was ist eigentlich ein hypothekarischer Referenzzinssatz?
Der Referenzzinssatz ist eine der Richtgrössen für die Wohnungsmieten. Durch ihn können Veränderungen des Hypothekarzinsniveaus auf die Mieter übertragen werden. Der Referenzzinssatz bildet also die Kosten ab, die dem Hauseigentümer zur Finanzierung einer Liegenschaft entstehen.

2. Wofür braucht es den Referenzzinssatz?
Er ist massgebend für die Mieten der meisten Mietwohnungen – ausgeschlossen sind beispielsweise Genossenschaftswohnungen, deren Mietzinse einer staatlichen Kontrolle unterliegen.

3. Wann wurde der Referenzzinssatz eingeführt?
Der Referenzzinssatz wurde 2008 eingeführt. Ziel war es, die Mietzinsgestaltung landesweit zu harmonisieren. Seit seinem Bestehen ist er von 3,5 auf 1,25 Prozent gesunken. Im Juni 2023 gab es nun die erste Erhöhung auf 1,5 Prozent seit der Einführung.

4. Kann eine Veränderung des Referenzzinssatzes zu einer Erhöhung des Mietzinses führen?
Ja, wenn der Zinssatz steigt, können Vermieter darauf abgestützt die Mieten um 3 Prozent erhöhen. Allerdings nur dann, wenn der Mietvertrag auf dem aktuellen Referenzzinssatz von 1,25 Prozent beruht.

5. Können Mieter aufgrund des Referenzzinssatzes tiefere Mieten verlangen?
Ja, das können sie, wenn der Referenzzinssatz sinkt. Wer schon mehrere Jahre in derselben Wohnung lebt und bisher nie eine Mietzinssenkung beantragt hat, der kann sogar geltend machen, dass der Referenzzinssatz im Laufe der Zeit mehrfach gesunken ist. Eine Senkung des Referenzzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte entspricht einer Senkung des Mietzinses um rund 2,9 Prozent. Allerdings haben die Vermieter die Möglichkeit, Mietzinssenkungen aufgrund des Hypothekarzinses mit gestiegenen Betriebs- und Unterhaltskosten der Liegenschaft zu verrechnen. Gewisse Vermieter gewähren Mietzinssenkungen von sich aus automatisch.

6. Wie wird der Zinssatz eigentlich berechnet?
Der Referenzzinssatz entspricht dem volumengewichteten durchschnittlichen Zinssatz aller Hypothekarforderungen von Schweizer Banken. Ausgerechnet wird der Satz von der Schweizerischen Nationalbank im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen. Die Banken müssen der Nationalbank dafür die notwendigen Daten zur Verfügung stellen. Der aus den Berechnungen resultierende Durchschnittssatz wird danach auf ein Viertelprozent auf- oder abgerundet. Dorothea Vollenweider

1. Was ist eigentlich ein hypothekarischer Referenzzinssatz?
Der Referenzzinssatz ist eine der Richtgrössen für die Wohnungsmieten. Durch ihn können Veränderungen des Hypothekarzinsniveaus auf die Mieter übertragen werden. Der Referenzzinssatz bildet also die Kosten ab, die dem Hauseigentümer zur Finanzierung einer Liegenschaft entstehen.

2. Wofür braucht es den Referenzzinssatz?
Er ist massgebend für die Mieten der meisten Mietwohnungen – ausgeschlossen sind beispielsweise Genossenschaftswohnungen, deren Mietzinse einer staatlichen Kontrolle unterliegen.

3. Wann wurde der Referenzzinssatz eingeführt?
Der Referenzzinssatz wurde 2008 eingeführt. Ziel war es, die Mietzinsgestaltung landesweit zu harmonisieren. Seit seinem Bestehen ist er von 3,5 auf 1,25 Prozent gesunken. Im Juni 2023 gab es nun die erste Erhöhung auf 1,5 Prozent seit der Einführung.

4. Kann eine Veränderung des Referenzzinssatzes zu einer Erhöhung des Mietzinses führen?
Ja, wenn der Zinssatz steigt, können Vermieter darauf abgestützt die Mieten um 3 Prozent erhöhen. Allerdings nur dann, wenn der Mietvertrag auf dem aktuellen Referenzzinssatz von 1,25 Prozent beruht.

5. Können Mieter aufgrund des Referenzzinssatzes tiefere Mieten verlangen?
Ja, das können sie, wenn der Referenzzinssatz sinkt. Wer schon mehrere Jahre in derselben Wohnung lebt und bisher nie eine Mietzinssenkung beantragt hat, der kann sogar geltend machen, dass der Referenzzinssatz im Laufe der Zeit mehrfach gesunken ist. Eine Senkung des Referenzzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte entspricht einer Senkung des Mietzinses um rund 2,9 Prozent. Allerdings haben die Vermieter die Möglichkeit, Mietzinssenkungen aufgrund des Hypothekarzinses mit gestiegenen Betriebs- und Unterhaltskosten der Liegenschaft zu verrechnen. Gewisse Vermieter gewähren Mietzinssenkungen von sich aus automatisch.

6. Wie wird der Zinssatz eigentlich berechnet?
Der Referenzzinssatz entspricht dem volumengewichteten durchschnittlichen Zinssatz aller Hypothekarforderungen von Schweizer Banken. Ausgerechnet wird der Satz von der Schweizerischen Nationalbank im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen. Die Banken müssen der Nationalbank dafür die notwendigen Daten zur Verfügung stellen. Der aus den Berechnungen resultierende Durchschnittssatz wird danach auf ein Viertelprozent auf- oder abgerundet. Dorothea Vollenweider

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