China's mobile phone users reach 94.5% of population
Foto: Liu jiang - Imaginechina

#aufbruch mit Patrizia Laeri
Jetzt kommen die Spar-Apps

«Du shoppst zu viel», meldet mein Smartphone. Ich probiere das aus, was zurzeit Millionen andere Menschen auch tun: Spar-Apps.
Publiziert: 09.06.2020 um 23:07 Uhr
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Aktualisiert: 12.06.2020 um 09:44 Uhr
Kolumnistin Patrizia Laeri.
Foto: Thomas Buchwalder
Patriza Laeri

Allein in der Schweiz sind zwei Millionen Menschen auf Kurzarbeit. Mehr als die Hälfte der Weltbelegschaft, zwei Milliarden Menschen, könnte wegen der Seuche den Job verlieren, rechnet eine BCG-Studie vor. Da macht sich jeder Gedanken um die Existenz. Es könnte knapp werden, denken immer mehr.

Die sogenannte Sparquote ist in der Krise steil gestiegen: Sie drückt aus, welchen Teil unseres Einkommens wir beiseitelegen. Sogar die kauflustigen US-Konsumenten sind nun knausrig. Ihre Sparquote ist auf noch nie erreichte 33 Prozent gestiegen. Die Schweizer haben sich auf 22 Prozent hoch gespart. Das heisst: Sie sparen mehr als jeden fünften Franken.

Weniger ist mehr

Von Zürich bis Peking gilt: Weniger ist mehr. Das neue Zeitalter des «Weniger» untermauern Daten aus China. Neu spart vor allem die Generation «Corona». 45 Prozent der Jungen zwischen 21 und 30 haben nun weniger Einkommen als vor der Krise. Spar-Apps sind weltweit die neuen Download-Champions. Sie heissen Mint, Monefy, Personal Capital, Haushaltsbuch MoneyControl oder GoodBudget.

Wo ist bloss mein Geld hin? Die Programme liefern aufschlussreiche Antworten und helfen, Finanzziele zu erreichen. Dies zeigt auch, dass immer mehr Menschen bereit sind, intimste finanzielle Daten an unregulierte Softwarefirmen wegzugeben. Die finanzielle Not der Benutzer macht sie blind für Datenschutz, die Apps sind zum Teil direkt mit Bankkonten gekoppelt.

Spart! Gebt aus!

Und das Schocksparen hört bei den digitalen Milchbüechli-Apps nicht auf. Da gibt es Anwendungen, die helfen, überflüssige Versicherungen zu streichen. Und wie kann man Energie und Wasser sparen? Mit dem Energy Cost Calcualtor. Das Handy die ganze Nacht am Strom lassen war gestern. Das macht die Batterie kaputt, frisst Strom. Jetzt bimmelt die Eco Charge App, wenn es voll ist. Sofort weg vom Netz gilt natürlich auch für andere technische Geräte. Auch der Durchflussbegrenzer hat das Zeug, zum Symbol der neuen Sparsamkeit zu werden. Das Teil installiert man am Schlauch, um Wasser zu sparen.

«Shoppe weniger», mahnen die Programme – «kauf mehr ein», locken die Politikerinnen. Mit sparsamen Bürgern geht die Rechnung nämlich nicht mehr auf. Den staatlichen Haushaltsbudgets droht der Bankrott. Auch in der Schweiz ist die Konsumentin die wichtigste Treiberin der Wirtschaft. Regierungen beissen sich an der neuen alten Tugend des Sparens die Zähne aus. Rund um den Erdball reanimiert man die Kauflust. Die USA entsenden Checks an alle, Singapur an Eltern, Spanien experimentiert mit dem Grundeinkommen, Deutschland senkt die Mehrwertsteuer, China verteilt Einkaufsgutscheine oder drängt Beamte, auswärts zu essen. Bisher mit mässigem Erfolg.

Investieren statt konsumieren

Krisen lösen Sparbewegungen aus. Die Finanzkrise hat den Frugalismus hervorgebracht, der im genügsameren Leben ein reicheres Dasein sieht. Die Idee: Möglichst viel einnehmen, möglichst wenig ausgeben – und möglichst profitabel investieren. Sprich: Die Überflussgesellschaft kritisieren und zugleich von wachstumsgetriebenen Kapitalmärkten profitieren? Solange das System so sei, gelte es, auch möglichst viele nicht vermögende Menschen davon profitieren zu lassen, verteidigt sich die Bewegung. Statt konsumieren also investieren? Seit Corona googeln weltweit mehr Menschen nach dem Begriff. Die Frugalisten scheinen den Zeitgeist zu treffen. #aufbruch

* Patrizia Laeri (42) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.

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