BLICK: Herr Grutsch, früher war man fast ein Leben lang der Firma treu. Heute wechselt man regelmässig den Job. Warum?
Markus Grutsch: Das ist in der Tat so. Heute wechselt man viel öfter. Die Ansprüche an sich selbst und den Arbeitgeber verändern sich im Laufe eines Arbeitslebens. Heute haben die Angestellten auch den Mut und sind flexibel, immer wieder neue Arbeitgeber auszuwählen, mit denen sie ihre beruflichen Wünsche respektive Karrierepläne am besten umsetzen können.
Gibt es die «ewige Firmentreue» überhaupt noch?
Es gibt diese Firmentreue noch bei Mitarbeitenden der älteren Generation. Doch wird diese oft durch Restrukturierungen der Arbeitgeber zunichtegemacht. Arbeitgeber, die heute auch nicht mehr davor zurückschrecken, einem Mitarbeitenden kurz vor der Pensionierung zu kündigen, wenn es um Kosteneinsparung geht.
Hat das nicht auch mit einem Wertewandel zu tun?
Für ältere Arbeitnehmende stellen Stabilität, Sicherheit und Loyalität zum Arbeitgeber Werte dar. Bei den jungen Arbeitnehmenden werden diese Werte ersetzt durch Verwirklichung eigener Bedürfnisse und Karrierepläne. Die eigene lebenslange Qualifizierung und Weiterentwicklung stehen hier im Zentrum.
Job häufig wechseln oder lange bleiben – was ist besser?
Ein Wechsel des Arbeitsplatzes ist immer mit mehr Aufwand und Energie verbunden, da man sich intensiv mit den neuen Anforderungen auseinandersetzen muss. In einem langjährigen Arbeitsverhältnis kennt man diese gut, und es kann sich eine gewisse Routine einstellen.
Welche Rolle spielt der Lohn? Wer kontinuierlich wechselt, steigt auf der Lohnskala. Wer bleibt, kommt beim Lohn nicht vom Fleck. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ja, denn mit einem Jobwechsel kann jeweils der Lohn neu verhandelt werden. Bei denen, die das Unternehmen nicht wechseln, spielen mehrere Punkte mit hinein. Erstens, muss eine Lohnerhöhung immer mit entsprechender Leistung argumentiert werden. Zweitens, bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis wird nicht immer automatisch eine Lohnanpassung vorgenommen. Der Aufwand ist weitaus höher.
Was macht ökonomisch mehr Sinn? Bei jedem Wechsel geht viel Fachwissen verloren.
Dieser Aspekt wird definitiv von Unternehmen zu wenig berücksichtigt. Mit dem Abgang eines Mitarbeitenden gehen Wissen und Erfahrung verloren, die nur schwer ersetzbar sind.
Was raten Sie Inhabern von Unternehmen?
Betriebe sollten das Wissen der Mitarbeitenden breit absichern und allen anderen zur Verfügung stellen – Stichwort Wissensmanagement. Viele Unternehmen legen zu wenig Wert auf die Sicherung des Wissens und machen sich abhängig von einzelnen Personen, die Wissensträger sind.
Sind Dienstaltersgeschenke ein alter Zopf?
Geschenke haben nach wie vor nicht ausgedient. Sie drücken Wertschätzung aus. Je nach Dienstalter und Funktion bringen Dienstgeschenke diese zum Ausdruck.
Gibt es Regeln für die Vergabe von Dienstaltersgeschenken?
Grosse Betriebe haben interne Richtlinien bei der Vergabe von Dienstgeschenken. In der Regel ist das Geschenk eine Kombination von einem Geldgeschenk und einem persönlichen Geschenk mit Bezug auf die Interessen des Beschenkten.
Schauen wir in die Zukunft. Wechseln wir in 20 Jahren alle zwei Jahre den Job oder arbeiten wir von zu Hause aus?
Wir sind bereits in der Zukunft. Schaut man die Berufsverläufe junger Angestellter an, erkennen wir, dass Zyklen von zwei bis vier Jahren der Regelfall sind. Dies wird sich noch verstärken.
Wie sieht unser Arbeitsverhältnis in der Zukunft aus?
In Zukunft werden wir unsere Arbeit als Patchworker wahrnehmen. Wir werden verschiedene Aufgaben in unterschiedlichen Rollen haben und je nach Aufgabe diese an verschiedenen Orten, ob im Unternehmen oder im Homeoffice, erledigen. Dabei wird die Leistung im Vordergrund stehen und nicht mehr die Präsenz am Arbeitsplatz respektive im Unternehmen.