#aufbruch mit Patrizia Laeri
Wir sehen in die Zukunft

Alles, was in Asien läuft, kommt derzeit zeitverzögert zu uns. China, Südkorea oder Taiwan haben das Coronavirus erfolgreich bekämpft, aber mit radikalsten Methoden – technologisch, gesundheits- und wirtschaftspolitisch. Trotzdem reagieren wir sehr zögerlich.
Publiziert: 18.03.2020 um 07:41 Uhr
Kolumnistin Patrizia Laeri über wirtschaftliche Massnahmen wegen des Coronavirus.
Foto: Thomas Buchwalder
Patrizia Laeri

Mittlerweile ist in der Corona-Krise alles möglich, alles vorstellbar. Asiatische Länder konnten die ansteckende Lungenkrankheit vor allem auch dank Big Data stoppen. Auch ein demokratisches Land wie Südkorea hat Infizierte dank Telekom-Daten überwacht und so sämtliche Fälle zurückverfolgt. Smartphone Tracking in Europa? In Israel passiert das schon. Gesundheit vor Freiheit. Die letzten Tage haben gezeigt: Nichts ist mehr undenkbar. Vor allem auch wirtschaftspolitisch.

So sind auch die Notenbanken am Limit. Die Minuszinsen praktisch unsenkbar. Der magische Glaube an ihre Kraft ist erschüttert. Panisch scheint ihr Wirken. Und es verpufft. Werden die Währungshüter also zu noch extremeren Mitteln greifen? Zu Helikoptergeld? Immer mehr spricht dafür, dass wir dies erstmals in der Geschichte erleben könnten. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman hat den Begriff 1969 erfunden.

Die Idee: Die Notenbank druckt Geld und verteilt es direkt an die Bevölkerung. Mario Draghi hat damit sympathisiert, genauso wie der ehemalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank, Philipp Hildebrand. Das Coronavirus hat der alten Idee nun neues Leben eingehaucht. Hongkong hat allen Bürgerinnen und Bürgern ab 18 direkt Geld aufs Konto gebucht. Weil die Sonderverwaltungszone keine Notenbank hat, nahm es das Geld aus den Reserven. Das kommt der ursprünglichen Idee des Helikoptergeldes sehr nahe.

Generell zeigt der Blick gegen Osten, dass aus der Not heraus nun tatsächlich Geld direkt an Menschen verteilt wird. Auch in Taiwan fliessen die Taiwan-Dollars zu den Einwohnern. Der Inselstaat schenkt ihnen Gutscheine für die Nachtmärkte und den Detailhandel, damit sie wieder konsumieren. Ob sie dies tun werden, ist ungewiss, aber wir können diese neuen wirtschaftspolitischen Experimente live mitverfolgen. Auch wie Staaten Zahlungspausen anordnen. Menschen müssen keine Krankenkassenprämien, Steuern, Schulden oder Hypotheken mehr zahlen.

All dies kommt immerhin direkt bei den vielen Menschen an, die zurzeit existenzielle Sorgen plagen: die Massen an Freischaffenden, Selbständigen, Gewerbetreibenden – von der Goldschmiedin bis zum Ladenbesitzer, vom Coiffeur bis zur Wirtin. Nun müssen nicht Banken, sondern menschliche Existenzen gerettet werden.

Diese ausserordentlichen wirtschaftspolitischen Massnahmen sind wohl genauso wenig übertrieben wie die derzeitigen gesundheitspolitischen. Die Corona-Krise trifft die Realwirtschaft nämlich brutal direkt und kommt nicht verzögert wie die Finanzkrise.

Wichtig ist, nun wirtschaftspolitisch nicht zu zögern. Augen öffnen, handeln. #aufbruch

*Patrizia Laeri (42) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.

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