Eigentlich ist die Bekanntgabe der Arbeitszeiten für die Schweizer Pöstler im Gesamtarbeitsvertrag klar geregelt: «Die Mitarbeitenden werden vom Arbeitgeber in der Regel zwei Wochen im Voraus über ihre geplanten Arbeitseinsätze informiert.» Im Arbeitsgesetz wird zudem festgehalten: «Die Frist von zwei Wochen soll den Arbeitnehmern ermöglichen, ihre Zeit in Abhängigkeit von Familie, Arbeit und Freizeit zu planen. Diese Frist darf ohne zwingenden Grund nicht verkürzt werden.»
Doch genau diese Planungssicherheit, die den Pöstlern bis anhin erlaubte, Beruf und Privatleben zu vereinbaren, will die Post nun abschaffen. Ab 15. April, just einen Tag, bevor der neue Postchef Roberto Cirillo (48) die operative Leitung des Konzerns übernimmt, werden die Pöstler in Mägenwil AG erst kurz vor Dienstantritt via Personal-App über die genauen Arbeitszeiten informiert. Die Post betont derweil, dass es sich um ein Pilotprojekt handelt. Doch in St. Gallen wurden die flexiblen Arbeitszeiten bereits vor einem Jahr eingeführt. (Blick berichtete)
Keine Anpassung des Arbeitsvertrages
Für Thomas Geiser (65), Professor für Arbeitsrecht an der Universität St. Gallen, ist das Vorgehen der Post «höchst zweifelhaft»: «Das neue Regime der Post ist mit den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben kaum in Einklang zu bringen.» Es sei zudem offensichtlich, dass es sich um eine Vertragsänderung handle, «die nur mit Zustimmung beider Parteien möglich ist».
Die Post sagt dazu lediglich: «Der variable Arbeitsbeginn hat zu keinerlei Vertragsanpassungen geführt. Alle Inhalte wie beispielsweise Beschäftigungsgrad oder Lohn gelten wie bis anhin.»
Die Post ritzt aber nicht nur den Gesamtarbeitsvertrag, auch die Gesundheit ihrer Mitarbeiter steht auf dem Spiel. «Der Einfluss des Arbeitnehmers auf die Arbeitszeit ist ein ganz zentraler Faktor fürs Wohlbefinden», sagt Arbeitspsychologe Hartmut Schulze (59) von der Fachhochschule Nordwestschweiz. «Wenn der Arbeitnehmer über längere Zeit keinen Einfluss darauf hat, wie er die Arbeit einteilen kann, wann er zur Arbeit erscheinen muss, so kann dies zu Stress, Erschöpfung und Krankheit führen.»