Bei jeder fünften Kontrolle auf dem Bau gibts Probleme
Jetzt kommt das Register für saubere Firmen

Kriminelle Unternehmen sind auf Grossbaustellen aktiv. Um sie fernzuhalten, arbeiten Schweizer Gewerkschaften und Arbeitgeber zusammen.
Publiziert: 22.10.2017 um 10:54 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 00:58 Uhr
Cyrill Pinto

Immer wieder fliegen Firmen auf, die Handwerker aus Tieflohnländern zu Dumpinglöhnen beschäftigen – im aktuellen Fall auf der Baustelle im Inselspital. Tatsächlich stellen Kontrolleure schweizweit bei jeder fünften Inspektion Unregelmässigkeiten fest – Tendenz steigend.

Deshalb stehen weitere Massnahmen zur Bekämpfung des Lohndumpings kurz vor der Realisierung. Wichtigstes Instrument ist eine Art Strafregisterauszug für Bauherren. Damit sollen Auftraggeber sichergehen, dass Unternehmen sauber sind, mit denen sie zusammenarbeiten.

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SonntagsBlick präsentiert die Endlos-Serie zum Lohndumping. Coop-Verteilzentrum Schafisheim AG: Die damals grösste Baustelle der Schweiz war ein ökologisches Vorzeigeprojekt von Grossverteiler Coop. Doch Monteure aus Slowenien berichteten von Lohndumping.
Foto: Philippe Rossier

Das Informationssystem soll Auskunft darüber geben, welche Firmen korrekt arbeiten und sich an die Mindestarbeitsbedingungen halten. «Eine Art Register der korrekten Firmen», erklärt Nico Lutz (46) von der Unia, der die Gewerkschaften in der Arbeitsgruppe zur Einführung des neuen Systems vertritt. Auf Arbeitgeberseite unterstützt der Baumeisterverband die Einführung des Registers.

Das Verzeichnis soll 2018 eingeführt werden – Gewerkschaften und Arbeitgeber verhandeln derzeit über die Gründung der Trägerschaft. «Ich bin zuversichtlich, dass wir spätestens in zwei Monaten eine Lösung haben», so Lutz.

Neben dem Berufsregister sind auf Bundesebene weitere Massnahmen geplant, um den Druck auf Schweizer Löhne zu verringern: Um zu verhindern, dass Aufträge an Dritte weitergegeben werden, sollen Subunternehmerketten auf eine Stufe beschränkt werden. So soll verhindert werden, dass Aufträge an Firmen gehen, die sich nicht an Schweizer Mindestlöhne halten.

SonntagsBlick weiss: An der morgigen Sitzung der Wirtschaftskommission des Nationalrats wird diese Massnahme für Bundesaufträge besprochen.

Druck auf Schweizer Firmen nimmt zu

Gewerkschaften fordern zudem, dass Kantone bei schwerem Verdacht auf Lohndumping umgehend die Einstellung von Arbeiten verlangen sollen. «Mit diesen Massnahmen hätten wir im Kampf gegen Lohndumping griffige Instrumente in der Hand», sagt Daniel Lampart (49) vom Schweizer Gewerkschaftsbund (SGB). Kontrolleure machten regelmässig die Erfahrung, dass Firmen die Kontrollen einfach mit einer Neugründung umgehen oder ihre Angestellten als Scheinselbständige deklarierten.

Daniel Lampart, Gewerkschaftsbund ist überzeugt: «Der Kontrolldruck auf Schweizer Firmen steigt.»
Foto: Keystone

Wie die Gewerkschaften sieht auch der Bundesrat Bedarf nach mehr Kontrollen. Ende August gab das Kollegialgremium bekannt, dass die Mindestzahl der kontrollierten Firmen von 27'000 auf 35'000 pro Jahr erhöht wird. Damit steigt der Druck auf Schweizer Firmen.

Denn heute werde zwar bereits jede zweite ausländische Firma überprüft, so Lampart, «in Kantonen wie Zug oder St. Gallen aber werden Schweizer Firmen kaum kontrolliert».
Dabei greifen auch solche Unternehmen kurzfristig auf Arbeitskräfte aus dem Ausland zurück – zu Dumpinglöhnen.

Mit Einführung der Personenfreizügigkeit beschloss die Schweiz 2004 flankierende Massnahmen. Seither wurden sie im Kampf gegen Lohndumping immer wieder verschärft. Das ist auch nötig: 2016 wurden bei jeder fünften Kontrolle zu tiefe Löhne festgestellt.

