Wir müssen reden. Über eine Seite der Finanzkrise, über die niemand spricht. Zehn Jahre ist es her, und die Jubiläums-Artikel häufen sich. Doch keiner nennt die wahre Ursache beim Namen. Mann hat die Finanzkrise verursacht. Mann gierte, verspekulierte sich und ging unter.
2008 war die Finanzbranche weitgehend männlich, egal ob in Zürich, London oder an der Wall Street in New York. Die Chefs, die Händler, die Berater: fast alles Männer. In den Handelsräumen sassen gar mehr als 90 Prozent Männer. Erst danach kamen die Frauen, die Finanzpolizistinnen. Sie durften aufräumen, was die Männer angerichtet hatten. Wie eine Art Supernannies für kopflose Draufgänger. Da war die neue Bankenaufseherin Sheila Bair – die schon 2006 vor der Krise gewarnt hatte –, Harvard-Professorin Elisabeth Warren, welche die Rettungsfonds überwachte. Auch die Mehrheit der Finanzmarktaufsicht wurde weiblich.
Frauen räumten auf
Die Staatsanwältin und spätere Justizministerin Loretta Lynch machte Wirtschaftskriminalität zu ihrer obersten Priorität, bis hin zur Nominierung der obersten Notenbankerin Janet Yellen. Frauen räumten auf. Genau gleich lief es im schwerst krisengeschüttelten Island. Da, wo die einzige Finanzfirma, die überlebte, von zwei Frauen geführt wurde.
Hätten Frauen in den Banken-Chefetagen die Krise verhindern können?
Ja, aber … sagen Branchenkenner. Kurz nach dem Untergang der Investment Bank Lehman Brothers trafen sich in Davos am Weltwirtschaftsgipfel gewichtige Banker und diskutierten genau diese Frage: Hätte Lehman Sisters überlebt? Am Ende des Gesprächs waren sich alle einig. Man hätte zu Boom-Zeiten wohl weniger Profit gemacht, die Bank aber hätte überlebt.
Einfluss der Hormone
Ja, klar … sagen zumindest Biochemie und Neurowissenschaft. Zahlreiche Experimente und Studien belegen: Hormone beeinflussen unsere Finanzinvestitionen. Testosteron steigert den Risiko-Appetit. Männer haben bis zu 15-mal mehr Testosteron als Frauen. Die Testosteron-Levels nehmen übrigens ab, wenn Männer mehr Zeit mit Frauen und Kindern verbringen. Mehr Frauen in Handelsräumen könnten biochemisch also Spekulation verhindern. Reine Männergruppen führen hingegen zu noch mehr Draufgänger-Hormon. Die Finanzkrise war also auch ein biochemisches Problem. Hormone waren mitschuldig.
Dies führt zur entscheidenden Frage: Haben wir aus den Fehlern gelernt? Haben wir von diesen kulturellen und biochemischen Erkenntnissen gelernt? Haben wir mehr Frauen im Finanzbereich? Hat sich die Kultur tatsächlich geändert?
Immer noch weiss und männlich
Nein, sagen die Fakten. 85 Prozent der Chefs in der Finanzindustrie sind immer noch mehrheitlich weisse Männer. Anders und kontrovers denkende Menschen reden auf oberster Ebene kaum mit und treffen auch keine Risikoentscheide.
Die Krisenmanagerin und ehemalige Aufseherin Sheila Bair warnt heute übrigens wieder. Vor den Schuldenbergen der Familien und Firmen, die erneut in Finanzprodukte verpackt sind. Aber vor allem davor, dass die männlich dominierte Trump-Regierung die Regeln wieder gelockert hat.
Patrizia Laeri (40) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch für BLICK.