Axpo-Verwaltungsrat Roland Eberle (62) über die Ausstiegs-Initiative
Hat die Atom-Lobby resigniert, Herr Eberle?

Schlechte Zeiten für AKW-Befürworter: In Umfragen spricht sich eine Mehrheit für die Atomausstiegs-Initiative der Grünen aus. Axpo-Verwaltungsrat Roland Eberle (SVP/TG) gibt Gegensteuer.
Publiziert: 08.11.2016 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:13 Uhr
Roland Eberle, Axpo-Verwaltungsrat und SVP-Ständerat für den Thurgau.
Foto: Keystone
Interview: Guido Schätti

BLICK: Die Atomausstiegs-Initiative der Grünen ist ein Geschenk des Himmels für die Strombranche. Sagt am 27. November eine Mehrheit Ja, können Axpo und Alpiq ihre unrentablen AKW stilllegen und auf Schadenersatz klagen.
Roland Eberle:
Das ist eine haltlose Unterstellung. Wir lehnen die Initiative klar ab. Einen chaotischen Ausstieg ab 2017 hätte allein bei der Axpo einen Verlust von 4,1 Milliarden Franken zur Folge. Als Verwaltungsrat setze ich alles daran, das zu verhindern. Auf Schadenersatz können wir nicht hoffen. Die Befürworter der Initiative stellen die Entschädigung so oder so in Frage.

Die Branche glaubt doch selbst nicht mehr an die Atomkraft. Alpiq möchte ihre AKW am liebsten verschenken. Ein Zeichen von Resignation.
Wenn das wirklich der Fall wäre, müsste Alpiq auch die Wasserkraftwerke verschenken. An der europäischen Strombörse kostet eine Kilowattstunde Strom 2,5 bis 4 Rappen. Kein einziges Werk kann zu diesem Preis Strom produzieren. Mit 4,5 bis 5 Rappen ist Atomstrom noch am günstigsten. Strom aus Wasserkraft kostet 5 Rappen, Windstrom 20 Rappen, Solarstrom 37 Rappen. Niemand würde in Solar- oder Windenergie investieren, wenn er nicht beim Staat die hohle Hand machen könnte. 

Politisch unter Druck steht aber der Atomstrom. Alpiq hat sogar ein PR-Büro engagiert, das dafür kämpfen soll, dass die AKW verstaatlicht werden.
Ich kenne die Vorwürfe nur aus den Medien. Falls sie zutreffen, fände ich dieses Vorgehen von Alpiq unternehmerisch falsch. 

Die Energiewende des Bundesrats kommt ohne AKW aus. Wäre ein Ausstieg nicht konsequent?
Nein, wirtschaftlich macht ein Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn. Jede verkaufte Kilowattstunde bringt einen Deckungsbeitrag an die Gestehungskosten. Der reicht zwar nicht, um alle Kosten zu decken, aber die Verluste sinken. Wenn man einen sicheren und sauberen Atomausstieg will, muss man jetzt Nein sagen.

Wann wird Atomstrom wieder rentabel?
Das ist extrem schwierig zu sagen. Der Preis für Öl, Kohle und CO2, aber auch das Wirtschaftswachstum und die Höhe der Subventionen für Ökostrom beeinflussen den Preis. Viele Experten sehen die Strompreise ab 2020 wieder steigen, weil dann KKW in Frankreich und Kohlekraftwerke in Deutschland vom Netz gehen.

Ein Gutachten von Ruedi Rechsteiner bezweifelt das.
Das ist ein Auftragsgutachten der Ausstiegsbefürworter. Dort wird unterschlagen, dass alle anderen konventionellen Stromquellen mindestens gleich teuer produzieren. Die Produktion von Wind- und Sonnenstrom kostet sogar das Fünf- bis Zehnfache.

Beznau ist das älteste AKW der Welt. Würden Sie mit einem Auto aus dem Jahr 1969 auf der Autobahn 130 km/h fahren?
Solche Vergleiche sind reines Polit-Marketing. Inhaltlich sind sie abwegig. Bei den technischen Anforderungen an unsere Werke und an neue Werke gibt es keinen Unterschied.

Experten sagen aber, ein altes AKW sei nie so sicher wie ein neues.
Technisch ist die Aussage nicht zulässig. Ein neues Werk, das schlecht gewartet ist, ist viel gefährlicher als ein altes Werk, das gut gewartet ist. Beznau zum Beispiel ist durch die Nachrüstungen in Milliardenhöhe heute sicherer als 1969. Es gibt Regelwerke mit Tausenden von Prüfpositionen. Ihre Einhaltung wird regelmässig von unabhängigen Instanzen geprüft. Bei der Sicherheit machen wir absolut keine Kompromisse.

Die Branche betont die Versorgungssicherheit. Aber Beznau 1 und 2 sind im letzten Winter auch nicht gelaufen. Dennoch ist nichts passiert.
In den letzten zehn Jahren haben wir im Winter immer Strom importiert. Bisher ging das gut, aber es gibt keine Garantie, dass das auch in Zukunft funktioniert. 

Jetzt malen Sie schwarz.
Überhaupt nicht. In den nächsten Jahren nimmt Deutschland weitere AKW und Kohlekraftwerke vom Netz. Dadurch werden sich Engpässe ergeben. Überall in Europa wird der Strom knapp. Wir haben keine Garantie, dass wir dann Strom erhalten. Die EU verweigert in erpresserischer Art den Abschluss eines Energieabkommens mit der Schweiz.

Aber erneuerbare Energien gibt es doch im Überfluss.
Aber nur zu Zeiten, in denen dieser Strom nicht gebraucht wird. Der Marktwert des Stroms aus Fotovoltaik liegt bei elf Prozent der Gestehungskosten, von Windkraft bei 25 Prozent. Um die Netze stabil zu halten, brauchen wir Bandenergie. Wenn wir unsere AKW unnötigerweise abschalten, werden wir Atom- oder Kohlestrom aus dem Ausland importieren müssen. Der Strom in Deutschland ist aber doppelt so teuer wie bei uns. Ich bezweifle, dass die Schweizer Konsumenten bereit sind, dies zu zahlen.

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