Sie wählten den nominierten Guy Lachappelle mit deutlichem Mehr zum neuen Verwaltungsratspräsidenten von Raiffeisen Schweiz und genehmigten auch weitere Schritte für eine Reform der Raiffeisen-Gruppe.
Die Raiffeisen-Delegierten hätten die Weichen für die Zukunft gestellt, sagte der neue VR-Präsident im Anschluss an seine Wahl vor den Medien. Der frühere CEO der Basler Kantonalbank, der den seit März 2018 verwaisten Posten des Verwaltungsratspräsidenten übernimmt, versprach für seine neue Aufgabe "Engagement und Leidenschaft" sowie "Bereitschaft zur Veränderung".
Die 163 Delegierten von 246 Raiffeisenbanken wählten an der Versammlung in Brugg -Windisch zudem die nominierten Karin Valenzano Rossi, Andrej Golob, Thomas Müller und Beat Schwab in den Verwaltungsrat. Mit dem gleichzeitigen Rücktritt von drei bisherigen Mitgliedern umfasst der Verwaltungsrat damit keine Mitglieder aus der Ära des umstrittenen CEO Pierin Vincenz mehr.
Dagegen bleibt die Bankengruppe vorerst ohne einen Geschäftsleitungsvorsitzenden, nachdem der bisherige CEO Patrik Gisel am Freitagabend nach starkem medialem Druck seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte. Die Suche nach einem neuen CEO sei aber bereits fortgeschritten, sagte Vizepräsident Pascal Gantenbein, ohne allerdings einen Termin für eine Neubesetzung zu geben.
In einer von Gantenbein verlesenen schriftlichen Erklärung bestätigte Gisel seine Liebesbeziehung zu einer im Sommer zurückgetretenen Raiffeisen-Verwaltungsrätin. Diese habe aber bei deren Ausscheiden aus dem Gremium noch nicht bestanden, entsprechend habe es keine Interessenkonflikte gegeben. Entsprechende Untersuchungen von Raiffeisen hätten dies bestätigt, sagte Gantenbein.
Die Delegiertenversammlung erteilte der Raiffeisen Schweiz zudem ein Mandat, die nächsten Schritte des Reformprogramms "Reform 21" in die Wege zu leiten. Die einzelnen Banken erhoffen sich dabei nicht zuletzt mehr Einfluss und Mitsprache auf Gruppenebene, wie Kurt Sidler als Präsident der Koordinationsgruppe der Regionalverbände erklärte. Für eine Umwandlung der Dachgesellschaft Raiffeisen Schweiz in eine AG, die von der Finanzmarktaufsicht Finma vorgeschlagen war, gibt es allerdings laut Sidler an der Basis kaum Befürworter.
Genehmigt wurde von den Delegierten zudem das überarbeitete Vergütungssystem von Raiffeisen Schweiz. An der DV im Juni in Lugano hatte eine Lohnerhöhung für den Verwaltungsrat im Jahr 2017 für heftige Diskussionen gesorgt. Ab dem kommenden Jahr dürften die Vergütungen des Verwaltungsrats um rund 25 Prozent zurückgehen, stellte Vizepräsident Gantenbein nun in Aussicht.
Die unabhängige Untersuchung der Vincenz-Ära unter Führung des Wirtschaftsprofessors Bruno Gehrig, deren Zwischenresultat den Delegierten vorgestellt wurde, habe die aufsichtsrechtliche Beurteilung der Finma bestätigt. So sei die Raiffeisen-Gruppe in der Ära von CEO Pierin Vincenz mit Übernahmen sehr schnell gewachsen, ohne dass es angesichts des "dominanten CEO" angemessene Strukturen gegeben habe. "Es gab eine Hemdsärmligkeit, die sicher nicht angemessen war", sagte Gantenbein.
Detailliertere Erkenntnisse der Untersuchung, die Ende Jahr abgeschlossen werden soll, würden derzeit auch wegen laufender Untersuchungen der Staatsanwaltschaft nicht publiziert, hiess es. Auch die Erteilung der Décharge für die Raiffeisen-Verantwortlichen wurde ein weiteres Mal verschoben.
Gegen Pierin Vincenz läuft eine Strafuntersuchung der Zürcher Staatsanwaltschaft wegen möglicher ungetreuer Geschäftsbesorgung. Er könnte laut den Vorwürfen in seiner Zeit als Raiffeisen-CEO bei Firmenübernahmen der Kreditkartengesellschaft Aduno und der Investmentgesellschaft Investnet ein Doppelspiel gespielt und persönlich abkassiert haben. Vincenz war im Sommer wegen der Vorwürfe wochenlang in Untersuchungshaft gewesen.