Gegen Lohndumping hilft nur der Vorschlaghammer

Wo gehobelt wird, fallen immer auch Späne. Auf den Schweizer Baustellen aber wird der Rechtsstaat in seinen Grundfesten erschüttert.

Ob die Post in Härkingen ein Paketzentrum erstellt, ob sich die Messe Basel einen Neubau gönnt, ob ein Grossverteiler im Aargau ein gigantisches Logistikzentrum hochzieht: Überall werden gravierende Fälle von Lohndumping aufgedeckt.

Jüngstes Beispiel ist das neue Tumor- und Organzentrum des Berner Inselspitals, die grösste Baustelle im Mittelland: Plattenleger aus Osteuropa werden hier mit Hungerlöhnen von 1500 Franken monatlich abgespeist, die Nächte verbringen sie auf dem Campingplatz.

Selbstverständlich zahlt das Berner Inselspital als Bauherr den gesetzlichen Mindestlohn. Den Löwenanteil davon freilich streichen ein lokaler Gewerbler und dessen Subunternehmer aus Italien ein. Zehntausende Steuerfranken dürften damit in die Kassen von Gaunern fliessen.

Es ist ja keineswegs so, dass es auf den Baustellen zu wenige Inspektionen gibt. Die Arbeitsmarktkontrolleure melden täglich Missbrauchsfälle. Bei den kantonalen Behörden und bei den Berufskommissionen der Baubranche fehlt dann aber das Personal, um all diesen Berichten nachzugehen.

Unzählige Fälle von Schwarzarbeit und Lohndumping werden also gar nicht erst verfolgt. Wird einer Meldung doch einmal nachgegangen, setzen die angeschuldigten Firmen ihre Arbeiter unter Druck, bis diese ihre Chefs 
decken. Und selbst wenn ausnahmsweise jemand verurteilt wird: Mehr als eine lächerliche Busse hat er nicht zu befürchten.

2014 sagten die Stimmbürger Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative der SVP. Seither sollten sich Wirtschaft und Politik die Hände schwielig arbeiten, um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Sie sollten zeigen, wie ernst sie die Ängste vor einer Verwahrlosung des Arbeitsmarkts nehmen. Noch so eine Volksinitiative, noch so eine Abschottungsdebatte kann sich unser Land nicht leisten.

Was aber haben die Verantwortlichen in den letzten drei Jahren effektiv getan? Hat man von einem umfassenden Aktionsplan unseres Wirtschaftsministers zur Bekämpfung von Lohndumping auf dem Bau gehört? Ja, hat das überhaupt jemand gefordert? Diskutiert man in Bundesbern darüber, dass die Selbstregulierung der Baubranche durch Arbeitgeber und Gewerkschaften im Kampf gegen skrupellose Menschenhändler offensichtlich nichts taugt?

All diese Aktionspläne, Forderungen, Debatten gibt es nicht. Nun dreht die Baubranche etwas an der Schraube. Man plant ein Verzeichnis der sauberen Unternehmen. Bauherren sollen sich informieren können, ob einer Firma zu trauen ist. Weit wird man damit nicht kommen: Im Kampf gegen Kriminelle braucht es keine Schraubenzieher. Es braucht den Vorschlaghammer.

Solange niemand das Problem entschieden genug angeht, fliegen auf den Schweizer Baustellen nicht nur die Späne. Solange stets neue, krasse Fälle von Lohndumping bekannt werden, wird das Vertrauen der Stimmbürger in Rechtsstaat, Politik und Wirtschaft immer weiter ausgehöhlt.

Gieri Cavelty: Chefredaktor SonntagsBlick
Gieri Cavelty: Chefredaktor SonntagsBlick
Paul Seewer

Wo gehobelt wird, fallen immer auch Späne. Auf den Schweizer Baustellen aber wird der Rechtsstaat in seinen Grundfesten erschüttert.

Ob die Post in Härkingen ein Paketzentrum erstellt, ob sich die Messe Basel einen Neubau gönnt, ob ein Grossverteiler im Aargau ein gigantisches Logistikzentrum hochzieht: Überall werden gravierende Fälle von Lohndumping aufgedeckt.

Jüngstes Beispiel ist das neue Tumor- und Organzentrum des Berner Inselspitals, die grösste Baustelle im Mittelland: Plattenleger aus Osteuropa werden hier mit Hungerlöhnen von 1500 Franken monatlich abgespeist, die Nächte verbringen sie auf dem Campingplatz.

