Die aus sechs Kantonen angereisten Bauarbeiter versammelten sich am Morgen in einem grossen Zelt im Hafen von Ouchy. Nach mehreren Ansprachen, darunter die des Präsidenten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Pierre-Yves Maillard, traten sie zur Generalversammlung zusammen. Am frühen Nachmittag brachen sie zu einem grossen Umzug durch die Waadtländer Hauptstadt auf.
Von Ouchy am Seeufer bis zur Place de la Riponne im Stadtzentrum demonstrierten nach einer Zählung der Nachrichtenagentur Keystone-SDA und den Gewerkschaften zwischen 6000 und 7000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer während mehr als zwei Stunden. Der Verkehr wurde dadurch beeinträchtigt.
«Erhöht die Löhne, nicht die Arbeitszeit» oder «Nein zur Flexi-Prekarität» war auf breiten Transparenten zu lesen. Auf der Bessières-Brücke wurde eine Schweigeminute eingelegt, um der Kollegen zu gedenken, die bei der Ausübung ihres Berufs ihr Leben verloren haben.
Kurz zuvor hatten die Arbeiter in einer aufgeheizten Atmosphäre in Zelten mehrmals ihren bevorzugten Slogan «Patron t'es foutu, les maçons sont dans la rue» (Chef, du bist erledigt, die Maurer sind auf der Strasse) skandiert.
Hintergrund der Mobilisierung der Baubranche ist die Erneuerung des Landesmantelvertrags (LMV), der Ende des Jahres ausläuft. Trotz sechs Verhandlungsrunden haben sich die Sozialpartner noch immer nicht einigen können. Ein Scheitern würde zu einem vertragslosen Zustand führen.
«Die Forderungen der Arbeitgeber sind so falsch wie möglich, und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Maurer ist unerträglich und inakzeptabel», rief SGB-Präsident Maillard der Menge zu. Die Maurer prangern die Absicht der Arbeitgeber an, die Arbeitszeiten zu flexibilisieren, mit verlängerten Tagen im Sommer und Zwangsferien in den Wintermonaten. Die Streikenden verstehen auch nicht, dass der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) sich trotz der aktuellen Wirtschaftslage weigert, die Löhne zu erhöhen.
«Maurer bauen Brücken, Häuser und Tunnel. Ihr Beruf ist hart und gefährlich. Sie verdienen einen besseren Schutz, korrekte Arbeitszeiten und eine anständige Lohnerhöhung», sagte Nico Lutz, der bei der Gewerkschaft Unia für das Baugewerbe zuständig ist.
Bereits am Montag waren tausende Bauarbeiter in der Romandie auf die Strasse gegangen, um ihrem Ärger Luft zu machen. In Lausanne waren es nach Angaben der Gewerkschaften 4000 Arbeiter, in Genf etwa 2000. Auch in Delsberg JU, Freiburg und La Chaux-de-Fonds NE fanden Demonstrationen statt. Die Protestwelle wird am Freitag in Zürich vor dem Sitz des Baumeisterverbandes fortgesetzt.
Der Baumeisterverband ist der Ansicht, dass der Streik gegen die Friedenspflicht verstosse, da er zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem die siebte Verhandlungsrunde zwischen den Sozialpartnern noch aussteht. Die Frage wurde im Übrigen vor die Genfer Kammer für kollektive Arbeitsbeziehungen gebracht.
Der Genfer Richter trat jedoch nicht auf das Thema ein. Noch gibt sich der SBV aber nicht geschlagen. Der Baumeisterverband erwägt nun, eine Klage vor dem nationalen Schiedsgericht einzureichen, das im Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe vorgesehen ist.
(SDA)