Aymo Brunetti spricht über die neue Superbank
«Die UBS ist gut beraten, Teile abzuspalten»

Der Professor für Volkswirtschaftslehre und Vater des Too-big-to-fail-Gesetzes sieht mit Skepsis die Entstehung einer Superbank in der Schweiz.
Publiziert: 19.04.2023 um 13:40 Uhr
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Der Berner Wirtschaftsprofessor Aymo Brunetti befürwortet die Abspaltung von Geschäftsteilen der UBS.
Foto: EQ Images
Peter Rohner, «Handelszeitung»
Handelszeitung

Herr Brunetti, kurz nach der staatlich orchestrierten Übernahme der CS durch die UBS vor vier Wochen wehrten Sie sich gegen den Vorwurf, dass die Too-big-to-fail-Regulierung nichts gebracht habe. Wie stehen Sie heute dazu?
Aymo Brunetti: Auf jeden Fall etwas gebracht haben die höheren Kapital- und Liquiditätsanforderungen; sie haben die Grossbanken widerstandsfähiger gemacht. Ungeklärt ist, ob der zweite Teil der Regulierung – die Sanierung und Abwicklung – im Krisenfall funktioniert.

Die Tatsache, dass die CS nicht in Konkurs geschickt und abgewickelt wurde, genügt nicht?
Ich bleibe bei der Einschätzung, dass wir nicht abschliessend beurteilen können, ob und wie dieser Teil der Regulierung funktioniert, da im Fall der CS der letzte Schritt einer Abwicklung nicht gemacht wurde. Denn es gab eine Alternative, die nicht so weit ging. Anders als vor zehn Jahren gab es zwar ein Konzept zur Sanierung oder Abwicklung, aber man scheute sich davor, dieses anzuwenden – wohl auch, weil es noch nie getestet worden war. Aber aus meiner Sicht ist nicht belegt, dass die Abwicklung einer global tätigen Bank grundsätzlich nicht möglich ist.

Bewiesen ist es nicht, aber es leuchtet ein, dass es schwierig ist, wenn verschiedene Rechtsräume und nationale Regulatoren involviert sind und zum Beispiel die Schweizer Finma in den USA intervenieren müsste.
Das gilt es jetzt erst zu analysieren. Dass es schwierig ist, ist nicht zu bestreiten, aber meines Erachtens darf man das Konzept von der globalen Abwicklungsfähigkeit nicht vorschnell über Bord werfen. Ich bin froh, dass das Parlament nicht einfach drauflosreguliert, sondern ebenfalls zuerst analysieren will. Was das gesamte Regelwerk betrifft, darf man auch nicht vergessen, dass andere Bestandteile der Krisenbewältigung funktioniert haben.

Sie meinen, dass die CS nicht einfach mit Staatsgeldern gerettet wurde, sondern dass die Aktionäre und Anleihengläubiger Verluste trugen und es die CS nun nicht mehr gibt.
Ja, das ist ein grosser Unterschied zu den Bankrettungen in der Finanzkrise. Im Zuge der TBTF-Regulierung wurden zusätzliche Kapitalinstrumente wie die AT1-Anleihen eingeführt, die im Krisenfall Verluste absorbieren. Genau das ist bei der CS geschehen.

Wie gross ist dennoch der Frust darüber, dass ein Konzept, an dem sie selber über Jahre mitgearbeitet haben, im Ernstfall einfach nicht zur Anwendung kommt?
Ich wäre frustriert, wenn bei der Analyse effektiv herauskäme, dass es auch mit allfälligen Anpassungen des Konzepts nicht möglich ist, eine Bank wie die UBS global abzuwickeln.

Der Denker

Aymo Brunetti ist seit 2012 Professor am Departement Volkswirtschaftslehre der Universität Bern. Zuvor war er neun Jahre lang Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). In seiner Zeit führten die Bundesräte Pascal Couchepin, Joseph Deiss, Doris Leuthard und Johann Schneider-Ammann das zuständige Volkswirtschaftsdepartement. Eng war die Zusammenarbeit auch mit Walter Thurnherr, unter Leuthard Generalsekretär im Volkswirtschaftsdepartement.

Lanciert hatte Brunetti seine Karriere an der Universität Basel. Dort studierte er bei Silvio Borner Nationalökonomie, doktorierte 1992 und habilitierte 1996. 1994/95 verbrachte er ein Jahr in Harvard, gleichzeitig mit dem heutigen Nationalbank-Präsidenten Thomas Jordan. Später war er Lehrstuhlvertreter an der Universität Saarbrücken, wo er eng mit Christian Keuschnigg zusammenarbeitete. Dieser lehrt heute an der Universität St. Gallen.

Aymo Brunetti ist seit 2012 Professor am Departement Volkswirtschaftslehre der Universität Bern. Zuvor war er neun Jahre lang Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). In seiner Zeit führten die Bundesräte Pascal Couchepin, Joseph Deiss, Doris Leuthard und Johann Schneider-Ammann das zuständige Volkswirtschaftsdepartement. Eng war die Zusammenarbeit auch mit Walter Thurnherr, unter Leuthard Generalsekretär im Volkswirtschaftsdepartement.

