Arbeitsexpertin Nathalie Amstutz
«Ihnen wird gedroht, dass sie ersetzbar sind»

Vor allem Frauen, die unter prekären Arbeitsbedingungen leiden, sind auf ihre Jobs angewiesen. Sie befinden sich in einem gefährlichen Abhängigkeitsverhältnis, sagt Arbeitsexpertin Nathalie Amstutz.
Publiziert: 12.06.2019 um 23:08 Uhr
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«Gerade in Tieflohnbranchen arbeiten die Unternehmen oft mit Frauen im Stundenlohn», sagt Arbeitsexpertin Nathalie Amstutz.
Foto: zVg
Sven Zaugg

BLICK: Wie beurteilen Sie die von BLICK aufgedeckten Fälle?
Nathalie Amstutz: Das Beispiel von Helena D. ist kein Einzelfall. Was sie beschreibt, weist auf bestimmte strukturelle Probleme hin. Gerade in Tieflohnbranchen arbeiten die Unternehmen oft mit Frauen im Stundenlohn. Mit Frauen also, die prekäre Anstellungsbedingungen haben und oft in schwierigen Lebenssituationen stecken. Sie sind auf die Jobs angewiesen. Zugleich wird ihnen der Eindruck vermittelt, sie seien ohne weiteres ersetzbar.

Welche Folgen hat diese Abhängigkeit?
Ein Verlust der Arbeit hat bedrohliche Folgen für sie und ihr Umfeld. Aus Sicht der Arbeitgeber ist der Arbeitsmarkt für diese Jobs nach wie vor gut. Wir haben in unseren Studien festgestellt, dass Jobs, die keine Qualifikation benötigen, schnell besetzt werden können. Deshalb wird Helena D. mit ihrer Ersetzbarkeit gedroht.

Wie können solch ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse vermieden werden?
Helena D. bekommt keinen neuen Arbeitsvertrag, trotz ihrer neuen Funktion als Teamkoordinatorin. Das Fehlen von klar definierten Arbeitsbedingungen fördert prekäre Arbeitsverhältnisse. Hier müsste man ansetzen. 

Was muss sich ändern?
Die Frauen sollten ganz einfach so behandelt werden wie gut qualifizierte Arbeitskräfte in einer Festanstellung. Ist das nicht der Fall, wird ausgenutzt, dass Mitarbeitende aufgrund ihrer Sprache, ihrer Abhängigkeit oder fehlender Netzwerke keine Alternative haben.

Die Frauen kritisieren zudem den herablassenden Umgangston.
Der Nachholbedarf ist hier leider gross. Das Abhängigkeitsverhältnis zeigt sich auch auf der Ebene des Umgangs und der Sprache. Grobe Sprache, bis hin zu sexistischen Äusserungen, finden sich gehäuft in Branchen, in den Frauen entweder in der Minderheit sind oder aber sich in Abhängigkeitsverhältnissen befinden. Firmen haben oft den Eindruck, diese Sprache gehöre dazu, sei Teil der Branche. Jede Firmenleitung ist für den Ton und die Sprache verantwortlich, die sie zulässt oder vorlebt. Wie auch für die Arbeitsbedingungen, die sie gestaltet.

Nathalie Amstutz ist Dozentin am Institut für Personalmanagement und Organisation der Fachhochschule Nordwestschweiz.

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