Oswald Grübel, Donald Trump ist US-Präsident. Kennen Sie ihn persönlich?
Als ich in den 80er-Jahren die Credit Suisse First Boston (bis 2006 die Investmentbank der CS – Red.) führte, klopfte er bei uns an. Er wollte, dass wir ihm eine Million Dollar zahlen, damit er mit uns Geschäfte macht. Das muss man sich mal vorstellen!
Wie reagierten Sie auf sein Millionen-Angebot?
Wir sagten: Sie haben etwas falsch verstanden – das geht andersrum. Aber er hat sich bei anderen Banken mit seinem Plan durchgesetzt. Dann mussten wir auch mitmachen. Er hatte damals schon ungewöhnliche Ideen und war ein sehr selbstbewusster Geschäftsmann.
Was halten Sie von Trump als Mensch?
Er ist nicht mein Typ. Er erscheint als ein Narzisst, sehr überheblich. Das heisst aber nicht, dass er nichts zustande bringen kann.
Seine Wahl freut die Börsen. Geht die Trump-Party jetzt erst richtig los?
Das wissen wir noch nicht. Aber wir haben bei früheren Präsidenten gesehen: Wenn der Markt vorher optimistisch war, hat er nach der Amtseinsetzung erst einmal negativ reagiert. Ich erwarte auch für dieses Jahr eine Marktkorrektur, die einige Zeit anhalten wird. Danach sollte es wieder aufwärtsgehen.
Trump verunsichert die Anleger mit scharfen Aussagen. Wie viel davon müssen wir für bare Münze nehmen?
Nichts! Seine erste Pressekonferenz war eine absolute Katastrophe. Ein normaler Präsident würde sich nie so äussern. Er ging auf keinen Punkt genau ein, äusserte frei seine Vorlieben.
Trumps Kritik an der Auto- und Pharmabranche schreckte zuletzt Investoren auf.
Man darf ihn nicht wörtlich nehmen. Seine Äusserungen sind Beispiele, die ihm gerade in den Sinn kommen, und sind nicht direkt auf die genannten Firmen und Branchen bezogen.
Ist die Globalisierung mit Trump am Ende?
Einen so grossen Trend kann man nicht von heute auf morgen stoppen. Die Globalisierung hat viel Gutes gebracht, auch wenn einige anderer Meinung sind. Es sind aber Tendenzen erkennbar, auch in Europa, dass man wieder national denkt.
In vielen westlichen Ländern hat die Mittelschicht von der Wertschöpfung der Globalisierung nicht viel profitiert. Die Resultate sind Trump, der Brexit oder Marine Le Pen.
Es gibt jetzt Versuche, die Nachteile der Globalisierung zu beheben. Aber die Vorteile überwiegen noch immer.
Welche Nachteile meinen Sie?
Die Nachteile sind immer national. Für die Schweiz und Deutschland ist die Globalisierung ein Vorteil, für Länder mit grossen Exportdefiziten ein Nachteil.
Steht ein Handelskrieg zwischen den USA und China bevor?
In kleinem Masse wird Trump vielleicht Schutzzölle auf chinesische Produkte hochziehen. Aber das sehe ich eher als Handelstaktik. Das Verhältnis USA-China muss man eher aus geopolitischer Sicht sehen, China fordert die USA heraus.
Trump will China als Währungsmanipulator brandmarken, weil es seine Währung künstlich schwäche und viel mehr in die USA exportiert, als es importiert. Deswegen haben die USA auch die Schweiz auf dem Radar. Gibt es für Schweizer Exporte in die USA bald Strafzölle?
Dafür ist die Schweiz nicht gross genug. Und wir exportieren Güter, die nicht so leicht ersetzt werden können. Beispiele sind der Maschinenbau oder die Kleinmechanik. Da haben die USA praktisch keine Wahl. Selbst mit Strafzöllen ginge kein Weg an Schweizer Produkten vorbei. China ist eine ganz andere Sache. Die US-Handelsbilanz mit China ist extrem negativ. Will Trump wiedergewählt werden, muss er etwas dagegen tun. Aber so schnell geht das nicht.
Wie wird es dem Dollarkurs unter Trump gehen?
Ich erwarte in den nächsten Monaten eine Erholung des Euros gegenüber dem Dollar. Damit würde auch der Franken gegenüber dem Dollar etwas stärker werden.
Was bedeutet das für unsere Wirtschaft?
Die Veränderungen werden nicht so stark sein, dass sie einen Einfluss auf unsere Exporte haben werden.
Wann waren Sie das letzte Mal in den USA?
2012, also schon lange nicht mehr. Früher war ich öfter da. Ich habe das Land gesehen, bin wochenlang gereist.
Was löst es in Ihnen aus, dass die USA so gespalten sind?
Damit sind die USA nicht allein. Man kann es den Wählern nicht übel nehmen, dass sie etwas Neues versuchen wollen. Viele wurden von den Eliten, die sie in den letzten Jahrzehnten vertreten haben, enttäuscht.
Der Brexit war auch so eine Unmutsbekundung.
Er war die richtige Entscheidung. Die Briten sind Insulaner, sie haben sich nie als Teil der EU gefühlt. Jetzt haben sie die Möglichkeit, zu beweisen, dass sie es besser können. Das Pfund ist etwas gestiegen, die Märkte nehmen den harten Brexit positiv auf und sehen die Chance für das Vereinigte Königreich. Aus dem Brexit kann eine grosse Erfolgsgeschichte werden.
Die UBS sagte diese Woche, dass sie 1000 Jobs aus London abziehen könnte.
Für den Finanzplatz London ist der Brexit ein kleiner Nachteil. Wer ohne Hindernisse in Europa geschäften will, muss in der EU sein. Doch London wird weiterhin das Finanzzentrum Europas sein. Frankfurt und Paris sind Lichtjahre davon entfernt.
Kann der Finanzplatz Zürich vom Brexit profitieren?
Nein, weil wir nicht in der EU sind. Zudem wären wir zu klein – es gibt gar nicht genug Büros, um Tausende weiterer Banker aufzunehmen.