Ein Interview mit dem Präsidenten von Auto-Schweiz geht standesgemäss in einer Autobahnraststätte über die Bühne. François Launaz fährt bei der Gaststätte Grauholz mit einem grossen SUV vor – betrieben wird das Gefährt mit Elektrizität. «Es hat null Emissionen», lacht Launaz. Und wie steht er dazu, dass ältere Männer mit SUV tendenziell eher zu schnell unterwegs sind? Er sei bisher erst zwei Mal wegen zu schnellen Fahrens gebüsst worden. «Das letzte Mal musste ich zwanzig Franken Busse bezahlen, irgendwo bei einer Autobahn-Baustelle und das war mit meinen aktuellen Wagen, der eine automatische Geschwindigkeitsbegrenzung hat, also von selbst abbremsen sollte.»
SonntagsBlick: Herr Launaz, wir leben im Zeitalter der Klimadebatte. Gibt es Ihre Branche in zwanzig Jahren noch?
François Launaz: Ja, denn unsere Priorität ist zurzeit die saubere Mobilität – dieser Wandel muss relativ schnell passieren. Nun kommen viele neue Modelle auf den Markt. So wollen wir im neuen Jahr zehn Prozent Elektrofahrzeuge im Gesamtverkauf erreichen – zurzeit sind es fünf Prozent. Bis 2030 wollen wir 50 Prozent E-Mobilität erreichen. Denn gleichzeitig glaube ich: Die individuelle Mobilität wird es immer geben. Wir leben immer länger, wir haben immer mehr Freizeit. Deshalb ist ein Leben ohne individuelle Mobilität für mich kaum denkbar.
Wie wollen Sie den Anteil von E-Autos erhöhen? Befürworten Sie Kaufprämien für E-Autos, wie sie der Kanton Thurgau kennt?
Zugegeben: Ich war am Anfang skeptisch. Doch der Thurgau zeigt, dass der Anreiz funktioniert. Die dortige Prämie von 4000 Franken liess die E-Auto-Verkäufe hochschnellen. Warum also nicht?
Und woher soll der viele Strom für die E-Autos kommen?
Tatsächlich diskutieren wir seit zehn Jahren über die E-Mobilität, doch wir produzieren hierzulande bloss drei Prozent Sonnen- oder Windenergie. Wir sind ein Entwicklungsland, was die grüne Energie betrifft.
Hat die Autoindustrie mit der Entwicklung des Dieselmotors nicht zu lange aufs falsche Pferd gesetzt?
Nennen Sie mir eine Branche, die vor 15 Jahren ihre Technologie wegen des Klimawandels neu angesetzt hat – das war damals schlicht noch kein Thema. Die Autoindustrie hat massiv in die Sicherheit investiert. Sie konnte den Verbrauch der Verbrennungsmotoren drastisch senken. Klar, wir hätten vorher umschwenken können. Aber für uns war das damals noch kein prioritäres Ziel – heute sieht das anders aus. Das Wichtigste aber ist: Man muss ein vernünftiges Mass an individueller Mobilität erreichen.
Wie stellen Sie sich das vor?
Es braucht eine bessere Verknüpfung von Strasse und ÖV. Ein Beispiel: Wollten wir den Individualverkehr um zehn Prozent verringern, müssten wir die Zahl der Züge verdoppeln – das ist nicht realistisch. Man muss die verschiedenen Arten der Mobilität besser verzahnen. Denn der Krieg, Auto gegen ÖV, der ist nicht zu gewinnen.
Welcher Krieg?
Der Krieg der Grünen gegen das Auto. Ein von den Grünen eingereichter Vorstoss verlangt ein Verbot von Autos in den Städten, die schwerer sind als 1,5 Tonnen. In der Konsequenz bedeutet dies aber faktisch ein Verbot von Elektrofahrzeugen in der Stadt, denn die sind oft schwerer als die Verbrenner. Was wollen also die Grünen? Alle Autos verbieten? Es muss doch möglich sein, zusammen einen Plan für die Mobilität der Zukunft zu entwickeln ohne solch unüberlegte Schnellschüsse.
Wir müssen unsere Mobilität überdenken. Was denken Sie: Warum ist das nicht längst passiert?
Es fängt schon beim Grundsätzlichen an. Schauen sie, wie die Politik organisiert ist: Es gibt ein Bundesamt für Verkehr, das sich ausschliesslich um den ÖV kümmert. Daneben gibt es das Bundesamt für Strassen. Warum gibt es kein Bundesamt für Transport? Wenn alle unter einem Dach sich Gedanken über die Mobilität in der Schweiz machen würden, wäre das schon ein grosser Fortschritt.
Was glauben Sie, warum legt man die Ämter nicht zusammen?
