Bauern jubeln, Umweltschützer alarmiert über «Giftcocktails»
Leuthard will Glyphosat-Grenzwert ums 3600-fache erhöhen

Der Unkrautvernichter Glyphosat, der «wahrscheinlich krebserregend» ist, erregt die Gemüter. In dieser aufgeladenen Situation steuert das Bundesamt für Umwelt sogar noch eine Lockerung des Grenzwerts an.
Publiziert: 09.12.2017 um 11:51 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 02:40 Uhr
Umstrittener Unkrautvernichter: Auch Roundup enthält Glyphosat.
Foto: Reuters

Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) will den Grenzwert für Glyphosat in Bächen, Flüssen und Seen um das 3600-fache erhöhen. In Worten: Dreitausendsechshundert!

Aktuell steht der Grenzwert bei 0,1 Mikrogramm pro Liter Wasser, bald vielleicht bei 360. Sollte es soweit kommen, dürften die Schweizer Bauern ein Vielfaches an Glyhosat in die Landschaft spritzen, als sie es heute tun.

Glyphosat ist ein hochumstrittener Unkrautvernichter in der Landwirtschaft, der laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) «wahrscheinlich krebserregend» ist. Unter anderem die EU war jedoch zu einer anderen Einschätzung gelangt (BLICK berichtete).

Initiative dagegen steht schon

Den Erhöhungs-Plan hat das Bafu, dem Bundesrätin Doris Leuthard (54) als Umweltministerin vorsteht, in seinem erläuternden Bericht zur Teilrevision der Gewässerschutz-Verordnung publik gemacht. Das schreibt der «Tagesanzeiger».

Das Bafu von Umweltministerin Doris Leuthard will die Glyphosat-Grenzwerte massiv lockern.
Foto: ZURAB KURTSIKIDZE

Die Revision ist seit zwei Wochen in der Vernehmlassung. Bis Mitte März haben Kantone, Parteien und Verbände noch Zeit, dem Bundesamt ihre Meinung zum Projekt mitzuteilen. Dieses passt die Gesetzes-Pläne dann vielleicht daran an – vielleicht aber auch nicht.

Wer bestimmt Sturm laufen wird, sind die Umweltschützer: «Das ist ein Frontalangriff auf den Gewässerschutz», sagt Franziska Herren (50) über die Bafu-Pläne.

Sie steht hinter der Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Ernährung», die Mitte Oktober die 100'00-Unterschriften-Grenze geknackt hat und damit zustande kommt. Nimmt das Stimmvolk sie an, werden unter anderem Direktzahlungen an die Bauern an den Verzicht von Pestiziden gekoppelt.

Sorgt sich um das Schweizer Wasser: Franziska Herren.
Foto: Peter Mosimann

«Die Schweizer Bevölkerung will keine Landwirtschaft mit Giftcocktails», ist Herren überzeugt.

«Stärkt den Vollzug»

Glyphosat ist nicht das einzige Pestizid, für welches das Bafu die Grenzwerte massiv anheben will. Für zwei Dutzend andere gilt das gleiche. Für 12 umweltgefährdende Stoffe dagegen soll der Grenzwert gesenkt werden.

Warum das Ganze? Das Bafu argumentiert, das Schutzziel Ökologie sei in keiner Weise gefährdet. «Die differenzierte Betrachtung einzelner Stoffe stärkt den Vollzug», sagt Christian Leu, Chef der Sektion Wasserqualität. Sei ein Bach verschmutzt, könnten die Behörden nun zielgenau reagieren. Die neuen Grenzwerte hat man mittels wissenschaftlicher Studien festgelegt. 

Die Bauern sind erfreut über die Pläne: Markus Ritter (50), Präsident des Schweizer Bauernverbands und CVP-Nationalrat begrüsst , dass neu wissenschaftlich relevante und nachvollziehbare Werte gälten, schreibt der «Tagesanzeiger».

Der Schweizerische Verein des Gas- und Wasserfaches, der über die Trinkwasserqualität hütet, äussert sich dagegen sehr kritisch: Er fordert für Bäche, Flüssen und Seen die gleichen Grenzwerte wie für Trinkwasser – also 0,5 Mikrogramm pro Liter. «Für einen dauerhaften Schutz der Wasservorkommen dürfen nicht immer mehr Fremdstoffe ins Wasser gelangen.» (kst)

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