Die Meldung am Dienstagmorgen erinnert an das Grounding der Swissair: Die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin lässt fast alle seiner Flieger am Boden, dazu 42 von Air Berlin betriebene Maschinen der Lufthansa-Billig-Töchter Eurowings und Austrian. Gegen 70 Flüge werden annulliert. Betroffen sind auch Flüge ab Zürich, wie es auf der Flug-Check-Seite der Airline zu sehen ist.
«Aus operativen Gründen muss Air Berlin heute Flüge streichen», teilte die insolvente Fluggesellschaft auf Anfrage mit. Es gebe «aussergewöhnlich viele Krankmeldungen im Cockpit» der Flieger. Laut «Spiegel» sollen sich rund 250 Mitarbeiter krankgemeldet haben.
Ausfall-Grund offenbar Piloten-Revolte
Wie «Bild» schreibt, soll eine «Revolte der Piloten gegen die Geschäftsleitung» der Grund für den Ausfall sein. Am Montag seien die Verhandlungen zum Übergang von rund 1500 Air-Berlin-Piloten auf den potenziellen neuen Käufer von der Geschäftsführung abgebrochen worden.
Bleiben heute alle Air-Berlin-Flieger am Boden? «Schon jetzt sind 235 Flüge mit vielen tausenden Passagieren betroffen», schreibt «Bild» weiter. Darin eingeschlossen offenbar auch Flüge mit Verspätungen.
Air-Berlin-Führung ist sauer
«Das, was wir heute bei einem Teil der Belegschaft sehen, ist ein Spiel mit dem Feuer. Der heutige Tag kostet uns mehrere Millionen Euro», sagt Air-Berlin-CEO Thomas Winkelmann. Man sei gezwungen, über 100 der heute geplanten 750 Flüge zu streichen.
Laut einer Air-Berlin-Stellungnahme haben sich rund 200 der insgesamt 1500 Piloten krankgemeldet. «Überhaupt kein Verständnis hat Airberlin für die zahlreichen kurzfristigen Krankmeldungen während des Crewbriefings unmittelbar vor dem Flug oder auf dem Weg zum Flugzeug», heisst es darin weiter.
Flughafen Zürich bestätigt Ausfälle
Eine Anfrage von BLICK beim Flughafen Zürich bestätigt zunächst zwei Ausfälle der Rotationen (Anflug/Abflug) Düsseldorf und ein Ausfall der Rotation Berlin-Tegel. Gegen Mittag kommen auch Ausfallmeldungen für die Air-Berlin-Flüge nach Deutschland um 16.05 Uhr und 16.55 Uhr. Ansonsten sei die Lage unter den Reisenden ruhig, so eine Flughafen-Sprecherin.
Für die übrigen Flüge ab Zürich existiert es noch keine Statusmeldung. In Genf ist um 12.20 Uhr eine Maschine nach Düsseldorf abgeflogen. Ebenso hat den EuroAirport Basel gegen Mittag ein Flieger nach Palma de Mallorca verlassen. Die Maschine nach Ibiza hat dagegen bereits fast eine Stunde Verspätung.
Air Berlin: Nicht zum Flughafen gehen
Air Berlin ruft betroffene Fluggäste auf ihrer Internetseite auf, nicht zum Flughafen zu kommen und sich stattdessen an die Hotline zu wenden. Reisende, die von Streichungen betroffen seien, solle die «bestmögliche Reisealternative» angeboten werden, heisst es zudem.
Schlechte Nachricht für Passagiere: Wer seinen Flug vor der Stellung des Insolvenzantrags am 15. August 2017 gebucht hat, bleibt wegen «insolvenzrechtlicher Bestimmungen» auf den Kosten sitzen. Dies geht aus der Pressemitteilung des Unternehmens hervor.
Alle, die ihr Ticket nach dem Antrag gebucht haben, sollen den Kaufpreis kostenfrei zurück halten. Für allfällige Mehrkosten könne man auf der Internetseite Beschwerde einreichen.
Bundesamt BAZL hilft Fluggästen
Das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland in Kehl rät: Bei einer Annullierung ihres Fluges sollten Air-Berlin-Kunden auf eine Umbuchung bestehen. Und keinesfalls auf eigene Kosten einen Ersatzflug buchen. Zudem sollte man von einer Gepäckaufgabe bei einem Air-Berlin-Flug absehen. Geht ein Koffer verloren, sieht man dafür wohl kein Geld mehr.
Hilfe bei Flugausfällen versprechen auch Fluggast-Rechte-Firmen wie Refund.me oder Airhelp – allerdings gegen eine Gebühr bei Erfolg. Kostenlose Beratung und Hilfe gibts auf der Website vom BAZL: www.bazl.admin.ch, Passagierrechte.
Wird Langstrecken-Betrieb komplett eingestellt?
Erst am Montag hatte Air Berlin bekanntgegeben, ihr Karibik-Flugprogramm ab Düsseldorf zum 24. September einzustellen. Flüge auf die Niederländischen Antillen, nach Cancún in Mexiko, Havanna und Varadero in Kuba sowie in die Dominikanische Republik entfallen damit. Hintergrund sei die im Insolvenzverfahren nötige Reduzierung der Langstreckenflotte.
Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) befürchtet, dass der Langstreckenbetrieb der Air Berlin komplett eingestellt werden könnte.
VC-Präsident Ilja Schulz gegenüber der «Rheinischen Post»: es bestehe die Sorge, dass mit einer «enormen Preiserhöhung die Langstrecke so unattraktiv gemacht werden soll, dass sie noch vor der Übernahme eingestampft werden kann».
Air-Berlin-Poker geht weiter
Will Air Berlin die gut bezahlten Langstreckenpiloten loswerden, bevor es zu einer Aufteilung der Airline kommt? «Die könnte der Insolvenzverwalter bei einer Einstellung der Langstrecke sofort entlassen wollen», sagt Schulz der Zeitung. «Die Braut wird quasi für die Hochzeit hübsch gemacht. Das ist ein Skandal, den wir uns so nicht bieten lassen.»
Frank Kebekus, der Generalbevollmächtigte des Air-Berlin-Konzerns, sagt in einer Mitteilung: «Die heutigen Ereignisse gefährden das gesamte Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung massiv. Wenn sich die Situation nicht kurzfristig ändert, werden wir den Betrieb und damit jegliche Sanierungsbemühungen einstellen müssen.»
Der Kampf zwischen Piloten und Airline wird auf dem Rücken der Passagiere ausgetragen. Wann die Air-Berlin-Mannschaft wieder geschlossen zum Dienst antreten wird, ist derzeit völlig unklar. Eine Sprecherin entschuldigend: «Wir bedauern die Unannehmlichkeiten für unsere Gäste».