Foto: Noël Brühlmann

Aron Lehmann, beliebt bei Kunden, verhasst bei Konkurrenten
Der Billig-Bäcker heizt wieder ein

Aron Lehmann verkaufte Qualitätsbrot halb so teuer wie andere Traditionsbäcker – sogar teilweise billiger als bei Denner. Die Rechnung ging nicht auf, er musste schliessen. Jetzt wagt er in einem anderen Kanton einen Neuanfang.
Publiziert: 13.08.2019 um 23:34 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2019 um 15:28 Uhr
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Aron Lehmann und seine Gattin Caroline vor den Brot-Auslagen im Geschäft in Urdorf ZH.
Foto: Patrik Berger
Patrik Berger, Noël Brühlmann und Ulrich Rotzinger

Stolz begrüsst Aron Lehmann (56) seine Kundschaft. Gestern hat er seine neue Bäckerei in Urdorf ZH eröffnet. Er strahlt. Denn er ist wieder zurück im Geschäft. Zwei Jahre lang leitete er die Gastronomie im Stadion des EHC Kloten. Sein Bruder Hans-Ulrich Lehmann (60) war da Präsident der «Flieger». «Das Backen hat mir aber gefehlt, das ist meine Leidenschaft», sagt der gelernte Bäcker und Konditor. 

In Urdorf ist Lehmann der einzige Beck im Dorf. «Hier möchte ich bis zur Pensionierung arbeiten und die Bäckerei dereinst an einen jungen Nachfolger übergeben», sagt er. 25 Sorten Brot, feine Kuchen und Patisserie verlassen täglich die Backstube. Acht Angestellte und vier Teilzeit-Verkäuferinnen unterstützen den Patron. 

Bis zu 57 Prozent billiger

Rückblende: Im Jahr 2015 versetzte Lehmann das Traditionsgewerbe schweizweit in Aufruhr, indem er sein Qualitätsbrot bis zu 57 Prozent im Preis reduzierte. Er hoffte damit, Kunden von Migros, Coop und den Discountern zurückholen zu können, wie der BLICK damals berichtete. Seine Strategie – «traditionelles Schweizer Handwerk zu Discount-Preisen» – ging nicht auf.

Der Brotpreis-Rabatt brachte Bäckermeister Lehmann zwar kurzzeitig mehr Kunden, aber gleichzeitig vor allem Ärger und Verlust ein. «Die Aktion hat mich 30'000 bis 40'000 Franken gekostet», sagt er zu BLICK. Kleinbäcker in der Umgebung beschimpften ihn zudem als «dümmsten Bäcker der Schweiz». Der Verband der Bäcker-Confiseurmeister nannte seine Brote und Brötchen abschätzig «Dumpingbackware».

Bäckerei mit Kot verschmiert

Zweimal wurde der Eingang seiner damaligen Bäckerei im sankt-gallischen Oberuzwil mit Hundekot verschmiert. Einige Wochen später galten wieder die alten Preise. Im Juli 2017 war Schluss, und er verkaufte sein Traditionsgeschäft. Zwei Jahre später kostet das gute alte Pfünderli denn auch nicht mehr 1.05 Franken, wie zeitweise in Uzwil, sondern 2.90 Franken.

«Ich liebe meinen Beruf, habe noch immer das Feuer dafür», sagt Lehmann. «Ohne Leidenschaft geht es nicht.» Genau diese vermisst er zuweilen bei Lehrlingen. Bäcker sei ein harter Beruf. Das frühe Aufstehen gehe an die Substanz. Die kreative Arbeit entschädige aber. Frustrierend sei allerdings, wenn man einen Stift ausbilde, der dann in einer Grossbäckerei am Fliessband arbeite. Seit drei Monaten sucht Lehmann schon einen Lehrling. «Auf die Annonce hat sich niemand gemeldet.»

Grossverteiler und Brot von der Tankstelle

Dass immer mehr Bäckereien pleitegehen oder aufgeben, wie zuletzt die Bäckerei Keller in Regensdorf ZH oder der Beck Gehr in Gossau SG, gibt ihm zu denken. «Kein Wunder, viele kaufen ihr Brot nur noch beim Grossverteiler oder im Tankstellenshop.» Da sei auch der Verband gefragt. «Wir müssen den tollen Beruf wieder besser vermarkten und Lehrlingen zeigen, dass sie damit auch etwas erreichen können», sagt er. 

Bei den Kunden kommt der neue Beck gut an. Schon kurz vor Mittag sind erste Brote ausverkauft. «Lehmann hat mich überzeugt, ich komme wieder», sagt Rainer Wernli (42) aus Birmensdorf ZH. «Unser Dorfbeck hat die grössere Auswahl als ein Discounter, das freut mich.»

Schweizer Bäcker kämpfen ums Überleben

Die Schweizer Bäckereibranche steckt in einem rasanten Wandel. Grossverteiler und Discounter können ihren Marktanteil sukzessive erhöhen. Traditionelle und lokale Bäckereien hingegen sterben aus. Besorgt meldet Urs Wellauer, Direktor der Schweizer Bäcker-Confiseure: «In den letzten zehn Jahren haben wir 400 Bäckereien verloren!»

Vor einem Monat erwischte es die Traditionsbäckerei Gehr in Gossau SG. Aus wirtschaftlichen Gründen musste Betreiber Sandro Gehr den Laden dichtmachen. 47 Angestellte verloren ihren Job. Auch Beck Keller in Regensdorf ZH ging im Oktober des letzten Jahres pleite – 100 Personen standen auf der Strasse, von einem Tag auf den andern. 110 Jahre Tradition sind Geschichte.

Tendenziell seien Bäckereien in den urbanen Zentren mit weniger existenziellen Problemen konfrontiert, wie Wellauer betont. Sie würden vor allem von der grösseren Laufkundschaft profitieren. Fakt ist: «Jeder Konkurs eines etablierten Bäckereibetriebs ist ein Schlag für unser Gewerbe.» Noël Brühlmann

Die Schweizer Bäckereibranche steckt in einem rasanten Wandel. Grossverteiler und Discounter können ihren Marktanteil sukzessive erhöhen. Traditionelle und lokale Bäckereien hingegen sterben aus. Besorgt meldet Urs Wellauer, Direktor der Schweizer Bäcker-Confiseure: «In den letzten zehn Jahren haben wir 400 Bäckereien verloren!»

Vor einem Monat erwischte es die Traditionsbäckerei Gehr in Gossau SG. Aus wirtschaftlichen Gründen musste Betreiber Sandro Gehr den Laden dichtmachen. 47 Angestellte verloren ihren Job. Auch Beck Keller in Regensdorf ZH ging im Oktober des letzten Jahres pleite – 100 Personen standen auf der Strasse, von einem Tag auf den andern. 110 Jahre Tradition sind Geschichte.

Tendenziell seien Bäckereien in den urbanen Zentren mit weniger existenziellen Problemen konfrontiert, wie Wellauer betont. Sie würden vor allem von der grösseren Laufkundschaft profitieren. Fakt ist: «Jeder Konkurs eines etablierten Bäckereibetriebs ist ein Schlag für unser Gewerbe.» Noël Brühlmann

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