Nichts hält die Schweiz stärker zusammen als die AHV. Junge zahlen Alten die Rente – so wie die es taten, als sie selber jung waren. Ein Mechanismus, den niemand ernsthaft hinterfragt. Und ein Sozialwerk, das zu den grössten Errungenschaften des Landes zählt.
Doch jetzt ist Feuer im Dach. Die AHV wird plötzlich in Frage gestellt. Von einer jungen Generation, die nicht mehr ganz an die Zukunft des Sozialwerks glaubt. «Den Jungen wird es irgendwann zu dumm. Sie sind nicht bereit, in ein System einzuzahlen, von dem sie nichts zurückbekommen», warnt Benjamin Fischer (25), Präsident der Jungen SVP Schweiz.
«Heute ist die AHV ein Schneeballsystem», wettert auch Yvonne Ruckli (25), Präsidentin der Jungfreisinnigen Luzern.
In zwei Wochen stimmt die Schweiz über die AHV-plus-Initiative ab. Die verlangt zehn Prozent mehr AHV-Rente für alle. Ein sympathisches Anliegen, das vor allem den Rentnern helfen soll, die mit wenig Geld über die Runden kommen müssen. Doch die Forderung schreckt die Jungen auf. Mit Ausnahme von Jungsozialisten (Juso) und Jungen Grünen sind sämtliche politischen Jugendverbände dagegen. Sind die Jungen unsozial – oder steckt mehr dahinter?
«Ein Vertrag sollte eine Win-win-Situation sein», sagt Yvonne Ruckli, «doch der Generationenvertrag gerät aus dem Gleichgewicht.» Glaubt man den offiziellen Zahlen, hat sie recht. Bereits heute schreibt die AHV rote Zahlen. Laut Prognosen des Bundes werden sie in wenigen Jahren tiefrot sein – selbst wenn das Volk zu AHV plus Nein sagt.
Die Gründe sind bekannt: Wir leben immer länger und verbrauchen entsprechend mehr Geld. Zudem fehlen junge Beitragszahler, weil die Generation, die jetzt vor der Pension steht, nicht so viele Kinder auf die Welt brachte wie ihre Eltern (siehe Grafik). Zwar hat die AHV Reserven von rund 44 Milliarden Franken. Doch die sind laut Bundesamt für Sozialversicherungen bis 2030 aufgezehrt. «Wir brauchen mehr Mathematik und weniger Politik», folgert Andri Silberschmidt (22), Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz. Sonst blieben für die heutigen Berufseinsteiger am Lebensende nur Schulden übrig.
Die Jungen denken weit über die AHV-plus-Initiative hinaus: «Es braucht einen Generationenvertrag 2.0», sagt Natanael Rother (29), Vorstandsmitglied der Bewegung «Operation Libero». Er rechnet damit, dass er viel später in Pension gehen wird als seine Eltern. «Wir leben länger. Wenn wir deshalb auch länger arbeiten, ist das weder unsozial noch neoliberal», verteidigt er ein höheres Rentenalter. Habe die Schweiz jetzt nicht den Mut, die AHV den Realitäten anzupassen, müsse man bald sehr viel mehr Geld auftreiben: «Zum Beispiel über die Mehrwertsteuer. Und das trifft auch die Ärmsten.»
Die linken Jungparteien stellen dies in Abrede. Juso-Chefin Tamara Funiciello (26) bezeichnet die AHV als ihre «Herzensangelegenheit». «Seit der Gründung der AHV 1948 wollen die Bürgerlichen das Sozialwerk zu Grabe tragen.»
Funiciello zweifelt die Zahlen des Bundes an. «Es werden immer wieder Horrorszenarien entworfen.» Eingetroffen sei noch keines davon. Dass die AHV immer mehr Leute durchfüttern muss, ist ihr bewusst. Aber: «Ich bin gerne bereit, etwas mehr von meinem Lohn dafür abzugeben.»
Ausserhalb des linken Spektrums jedoch ist man sich einig, dass die Jungen die Last nicht alleine tragen können. Es sei Zeit, dass auch die Alten Zugeständnisse machen. «Ich erwarte von der älteren Generation, dass sie jetzt nicht nach dem Motto ‹Nach mir die Sintflut› lebt!», sagt Yvonne Ruckli. Sonst sieht sie schwarz für den Zusammenhalt der Schweiz.
Pro Senectute hat sich ganz dem Wohl der Schweizer Rentner verschrieben. «Schon bei der Einführung der AHV stand Pro Senectute Pate. Seit 1917 kämpfen wir gegen die Armut im Alter», schreibt die Organisation stolz auf ihrer Homepage. Sie berät Senioren im ganzen Land in Vorsorgefragen. Umso überraschender, dass Pro Senectute von der AHVplus-Initiative des Gewerkschaftsbundes nichts wissen will. Das Volksbegehren fordert eine zehnprozentige Erhöhung der AHV-Rente, für alleinstehende Rentner immerhin rund 200 Franken. «Wir unterstützen die Initiative der Gewerkschaften nicht», sagt Pro-Senectute-Direktor Werner Schärer (62). «Die Altersvorsorge in der Schweiz basiert auf zwei beziehungsweise drei Säulen. Lediglich ein Standbein zu stärken, ist für Pro Senectute nicht der richtige Ansatz.»