Die Politik will das nicht. Man spürt das, wenn man mit dem Direktor des Bundesamts für Strassen oder jenem des Bundesamts für Verkehr spricht. Die beiden Ämter werden nicht gleich behandelt. Das ist nicht gut. Warum sollten Schiene und Strasse unterschiedlich gewichtet werden? Wir müssen doch die Probleme gemeinsam lösen.
Was wäre für Sie eine Lösung im Kampf gegen überfüllte Züge und verstopfte Autobahnen?
Entlastung bringt etwa Homeoffice. Einer unserer Mitarbeiter wohnt in Winterthur. Er arbeitet zwei Tage in der Woche von zu Hause aus. Das ist für uns kein Problem. Er ist zufrieden und leistet trotzdem sein Pensum – ist dafür aber weniger auf der Strasse. Das andere Modell ist die Teilflexibilität: Unser Direktor wohnt in Solothurn und ist oft schon vor 7 Uhr morgens im Büro anzutreffen – so umgeht er den Pendlerverkehr. Dafür ist er schon um 16 Uhr mit der Arbeit fertig.
Sie lancieren jetzt eine Kampagne «Mein Autogramm». Darin schildern Prominente, aber auch ganz normale Leute, warum das Auto in ihrem Leben so wichtig ist. Hat das Auto einen so schlechten Ruf?
Wir haben uns überlegt: Wollen wir die Grünen im Parlament bekämpfen? Oder zeigen wir, dass Autofahrer ganz normale Menschen sind – die halt einfach aus verschiedenen Gründen aufs Auto angewiesen sind. Wir möchten zeigen, dass die Leute heute immer noch aufs Auto angewiesen sind – auf ein grosses oder ein kleines Auto, je nach ihren Bedürfnissen. Viele Leute in der Stadt wollen, dass alle auf ein Auto verzichten. Doch die Lebensrealität vieler Menschen auf dem Land sieht so aus, dass sie auf ein Auto angewiesen sind.
Trotzdem bleibt die Mobilität Treiberin des Klimawandels …
Klar, das wissen wir. Wir sind eine Branche, die der Umwelt schadet. Aber wir machen viel: Unsere Industrie wird in Europa im kommenden Jahrzehnt 500 Milliarden in die Entwicklung von neuen Technologien investieren. Warum tun wir dies: Weil wir wissen, dass wir so nicht weitermachen können. Wenn wir weiter Autos verkaufen wollen, müssen wir in saubere Antriebe investieren.
Was bedeutet der Wandel für die Garagisten in der Schweiz?
Ich habe bei meinem Wagen nachgeschaut: Nächster Service ist in 571 Tagen – E-Fahrzeuge sind viel weniger wartungsintensiv. In der Folge werden Mechaniker weniger zu tun haben. Auch sie müssen sich anpassen, mit neuen Geschäftsmodellen, etwa Carsharing.
In der Schweiz und in Liechtenstein sind im vergangenen Jahr 311'466 neue Personenwagen auf die Strassen gekommen – das sind 3,9 Prozent mehr als im Vorjahr. 2019 verfügte erstmals mehr als jedes zehnte neue Auto über einen alternativen Antrieb.
Der Anteil von Elektro-, Hybrid-, Gas- und Wasserstoff-Modellen lag insgesamt bei 13,1 Prozent. Der Anteil der am Stromnetz aufladbaren Modelle hat 2019 mit 5,6 Prozent einen neuen Höchstwert erreicht.
Rein elektrische Personenwagen konnten ihren Marktanteil von 1,7 Prozent im Vorjahr auf 4,2 Prozent mehr als verdoppeln. Angesichts der ab diesem Jahr strengeren CO2-Vorschriften rechnet Auto-Schweiz mit einem weiteren Anstieg des Alternativ-Marktanteils. Die Vereinigung der Automobil-Importeure geht für dieses Jahr von einer knappen Verdopplung des Stecker-Marktanteils auf rund zehn Prozent aus.
In der Schweiz und in Liechtenstein sind im vergangenen Jahr 311'466 neue Personenwagen auf die Strassen gekommen – das sind 3,9 Prozent mehr als im Vorjahr. 2019 verfügte erstmals mehr als jedes zehnte neue Auto über einen alternativen Antrieb.
Der Anteil von Elektro-, Hybrid-, Gas- und Wasserstoff-Modellen lag insgesamt bei 13,1 Prozent. Der Anteil der am Stromnetz aufladbaren Modelle hat 2019 mit 5,6 Prozent einen neuen Höchstwert erreicht.
Rein elektrische Personenwagen konnten ihren Marktanteil von 1,7 Prozent im Vorjahr auf 4,2 Prozent mehr als verdoppeln. Angesichts der ab diesem Jahr strengeren CO2-Vorschriften rechnet Auto-Schweiz mit einem weiteren Anstieg des Alternativ-Marktanteils. Die Vereinigung der Automobil-Importeure geht für dieses Jahr von einer knappen Verdopplung des Stecker-Marktanteils auf rund zehn Prozent aus.