Ich war diesen Montag in der Schule. Und ich hatte Angst. Ganz im Gegensatz zu meinem Sohn, dem stolzen Erstklässler. Ich hatte so einen Zettel in der Hand: «Was erwarten Sie von der Schule?», stand da drauf. Also eine ganz grosse Frage. Ist es nicht fast schon mutig, überhaupt so was zu fragen? Ich stelle mir jetzt all diese Antwortzettel vor, aufgetürmt zum meterhohen Erwartungsdruck für die Schule und Lehrer. Das muss doch heutzutage erdrückend sein. Für mich hatten die bildungspolitischen Debatten immer etwas Befremdliches. Wer weiss schon heute, was morgen relevant sein wird? Was ist überhaupt planbar, in einer Welt, die sich rasend schnell verändert, getrieben von selbst lernender künstlicher Intelligenz? Unkontrollierbar so was.
Was ist denn die Schule der Zukunft? Als Beirätin des Institute for Digital Business diskutiere ich dies oft mit dessen Leiter Manuel Nappo und Kolleginnen. Ich bin überzeugt: Die Schule der Zukunft stärkt das Menschsein. Sie versteift sich nicht auf Fächer, sondern arbeitet an Eigenschaften und Sozialkompetenz. Warum setze ich mich als digital Elektrisierte hier nicht vor allem fürs Programmieren und für naturwissenschaftliche Fächer ein?
Google hat die Eigenschaften ihrer erfolgreichsten Mitarbeiter gemessen. Das Resultat war für den Techgiganten einigermassen schockierend. Auf den ersten sieben Plätzen landeten nur sogenannte Soft Skills, also Sozialkompetenz. Das Wichtigste in der Techfirma ist also das Menschliche: Kommunikation, Zuhören, Empathie, Coaching-Fähigkeiten und kritisches Denken machen erfolgreich. Reine mathematische Fähigkeiten waren auf dem letzten Platz. Der Datengigant hat seither seine Einstellungspraxis geändert.
Emotionale Intelligenz (EQ) und nicht die Problemlösungsintelligenz IQ bringt also den Mensch am weitesten. Das meiste, was unseren IQ bemisst, können Maschinen bereits besser. Mut und Optimismus bringen Menschen mehr. Es geht also auch darum, dass die Schule nicht zum Ernst, sondern zum Spass unseres Lebens wird. Spielerisch lernt es sich am besten. Spielen bedeutet, dass Kinder ihre Fantasien ausloten und eigene Lösungen erarbeiten. Und wie entstehen bahnbrechende Ideen für die Zukunft? Gemeinsam und nicht gegeneinander. Kooperatives Denken bringt Innovation, kompetitives kaum. Auch Sprachen lernen oder Gedichte aufsagen bleiben wichtig. Trotz Echtzeit-Übersetzungs-Programmen? Ja, denn wir trainieren damit nicht nur unser Hirn, sondern wir zeigen mit Sprachen vor allem auch Respekt und Empathie für andere Menschen und Kulturen. Genauso bedeutend ist deshalb Geschichte, denn ohne Vergangenheit haben wir keine Zukunft. Nur wer die Welt auf lange Sicht kennt, lernt aus den Niedergängen und Aufstiegen der Menschheit. Tech lernen die Kinder schneller als die Lehrer – als ihre Eltern sowieso. Es bringt nichts, wenn alle Programmiererinnen werden. Viel wichtiger ist, dass sie Coding grundsätzlich verstehen und wissen, was möglich ist.
Und die Schule der Zukunft braucht vor allem auch uns Eltern, die vorleben, wie wir gesund und respektvoll umgehen mit der Umwelt, der Technik und besonders den Menschen. Und Eltern, welche Kinder ihre Probleme selber lösen lassen. Das alles hat nicht auf den Zettel gepasst und ist wohl jetzt eine der längsten Antworten auf die Frage: Was erwarten Sie von der Schule? Danke, dass sie überhaupt gestellt wurde. Nur so motiviert ihr zum kritischen Denken.
Patrizia Laeri (40) ist Wirtschaftsredaktorin und -moderatorin von «SRF Börse» und «Eco» sowie Beirätin im Institute for Digital Business der HWZ. Sie schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.