Lanciert hatte Brunetti seine Karriere an der Universität Basel. Dort studierte er bei Silvio Borner Nationalökonomie, doktorierte 1992 und habilitierte 1996. 1994/95 verbrachte er ein Jahr in Harvard, gleichzeitig mit dem heutigen Nationalbank-Präsidenten Thomas Jordan. Später war er Lehrstuhlvertreter an der Universität Saarbrücken, wo er eng mit Christian Keuschnigg zusammenarbeitete. Dieser lehrt heute an der Universität St. Gallen.

Wie wahrscheinlich ist ein solches Ergebnis? Und was dann?
Ich mache keine Prognosen, das müssen die Leute eruieren, die näher dran und tagtäglich damit beschäftigt sind. Die Abwickelbarkeit bleibt das zentrale Ziel. Wenn man jedoch zum Schluss kommt, dass sie nicht möglich ist, muss man anders vorgehen und stärker eingreifen. Dann dürfen wir keine global systemrelevante Banken mehr zulassen.

Das heisst, Sie teilen die Meinung vieler Parlamentarierinnen und Parlamentarier, dass die UBS Geschäftsteile wie etwa die CS Schweiz abspalten soll?
Ja, die UBS ist gut beraten, Teile abzuspalten, angesichts des politischen Drucks, des drohenden Arbeitsplatzabbaus und der wettbewerbsrechtlichen Bedenken. Aber man kann sie nicht dazu zwingen. Denn das war nicht Teil des Deals.

Hat die Wettbewerbskommission dazu keine Handhabe?
Sie kann in diesem Fall selbst keine direkten Vorgaben machen, aber sie wird sicher in einer Stellungnahme klarmachen, wo sie Probleme mit der Marktmacht sehen würde. Das ist dann auch ein Hinweis darauf, wo sie in Zukunft allfälligen Marktmachtmissbrauch prüfen wird. Und hier hätte sie dann Interventionsmöglichkeiten.

Und was halten Sie von den höheren Eigenkapitalanforderungen für die UBS?
Höhere Kapitalquoten reduzieren die Wahrscheinlichkeit eines Bankenkollapses. Hält die Bank überdurchschnittlich viel ungewichtetes Eigenkapital, zum Beispiel 10 oder 20 Prozent, hält das Vertrauen in eine Bank länger, als wenn sie bloss 5 oder 6 Prozent Eigenkapitalquote hat. Aber ganz beseitigen lässt sich die Gefahr damit auch nicht. Solange die Möglichkeit besteht, dass die Bank das Vertrauen ihrer Kundschaft verliert, gibt es immer noch einen staatlichen Rettungszwang, falls man die Bank nicht aufspalten und abwickeln kann.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

Im Parlament werden auch gesetzliche Beschränkungen der variablen Vergütung in den Führungsetagen vorgeschlagen. Wie sinnvoll und realistisch ist das?
Ich verstehe den Frust, und es ist wichtig für die Akzeptanz des Finanzplatzes, dass das thematisiert wird. Und wenn es die Möglichkeit gibt, Boni zurückzufordern, bin ich dafür. Aber letztlich sind Boni-Regeln ein Nebenschauplatz. Sie ändern wohl zu wenig am Risikoverhalten der Managerinnen und Manager. Gegen das Moral-Hazard-Problem, dass die Banken und ihre Geldgeber wegen der impliziten Staatsgarantie zu leichtsinnig mit Risiken umgehen, hilft nur die Klarheit, dass die Bank im Krisenfall abgewickelt wird.

Müsste die Finma bissiger sein können und auch stärker präventiv eingreifen?
So zahnlos, wie zum Teil behauptet wird, ist die Finma im internationalen Vergleich gar nicht. Es gibt relativ viele Verfahren. Ob es möglich gewesen wäre, im Fall der CS schon im Herbst einzugreifen, wage ich zu bezweifeln. Der Aufschrei wäre gross gewesen. Dass sie fehlbare Manager einfacher büssen können soll, dagegen spricht wenig. Aber wie strengere Vergütungsvorschriften wird auch eine bissigere Finma das Kernproblem alleine nicht lösen.

Was halten Sie von der Idee, der SNB mehr Kompetenzen zu geben, damit sie mit einem Whatever-it-takes-Ansatz dezidierter eingreifen und zum Beispiel unbegrenzt Liquiditätshilfen sprechen könnte?
Das wäre konzeptionell falsch. Die Zentralbanken sind nur für Liquiditätsversorgung der Banken gegen gute Sicherheit zuständig. Alles darüber hinaus wäre eine Anmassung der SNB. Sobald es in Richtung Subvention geht und Steuergelder betroffen sind, ist es Sache des Bundes. Ein SNB-Präsident würde mit einem Whatever-it-Takes die Kompetenzen einer Zentralbank überschreiten.

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