Die Ausgangslage ist einfach: Rudolf Elmer gab mehrfach Daten mit Bankkunden an Steuerämter, Medien und WikiLeaks weiter. Das ist in mehreren Fällen unbestritten.
Doch wie dies juristisch zu bewerten ist, das ist nicht so einfach. Das Zürcher Obergericht muss nach den Plädoyers nun insbesondere zwei Fragen beantworten: Bei wem hat Elmer gearbeitet? Und wer ist dieser Elmer eigentlich?
Denn umstritten ist nach den beiden Prozesstagen, ob die Datenweitergabe überhaupt unter das Schweizer Bankgesetz fällt.
Elmer habe nicht bei der Bank Julius Bär in Zürich gearbeitet, sondern sei von einem selbständigen Ableger auf den Cayman Islands angestellt gewesen, brachte die Verteidigung vor. Und der 60-Jährige machte geltend, dass die Datenquelle gar keine Bank, sondern eine Treuhandgesellschaft gewesen sei. Es könne also gar keine Bankgeheimnisverletzung vorliegen, sagte Elmer.
Es komme auf die «betrieblich gelebte Wirklichkeit» an, meinte hingegen der zuständige Staatsanwalt in seinen Ausführungen. Der Cayman-Ableger habe dem Mutterkonzern zugedient. Nicht Elmer sei in die Karibik gereist, um dort einen Job zu suchen. Vielmehr sei er von der Bank und für die Bank dorthin geschickt und mit einer Aufgabe betraut worden.
Umstritten ist auch die Rolle des Ex-Bankers. Dass der 60-Jährige als «heldenhafter Whistleblower» agiert habe und sein Verhalten damit mit übergeordneten Gerechtigkeitsgründen rechtfertigen könnte, glaubt der Staatsanwalt nicht. Denn Elmer sei «ein ganz gewöhnlicher Verräter».
Über Jahre hinweg habe Elmer das System verkörpert. Erst nachdem er nicht mehr befördert und schliesslich entlassen worden sei, habe er dieses System angeprangert. «Der Beschuldigte hilft nicht aus Eigennutz und mit Zilvilcourage den Armen, sondern er führt nach seinem beruflichem Schiffbruch eine endlose Fehde.»
Einen grösseren Verrat als den Gang zu WikiLeaks, wo die Daten für jedermann und für immer einsehbar seien, gebe es nicht, sagte der Staatsanwalt. Das sei eine «globale Denunziation». Ein solcher Akt der Selbstjustiz rechtfertige keine Bagatellisierung.
Rudolf Elmer betonte indes vor Gericht: «Ich bin ein Whistleblower und wurde ein Opfer der Zürcher Justiz.» Der Schaden, den er erlitten habe, sei immens. «In unverantwortlicher, ungerechtfertigter Weise wurde mein Ruf geschädigt, mein Vermögen vernichtet und seit zehn Jahren eine Anstellung in der Schweiz verunmöglicht.»
Das Strafverfahren bezeichnete Elmer als «dubios» und sprach von «Psychoterror durch die Staatsanwaltschaft». Er sei völlig zu Unrecht von Januar bis Juli 2011 in Untersuchungshaft gesetzt worden. Der Druck der vergangenen Jahre habe zu bleibenden gesundheitlichen Schäden geführt.
Vor Obergericht werden zwei Berufungsverhandlungen geführt. Im ersten Fall wird Elmer insbesondere vorgeworfen, geheime Bankdaten an verschiedene Steuerämter und an Medien zugestellt zu haben.
Im zweiten Fall geht es vor allem um die im Januar 2008 erfolgte Datenlieferung an die damals noch unbekannte Enthüllungsplattform WikiLeaks. Zudem hat Elmer im Januar 2011 in London an einer vielbeachteten Medienkonferenz zwei CDs an WikiLeaks-Gründer Julian Assange übergeben.
Die Verteidigung fordert in beiden Fällen, dass der Ex-Banker von den Vorwürfen freigesprochen wird. Für die erlittene Haft und weitere Unbill soll der 60-Jährige angemessen entschädigt werden.
Die Staatsanwaltschaft verlangt unter anderem wegen mehrfacher Verletzung des Bankgeheimnisses Freiheitsstrafen von einem Jahr im ersten und dreieinhalb Jahren im zweiten Fall. Zudem soll ihm ein Berufsverbot auferlegt werden.
Das Obergericht zieht sich nun zur längeren Urteilsberatung zurück. Wann es das Urteil fällen und eröffnen wird, ist noch offen - es dürfte laut Gericht «irgendwann im Juli» sein.