Ein weiterer Schwachpunkt von AHVplus ist für Schärer, dass Rentner, die Ergänzungsleistungen (EL) beziehen, nicht von der Erhöhung profitierten. Denn bei einer höheren AHV-Rente sinkt zugleich der Anspruch auf EL.
Pro Senectute hofft stattdessen auf den Kompromiss, der vor einem Jahr im Stöckli zustande gekommen ist: «Wir sehen den Vorschlag des Bundesrats respektive den Kompromissvorschlag des Ständerates aktuell als einzige zielführende Lösung.» Diese sieht vor, die sinkenden Renten der Pensionskassen mit 70 Franken für Einzelpersonen zu kompensieren.
Die Linke empört sich über den Positionsbezug von Pro Senectute. SP-Nationalrat und Gewerkschafter Corrado Pardini (51, BE): «Herr Schärer vertritt mit seiner Position schlicht nicht die Interessen seiner Klientel.» Das spreche Bände über die Zustände bei Pro Senectute, sagt der Berner.
Denn der Schweizer Seniorenrat, der den Bundesrat in Altersfragen berate, habe klar Ja zur Initiative gesagt.
Die Situation, so Pardini, sei simpel. Die Erträge der beruflichen Vorsorge schrumpften rasant, und eine private dritte Säule könne sich nur das «mehrbessere Drittel» der Rentner leisten. «Was bleibt? Die kerngesunde AHV. Diese Säule müssen wir stärken. Wer unsere Initiative bekämpft, stärkt einzig und allein die privaten Versicherer und treibt Tausende Rentner in die Armut.»
Es stimme nicht, fährt er fort, dass die Initiative jenen Rentnern nichts nütze, die auf Ergänzungsleistungen angewiesen seien. Man gehe heute von rund 20 000 Menschen aus, die zwar Anrecht auf diese Unterstützung haben, «sich aber nicht getrauen, diese zu beziehen», sagt Pardini.
Pro Senectute hat sich ganz dem Wohl der Schweizer Rentner verschrieben. «Schon bei der Einführung der AHV stand Pro Senectute Pate. Seit 1917 kämpfen wir gegen die Armut im Alter», schreibt die Organisation stolz auf ihrer Homepage. Sie berät Senioren im ganzen Land in Vorsorgefragen. Umso überraschender, dass Pro Senectute von der AHVplus-Initiative des Gewerkschaftsbundes nichts wissen will. Das Volksbegehren fordert eine zehnprozentige Erhöhung der AHV-Rente, für alleinstehende Rentner immerhin rund 200 Franken. «Wir unterstützen die Initiative der Gewerkschaften nicht», sagt Pro-Senectute-Direktor Werner Schärer (62). «Die Altersvorsorge in der Schweiz basiert auf zwei beziehungsweise drei Säulen. Lediglich ein Standbein zu stärken, ist für Pro Senectute nicht der richtige Ansatz.»
Ein weiterer Schwachpunkt von AHVplus ist für Schärer, dass Rentner, die Ergänzungsleistungen (EL) beziehen, nicht von der Erhöhung profitierten. Denn bei einer höheren AHV-Rente sinkt zugleich der Anspruch auf EL.
Pro Senectute hofft stattdessen auf den Kompromiss, der vor einem Jahr im Stöckli zustande gekommen ist: «Wir sehen den Vorschlag des Bundesrats respektive den Kompromissvorschlag des Ständerates aktuell als einzige zielführende Lösung.» Diese sieht vor, die sinkenden Renten der Pensionskassen mit 70 Franken für Einzelpersonen zu kompensieren.
Die Linke empört sich über den Positionsbezug von Pro Senectute. SP-Nationalrat und Gewerkschafter Corrado Pardini (51, BE): «Herr Schärer vertritt mit seiner Position schlicht nicht die Interessen seiner Klientel.» Das spreche Bände über die Zustände bei Pro Senectute, sagt der Berner.
Denn der Schweizer Seniorenrat, der den Bundesrat in Altersfragen berate, habe klar Ja zur Initiative gesagt.
Die Situation, so Pardini, sei simpel. Die Erträge der beruflichen Vorsorge schrumpften rasant, und eine private dritte Säule könne sich nur das «mehrbessere Drittel» der Rentner leisten. «Was bleibt? Die kerngesunde AHV. Diese Säule müssen wir stärken. Wer unsere Initiative bekämpft, stärkt einzig und allein die privaten Versicherer und treibt Tausende Rentner in die Armut.»
Es stimme nicht, fährt er fort, dass die Initiative jenen Rentnern nichts nütze, die auf Ergänzungsleistungen angewiesen seien. Man gehe heute von rund 20 000 Menschen aus, die zwar Anrecht auf diese Unterstützung haben, «sich aber nicht getrauen, diese zu beziehen», sagt Pardini.