Behörden-Irrsinn
Deutsche schikanieren Schweizer Chauffeure

Die Transportbranche fühlt sich von Deutschland schikaniert. Und fordert den Bundesrat zum Handeln auf.
Publiziert: 22.02.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 21:33 Uhr
Nur per Fax können ausländische Firmen den deutschen Behörden die Dokumente zustellen.
Von Christof Vuille

Die Transportbranche fühlt sich von Deutschland schikaniert. Und fordert den Bundesrat zum Handeln auf.

Es ist ein bürokratischer Dschungel, durch den sich Schweizer Transportunternehmen kämpfen müssen. Verantwortlich für den Behördenirrsinn ist der Mindestlohn in Deutschland. Dort gilt seit Anfang Jahr ein Minimalsalär von 8,50 Euro pro Stunde.

Der deutsche Mindestlohn gilt auch für ausländische Firmen, deren Büezer sich im grossen Kanton befinden – also zum Beispiel für Schweizer Chauffeure.

Fahren sie über die Grenze, muss die betroffene Firma im Vorfeld ein kompliziertes Formular ausfüllen, unterschreiben und an die Bundesfinanzdirektion West in Köln senden. Und zwar per Fax, anders ist die Kommunikation nicht möglich – auch nicht per Mail. Wer sich dem nicht fügt und erwischt wird, dem drohen hohe Bussen.

Der Papierkrieg bringt Adrian Amstutz (61), den Präsidenten des Nutzfahrzeugverbands Astag, zur Weissglut: «Die Löhne unserer Chauffeure sind mindestens doppelt so hoch wie der deutsche Mindestlohn. Dieser Beamtenwahnsinn ist absoluter Hafenkäse.» Viele Schweizer KMU-Betriebe stiessen mit der neuen Hürde an ihre administrativen Grenzen. Über 100 Firmen haben sich beim Astag beklagt, sagt SVP-Nationalrat Amstutz.

Rund 1000 Schweizer Chauffeure sind nach Astag-Schätzungen betroffen. Tatsächlich zeigt ein Blick in das Dickicht von Formularen, Verordnungen und Gesetzen: Das Ganze ist höllisch kompliziert.

Die Kommunikation mit den deutschen Behörden ist für die Chauffeure und deren Vertreter schwierig. E-Mails werden lange nicht beantwortet, und wenn, dann in für Nicht­juristen fast unverständlichem Beamtendeutsch.

Die Branche weiss nicht im Detail, was genau für wen gilt. Es herrscht Unsicherheit. Das Chaos dürfte mit dem hohen Tempo der Umsetzung der Mindestlohnbestimmungen zusammenhängen.

Tatsächlich heisst es sogar bei der Schweizer Botschaft in Berlin, dass «die deutschen Behörden weder ein noch aus wissen».

Diese Woche räumte sogar Kanzlerin Angela Merkel (60) ein, dass die Mindestlohn-Bürokratie gelockert werden müsse.

In einem Punkt hat Deutschland schon nachgegeben: Für den reinen Transitverkehr müssen Chauffeure mittlerweile keinen Lohnnachweis mehr erbringen – zumindest vorläufig. Grund: Die polnische Regierung hatte bei der deutschen Arbeitsministerin And­rea Nahles (44, SPD) heftig gegen die neuen Regelungen protestiert.

Ein solches Engagement erwartet die Transportbranche nun vom Bundesrat. Adrian Amstutz: «Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann muss sofort den Kontakt zu Frau Nahles suchen und eine Protestnote im Namen der Schweiz deponieren.» Auch Verkehrsministerin Doris Leuthard (51) sei gefordert, ihre Kontakte zu nutzen.

Das Wirtschaftsdepartement will sich aktuell nicht äussern. Die Bundesfinanzdirektion West reagierte nicht auf eine Anfrage von SonntagsBlick.

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