Aus Angst um ihr Vermögen
Pensionskassen heizen Bauboom an

Der Wohnungsleerstand in der Schweiz wächst. Trotzdem wird weitergebaut. Das lohnt sich vor allem für Versicherungen und Pensionskassen.
Publiziert: 03.02.2019 um 23:26 Uhr
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Aktualisiert: 09.04.2019 um 16:38 Uhr
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Trotz wachsendem Wohnungsleerstand wird in der Schweiz, hier in Weiach ZH, weitergebaut.
Foto: Philippe Rossier
Maren Meyer
Maren MeyerWirtschafts-Redaktorin

Leerstandsrekord in der Schweiz: Über 72'000 Wohnungen finden keine Bewohner. Die UBS prognostiziert sogar einen Anstieg auf rund 80'000 leere Wohnungen bis Ende 2019. Und trotz wachsenden Leerstands wird weitergebaut – auch in Regionen und Gemeinden, die eine Leerstandsquote von über fünf oder sogar sechs Prozent verzeichnen, wie zum Beispiel in Mellingen AG (6,3%) oder Birr AG (5,4%).

Zwar hat die Bautätigkeit in der Schweiz im Vergleich zu 2017 nachgelassen. Im dritten Quartal 2018 wurden im Wohnungsbau rund 20 Prozent weniger Bauvolumen bewilligt als in der Vorjahresperiode. Von einem Einbruch kann jedoch keine Rede sein. Die Herausgeber des Schweizer Bauindex sprechen lediglich von einer Stabilisierung. Die Projektpipeline bleibe prall gefüllt und zuletzt seien auch die Auftragseingänge wieder gestiegen.

Das Sorgenkind bleibt der Wohnungsbau – jede vierzigste Mietwohnung steht mittlerweile leer. Die Prognose für 2019: Es werden mehr Mietwohnungen auf den Markt kommen als gebraucht werden. In den vergangenen zwölf Monaten wurden über 54'000 Baugesuche für Wohnungen eingereicht.

Keine Rendite ist besser als eine negative Rendite

Der Hauptgrund für den Bauboom der letzten Jahre: Das andauernde tiefe Zinsumfeld treibt reiche Schweizer und institutionelle Anleger wie Versicherungen und Pensionskassen auf der Jagd nach Rendite in den Immobilienmarkt.

«Sie haben viel Cash, das sie sonst zu Negativzinsen anlegen müssten», sagt Adrian Wenger (46) vom VZ Vermögenszentrum. Dieses Geld in Immobilien zu investieren, lohne sich – auch bei hohem Leerstand. «Selbst wenn es null Prozent Rendite gibt, ist das immer noch besser als Minuszinsen», erklärt Wenger.

Und da kaum eine Liegenschaft zu hundert Prozent leerstehe, fiele immer noch genug Gewinn ab, um die laufenden Kosten zu decken. Ob die Liegenschaft in einem Randgebiet oder einer Gemeinde mit hoher Leerstandsquote liege, spiele dabei oft keine Rolle.

Risiko durch hohe Rentenzahlungen

Jeder Schweizer, der Land besitzt, darauf baue und es dann weiterverkaufe, fände bei den Pensionskassen und Versicherungen garantiert einen Abnehmer – selbst wenn der Verkaufspreis weit über dem Preis liege, den private Anleger zahlen würden, sagt der Experte.

Doch die Pensionskassen müssen immer erfinderischer werden. Denn obwohl der Leerstand wächst, sind die Mehrfamilienhäuser auf dem Markt so gut wie aufgekauft. Die Möglichkeit, hier Gelder anzulegen, sinkt. Zudem sind kleine Mehrfamilienhäuser als Anlageobjekte kaum relevant. «Ab einem Investitionsvolumen von acht Millionen ist ein Kauf interessant.»

Käme es nun zu hohen Rentenauszahlungen, wären die Pensionskassen gezwungen, Liegenschaften zu verkaufen. Im schlimmsten Fall würde der Markt mit Immobilien überflutet, die dann keine Abnehmer fänden. «Dann würde die Blase platzen», sagt Wenger. Dass es in den nächsten Jahren so weit kommt, sei aber unwahrscheinlich.

Druck durch aggressive Mietzinse

Geht es um Mietzinsausfälle durch hohe Leerstände, haben Pensionskassen einen längeren Atem als Schweizer Hausbesitzer. «Sie investieren auf lange Sicht und können schwierigere Zeiten aussitzen», erklärt Claudio Saputelli (49), Immobilienexperte bei der UBS.

Zudem könnten sie im Vergleich zu privaten Anbietern mit aggressiven Mietzinsen den Markt unter Druck setzen und so den Wettbewerb gewinnen. Mit anderen Worten: Mietzinssenkungen machen ihnen wenig aus.

Zinskorrekturen werden kommen

«Der Anlagenotstand der Pensionskassen führt zu einer Teilung des Marktes», sagt der Experte der UBS. Verlierer seien kleine, private Investoren, die mit ihren oft alten Objekten nicht mehr konkurrenzfähig sind.

Zudem besteht die Gefahr eines Zinsanstiegs. «Als die Negativzinsen kamen, erhöhten sich die Preise für Mehrfamilienhäuser schlagartig um 15 Prozent.