Selbstverständlich zahlt das Berner Inselspital als Bauherr den gesetzlichen Mindestlohn. Den Löwenanteil davon freilich streichen ein lokaler Gewerbler und dessen Subunternehmer aus Italien ein. Zehntausende Steuerfranken dürften damit in die Kassen von Gaunern fliessen.

Es ist ja keineswegs so, dass es auf den Baustellen zu wenige Inspektionen gibt. Die Arbeitsmarktkontrolleure melden täglich Missbrauchsfälle. Bei den kantonalen Behörden und bei den Berufskommissionen der Baubranche fehlt dann aber das Personal, um all diesen Berichten nachzugehen.

Unzählige Fälle von Schwarzarbeit und Lohndumping werden also gar nicht erst verfolgt. Wird einer Meldung doch einmal nachgegangen, setzen die angeschuldigten Firmen ihre Arbeiter unter Druck, bis diese ihre Chefs 
decken. Und selbst wenn ausnahmsweise jemand verurteilt wird: Mehr als eine lächerliche Busse hat er nicht zu befürchten.

2014 sagten die Stimmbürger Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative der SVP. Seither sollten sich Wirtschaft und Politik die Hände schwielig arbeiten, um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Sie sollten zeigen, wie ernst sie die Ängste vor einer Verwahrlosung des Arbeitsmarkts nehmen. Noch so eine Volksinitiative, noch so eine Abschottungsdebatte kann sich unser Land nicht leisten.

Was aber haben die Verantwortlichen in den letzten drei Jahren effektiv getan? Hat man von einem umfassenden Aktionsplan unseres Wirtschaftsministers zur Bekämpfung von Lohndumping auf dem Bau gehört? Ja, hat das überhaupt jemand gefordert? Diskutiert man in Bundesbern darüber, dass die Selbstregulierung der Baubranche durch Arbeitgeber und Gewerkschaften im Kampf gegen skrupellose Menschenhändler offensichtlich nichts taugt?

All diese Aktionspläne, Forderungen, Debatten gibt es nicht. Nun dreht die Baubranche etwas an der Schraube. Man plant ein Verzeichnis der sauberen Unternehmen. Bauherren sollen sich informieren können, ob einer Firma zu trauen ist. Weit wird man damit nicht kommen: Im Kampf gegen Kriminelle braucht es keine Schraubenzieher. Es braucht den Vorschlaghammer.

Solange niemand das Problem entschieden genug angeht, fliegen auf den Schweizer Baustellen nicht nur die Späne. Solange stets neue, krasse Fälle von Lohndumping bekannt werden, wird das Vertrauen der Stimmbürger in Rechtsstaat, Politik und Wirtschaft immer weiter ausgehöhlt.

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Lohndumping: die Endlos-Serie

Täglich decken Kontrolleure Fälle von Lohndumping auf. Selbst bei bedeutenden Grossbaustellen der öffentlichen Hand stellen sie immer wieder Unregelmässigkeiten fest, so auf denen der Post in Bern und Härkingen SO oder der SBB in Zürich.

Auch Coop mit seinem Prestigeprojekt in Schafisheim AG fiel unangenehm auf. Für 600 Millionen baute der Grossverteiler hier das 2016 eröffnete Verteilzentrum – damals war es die grösste private Baustelle der Schweiz.

Zwei Mal geriet das Projekt wegen Lohndumping in die Schlagzeilen: 2015 berichtete SonntagsBlick, wie slowenische Elektromonteure einen Teil ihres Lohns nach Erhalt in bar zurückzahlen mussten. Bereits 2013 wurden Eisenleger auf der Baustelle gegen Dumpinglöhne beschäftigt.

Täglich decken Kontrolleure Fälle von Lohndumping auf. Selbst bei bedeutenden Grossbaustellen der öffentlichen Hand stellen sie immer wieder Unregelmässigkeiten fest, so auf denen der Post in Bern und Härkingen SO oder der SBB in Zürich.

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Zwei Mal geriet das Projekt wegen Lohndumping in die Schlagzeilen: 2015 berichtete SonntagsBlick, wie slowenische Elektromonteure einen Teil ihres Lohns nach Erhalt in bar zurückzahlen mussten. Bereits 2013 wurden Eisenleger auf der Baustelle gegen Dumpinglöhne beschäftigt.

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