#aufbruch mit Patrizia Laeri
Was mache ich da eigentlich?

Bullshit Jobs – so heissen sinnlose, überflüssige Scheinberufe. Würde es sie nicht geben, keiner würde sie vermissen. Aber es gibt sie zuhauf, und darunter leiden die Mitarbeiter und die Wirtschaft.
Publiziert: 24.07.2018 um 21:51 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 17:50 Uhr
Immer mehr Menschen sehen keinen Sinn in ihrem Job. Drei Viertel der Schweizer sagten in einer Studie, dass sie sich im Job langweilen.
Foto: shutterstock
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Patrizia LaeriKolumnistin

Tun Sie im Geschäft oft so, als wären Sie sehr beschäftigt, sind es aber gar nicht? Sitzen Sie ständig in Sitzungen und Folgesitzungen? Betreuen sie Projekte und Unterprojekte? Malen Sie Folien, sprechen von Strategien? Sind Sie im Mittelmanagement und relativ gut bezahlt?

Dann könnte Sie diese Sommerferien wieder die Sinnkrise überkommen. Was mache ich da eigentlich? Immer mehr Menschen sehen keinen Sinn in ihrem Job. Drei Viertel der Schweizer sagten in einer Studie, dass sie sich im Job langweilen. Auch viele meiner ehemaligen Schulfreunde, die bei Grosskonzernen gelandet sind. Zugeben würden es die wenigsten, und auch nur, wenn der Abend länger und die Flaschen leerer werden. 

Bullshit Jobs fast überall

Sie leiden unter Bullshit Jobs, wie es der Anthropologe David Graeber nennt. Er hat das Phänomen der vielen sinnlosen Jobs als Erster beschrieben. Graeber ortet viele überflüssige Jobs in der Finanz- und Beraterbranche, in Rechts-, Personal-, Marketing- und Kommunikationsabteilungen. Wenn diese Menschen streiken würden, würde es niemand merken. Seine These ist belegt durch Studien in den USA und Europa: Bis zur Hälfte der Menschen finden ihre Jobs sinnlos, etwa gleich viele können die Mission ihrer Firma nicht nennen. Vielleicht ist es Millennials deshalb besonders wichtig, sinnstiftend zu arbeiten, weil sie die Eltern leidend sinnlos arbeiten sehen. 

Networking Enhancer und Chief Thinker

LinkedIn ist voller sinnloser neuer Job-Bezeichnungen: Networking Enhancer, Strategist, Chief Thinker, Advisor Innovation … Die Digitalisierung hat bisher also nicht Jobs vernichtet, sondern erstaunlich viele neue geschaffen. Die Menschheit zeigt einmal mehr, wie weltmeisterlich sie neue Jobs erfinden kann. Man kennt es von der Sowjetunion oder öffentlichen Institutionen und Verwaltungen: Sie beschäftigen sich mit ihren eigenen Regelwerken in Endlos-Schleifen selber. Willkommen in der Selbstbeschäftigungswirtschaft.

Es ist vor allem die Elite, die neue, sinnlose Jobs erfindet, um sich selber zu legitimieren. Chefs, die auch daran gemessen werden, wie viele Menschen sie (sinnlos) beschäftigen.

Scheinarbeit ohne Zukunft

Konzerne mit unzufriedenen Mitarbeitern haben aber keine Zukunft. Was wäre, wenn schlaue Konzerne bereits jetzt radikal die Arbeitszeit kürzen würden, statt ihre Mitarbeiter scheinarbeiten zu lassen? Eine der global innovativsten Firmen hat seit Jahren die 32-Stunden-Woche: Google. 20 Prozent der Arbeitszeit steht zur freien Verfügung für eigene Ideen. Daraus sind die sinnvollsten Projekte entstanden. Würde es nicht Sinn machen, nach den Sommerferien im Büro mit Kollegen und Chefinnen darüber zu reden?

Patrizia Laeri (40) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.

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