Reserven der Pensionskassen schrumpfen

Seit der Finanzkrise vor zehn Jahren ist 2018 bisher das schwächste Anlagejahr. Besonders Schweizer Pensionskassen bekamen die Negativzinsen zu spüren. Das schreibt Swisscanto im aktuellen Pensionskassen-Monitor, für den insgesamt 535 Vorsorgeeinrichtungen mit einem Vermögen von insgesamt 680 Milliarden Franken teilnahmen.

Berechnungen zeigen: Ihre Reserven haben sich 2018 halbiert. Dennoch bestehe kein Grund zur Sorge, die Verpflichtungen seien weiterhin voll gedeckt.

Der Blick auf die verschiedenen Anlageklassen wie Aktien oder Anleihen zeigt: Ausser bei Frankenobligationen (+0,07 %) und Schweizer Immobilien (+0,35 %) wiesen die Pensionskassen negative Renditen aus.

Auch die Auswertung der UBS zur Pensionskassen-Performance vom Januar 2019 zeigt, dass sich die Geldanlage in Renditeliegenschaften lohnt: Für das Gesamtjahr 2018 wiesen sie in der durchschnittlichen Jahresperformance ein Plus von 2,68 Prozent aus. Im Vergleich dazu standen Schweizer Anleihen mit 0,14 Prozent und Schweizer Aktien mit –9,41 Prozent Rendite deutlich schlechter da.  Maren Meyer

Seit der Finanzkrise vor zehn Jahren ist 2018 bisher das schwächste Anlagejahr. Besonders Schweizer Pensionskassen bekamen die Negativzinsen zu spüren. Das schreibt Swisscanto im aktuellen Pensionskassen-Monitor, für den insgesamt 535 Vorsorgeeinrichtungen mit einem Vermögen von insgesamt 680 Milliarden Franken teilnahmen.

Berechnungen zeigen: Ihre Reserven haben sich 2018 halbiert. Dennoch bestehe kein Grund zur Sorge, die Verpflichtungen seien weiterhin voll gedeckt.

Der Blick auf die verschiedenen Anlageklassen wie Aktien oder Anleihen zeigt: Ausser bei Frankenobligationen (+0,07 %) und Schweizer Immobilien (+0,35 %) wiesen die Pensionskassen negative Renditen aus.

Auch die Auswertung der UBS zur Pensionskassen-Performance vom Januar 2019 zeigt, dass sich die Geldanlage in Renditeliegenschaften lohnt: Für das Gesamtjahr 2018 wiesen sie in der durchschnittlichen Jahresperformance ein Plus von 2,68 Prozent aus. Im Vergleich dazu standen Schweizer Anleihen mit 0,14 Prozent und Schweizer Aktien mit –9,41 Prozent Rendite deutlich schlechter da.  Maren Meyer

Zersiedelungs-Initiative soll Bauboom Riegel schieben

Die Investitionen der Pensionskassen in Liegenschaften sind für die Arbeitnehmer ein Segen. Höhere Renditen bedeuten für sie eine sicherere Rente. Doch die Jagd der Vorsorgeeinrichtungen nach lohnenswerten Anlagen hat auch ihre Schattenseite – und zwar eine politisch hochaktuelle. Das Stichwort: Zersiedelung. 

Nächsten Sonntag stimmt die Schweiz über die Zersiedelungs-Initiative der Jungen Grünen ab, die die Grösse der Bauzonen in der Schweiz einfrieren will. Für Luzian Franzini, Co-Präsident der Jungpartei, zeigt der Fall der Pensionskassen, wie nötig die Initiative ist. «Dass die Niedrigzinsen zu einem solchen Bauboom führen, ist nur möglich, wenn die Raumplanung versagt», ist Franzini überzeugt.

Überdimensionierte Bauzonen und das Wissen, jederzeit weiter einzonen zu können, führten zu Fehlanreizen. Bei einem Ja zur Initiative aber hätten Gemeinden und Kantone kein Interesse mehr, «ihre Baulandreserven für Bauprojekte zu verschwenden, für welche die Nachfrage gar nicht vorhanden ist». Lea Hartmann

Die Investitionen der Pensionskassen in Liegenschaften sind für die Arbeitnehmer ein Segen. Höhere Renditen bedeuten für sie eine sicherere Rente. Doch die Jagd der Vorsorgeeinrichtungen nach lohnenswerten Anlagen hat auch ihre Schattenseite – und zwar eine politisch hochaktuelle. Das Stichwort: Zersiedelung. 

Nächsten Sonntag stimmt die Schweiz über die Zersiedelungs-Initiative der Jungen Grünen ab, die die Grösse der Bauzonen in der Schweiz einfrieren will. Für Luzian Franzini, Co-Präsident der Jungpartei, zeigt der Fall der Pensionskassen, wie nötig die Initiative ist. «Dass die Niedrigzinsen zu einem solchen Bauboom führen, ist nur möglich, wenn die Raumplanung versagt», ist Franzini überzeugt.

Überdimensionierte Bauzonen und das Wissen, jederzeit weiter einzonen zu können, führten zu Fehlanreizen. Bei einem Ja zur Initiative aber hätten Gemeinden und Kantone kein Interesse mehr, «ihre Baulandreserven für Bauprojekte zu verschwenden, für welche die Nachfrage gar nicht vorhanden ist». Lea Hartmann

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