Sind Sie auch schlaflos während dieser Tropennächte? Und beschleicht Sie manchmal das Gefühl, dass das alles gar nicht so gut ist? Zu heiss, zu trocken, zu extrem? Wir spüren den Klimawandel am eigenen Leib. Die Sommerhitze bestätigt nicht nur Bauern, sondern auch Forschern die gefürchtete Erwärmung der Erde.
Ich bin froh, dass immer mehr Chinesen etwas dagegen tun. Fast einer von fünf Menschen auf dem Planeten lebt nämlich in China. Dort ist umweltschonendes Leben zu einer Art Wettbewerb geworden. Und das ausgerechnet durch eine Finanzfirma, eine Tochter des Tech-Giganten Alibaba. Die Bezahl-App Alipay hat eine neue Funktion, Ant Forest, ein Spiel. Und dieses Spiel hat eine grüne Revolution ausgelöst.
300 Millionen Chinesen leben nachhaltig, das entspricht in etwa allen Amerikanern
Wer beispielsweise Rechnungen digital zahlt, Leihräder statt Taxis nutzt, einkauft ohne Plastiktaschen, erhält Energie-Punkte. Mit diesen pflanzen immer mehr, vor allem junge Chinesen, virtuelle Bäume im Wettbewerb mit ihren Freunden in den sozialen Netzwerken. Sind genug Energie-Punkte gesammelt und der virtuelle Baum damit gewässert, pflanzt Alipay einen richtigen Baum. Live-Kameras und Satellitenbilder dokumentieren die neuen Tech-Wälder. Zum Beispiel in den Wüsten Mongoliens. 13,1 Millionen Bäume sind laut Alipay bis Ende 2017 gepflanzt worden. Den Chinesen macht ein nachhaltiger Lebensstil Spass. Rund 300 Millionen sind bereits dabei. Das entspricht also in etwa allen Amerikanern. Was, wenn die auch alle im Energiesparmodus lebten und damit 8000 Tonnen CO2 täglich reduzierten wie die Ant-Forest-Spieler?
Es zeigt: Technologie kann sozialen Wandel rasend schnell und in Massen herbeiführen.
Bisher läuft diese grüne Fintech-Revolution aber ohne uns Europäer und Amerikaner. Keine der westlichen Tech-Firmen hat in ihren mächtigen Netzwerken eine vergleichbare grüne Idee ausgesät.
Die Bürger vorsätzlich zu begrünen, das dürfte wohl kein Hinderungsgrund sein. Die Tech-Giganten haben auch sonst kein Problem, uns ständig mit Werbung zu manipulieren. Facebook, Instagram, Google, Twitter oder Microsoft über LinkedIn: Warum bespielt ihr uns nicht mit Werbung nachhaltiger Firmen? Warum zeigt ihr uns statt dreckig produzierende Luxusmarken, die ihre eigene Ware verbrennen, nicht nachhaltige Modelabel? Warum zieht ihr Werbekunden, die umweltfreundlich sind, nicht den anderen vor? Diese Werbepolitik würde wiederum enormen Druck auf die Geschäftswelt ausüben, sauber zu produzieren. Und warum leistet sich das amerikanische Bezahlsystem Paypal nicht ebenfalls eine ökologische Spielidee? Aber auch Schweizer Bezahlsysteme wie Twint könnten von den Chinesen lernen, wie man die Finanzbranche revolutioniert und dabei in Massen spielerisch Energie spart. #aufbruch
* Patrizia Laeri (40) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.