Darum gehts
- Noel Quinn wird nächste Woche neuer Verwaltungsratspräsident von Julius Bär
- Quinn spricht kein Deutsch, was für einen Schweizer Bankchef problematisch ist
- 49 Prozent der Konzernleitungsmitglieder in Schweizer Unternehmen besitzen keinen Schweizer Pass
Nächste Woche wird Noel Quinn (63) neuer Verwaltungsratspräsident der zweitgrössten Schweizer Privatbank nach der UBS. Seine Wahl ins höchste Leitungsgremium von Julius Bär gilt als sicher. Doch wer ist dieser Mann eigentlich? Die Antwort: ein irischstämmiger Brite, der 37 Jahre lang für die britisch-chinesische Grossbank HSBC arbeitete. Sir Noel – König Charles III. erhob ihn vor wenigen Monaten in den Adelsstand – kennt das sogenannte Kommerzgeschäft, also Bankgeschäfte für Unternehmen, aus dem Effeff.
Im Private Banking, wo Julius Bär aktiv ist, kennt er sich nicht aus. Noch viel weniger kennt er die Schweiz. Trotzdem wurde er von Headhuntern nach Zürich gelotst. Die Bank erhöhte bereitwillig seine Entschädigung, um Quinn den Weg von London in die Schweizer Provinz zu versüssen. Er wird rund das Doppelte verdienen wie sein Vorgänger Romeo Lacher (64), notabene ein Schweizer, der über das Millionen-Debakel mit dem inzwischen in Haft genommenen René Benko (47) stolperte.
Quinn ist zweifellos ein Schwergewicht der europäisch-asiatischen Bankenszene. Doch ob er sich auch als guter Lenker von Julius Bär erweist – und ob er sein Geld wert ist –, werden die Aktionäre in den nächsten Jahren in ihrem Portemonnaie sehen. «Ein Problem ist, dass Quinn kaum ein Wort Deutsch spricht und sich auch in keiner anderen Landessprache ausdrücken kann», sagt ein Beobachter.
Für viele Topmanager, die in den Teppichetagen von Schweizer Grosskonzernen wirken, mag die fehlende Kenntnis einer Landessprache kein Problem sein. Für einen Banker ist es das schon – gerade für den obersten Verantwortungsträger von Julius Bär. Er wird Verwaltungsratspräsident einer Bank, die aufgrund zahlreicher Flops und Pannen in ständigem Austausch mit der Finanzmarktaufsicht (Finma) steht. Das Enforcement-Verfahren in Sachen Benko hat erst gerade begonnen. Eine möglichst reibungslose Kommunikation, mündlich wie schriftlich, wäre daher zentral.
Peinliche Ausländerdichte bei den Banken
Mit den gleichen Problemen kämpft auch Colm Kelleher (67), Verwaltungsratspräsident der UBS. Wenn es wie gerade jetzt darum geht, den Schweizer Politikern und der Bevölkerung aufzuzeigen, weshalb die allzu strenge Regulierung der Grossbank schaden könnte, wäre das Wort des obersten Angestellten gefragt. Nur in angelsächsischen Kreisen für die UBS zu lobbyieren, ist nicht genug. Es spricht Bände, dass die UBS Markus Ronner, ein Mitglied der Geschäftsleitung, in die «Arena» des Schweizer Fernsehens schickte. Dass sogar Schweizer Geldhäuser zunehmend von ausländischen Bankern geführt werden, ist für ein Land, von dem das Private Banking gewissermassen erfunden wurde, einigermassen peinlich.
Einen starken Schweiz-Bezug zu haben, mag für andere Konzerne weniger wichtig sein – etwa für Nestlé, dessen Verwaltungsrat mit Paul Bulcke (70) seit Jahren von einem Belgier geführt wird. Er, der sich vor kurzem einbürgern liess, machte mit Laurent Freixe (62) einen Franzosen zum Chef des grössten Nahrungsmittelmultis der Welt. In der 18-köpfigen Geschäftsleitung gibt es zwei Schweizer.
Die aktuelle Ausgabe des Schillingreports, der die Zusammensetzung von Geschäftsleitungen der 100 grössten Schweizer Unternehmen untersucht, kommt zum Schluss, dass der Ausländeranteil in Schweizer Geschäftsleitungen noch nie so hoch war wie 2025. Mittlerweile haben 49 Prozent der Konzernleitungsmitglieder keinen Schweizer Pass. Bei den Neueinstellungen ist der Ausländeranteil noch höher: Laut Schillingreport liegt er aktuell bei 63 Prozent.
Doch diese Zahl verschleiert die dramatische Entschweizerung der Topkonzerne des Landes, also ausgerechnet jener Unternehmen, die das grösste Gewicht und die meisten Angestellten haben. In den Top fünf der Konzerne im Leitindex SMI kommen CEO und Verwaltungsratspräsident aus dem Ausland, bei Nestlé, Roche, Novartis, Zurich und Richemont.
Ermotti – home alone
Die einzigen beiden Top-Ten-Konzerne mit einem Schweizer Topmanager sind ABB mit dem Aargauer Peter Voser (66) und UBS mit dem Tessiner CEO Sergio Ermotti (64). Der Rückgang wurde zuletzt deutlicher: Als Sergio Ermotti von Swiss Re zur UBS wechselte, übernahm dort ein Belgier das Präsidium. Beim Rückversicherer wurde zudem der Schweizer CEO durch einen Deutschen ersetzt. Beim Zementriesen Holcim übergab der Schweizer Beat Hess das Präsidium einem Deutschen, der wiederum einen Australier zum CEO machte. Swiss Life und Swisscom sind die einzigen Unternehmen im SMI, die auf Stufe Verwaltungsrat und Konzernleitung von Schweizern geführt werden.
Wirtschaftsvertreter argumentieren zumeist, ein internationales Management reflektiere die Grösse des Heimmarkts. Es stimmt zwar, dass Nestlé beispielsweise von total 91 Milliarden Franken weltweit in der Schweiz lediglich eine Milliarde Umsatz macht. Allerdings werden hier die Rahmenbedingungen ausgehandelt, die für den Gesamtkonzern von zentraler Bedeutung sind. Und: Im System der direkten Demokratie haben die Stimmbürger nun mal das letzte Wort. Grosskonzerne müssen sich nicht wundern, wenn die Bevölkerung sie buchstäblich nicht mehr versteht.
Diese Schweizer Eigenheit führt auch dazu, dass Konzernchefs sich kaum mehr politisch engagieren. Magdalena Martullo (55), zugleich eine der ganz wenigen Frauen, die einen Konzern leitet, ist da eine Ausnahme.