Anti-Krisen-Programme im Test
Wie gut ist Ermottis Fünf-Punkte-Plan?

Was tun gegen den Frankenschock? Den Gürtel enger zurren oder konsumieren gegen die drohende Krise? An Rezepten fehlt es nicht. Verbände und Manager überbieten sich mit Anti-Krisen-Programmen.
Publiziert: 23.02.2015 um 09:25 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:56 Uhr
UBS-Chef Ermotti sieht die Schweiz in einer Negativspirale.

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass sich Politiker und Verbände mit neuen Vorschlägen zu Wort melden. Letzte Woche schaltete sich mit UBS-Chef Sergio Ermotti (54) ein Topmanager in die Debatte ein. Das gab es seit 15 Jahren nicht mehr.

SonntagsBlick hat die Forderungen miteinander verglichen und nach vier Kriterien bewertet. Wie originell sind die Vorschläge? Was taugen sie gegen die Krise? Wie stark bedienen sie Eigeninteressen? Und schliesslich: Wie hoch sind die Realisierungs-Chancen?

Economiesuisse: Sparen, sparen, sparen!

Der Wirtschaftsdachverband reagierte erst hell entsetzt auf die Aufhebung des Mindestkurses. Der Entscheid von Notenbankpräsident Thomas Jordan (52) sei unverständlich und gefährlich. Bald krebste Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer (55) aber zurück und stellte sich hinter Jordan. Ein dauerhaftes Zerwürfnis wollte er nicht riskieren.

Die Forderung nach einer Wiedereinführung des Mindestkurses ist für Economiesuisse seither kein Thema mehr. Karrers Reformagenda ist ein fast reinrassiges Spar- und Verzichtsprogramm: Die Energiestrategie 2050, die Aktienrechtsrevision und das Programm Grüne Wirtschaft sollen gestoppt und entschlackt, der Staat auf Diät gesetzt werden. Investitionen sind nur im Bereich Bildung und Forschung vorgesehen

Unter dem Strich liegen die Forderungen auf der klassischen Deregulierungslinie. Das Problem dabei: Ihr Beitrag zur akuten Krisenbewältigung ist gering. Die Reduktion von Staatsaufgaben könnte den Abschwung und die Arbeitslosigkeit kurzfristig sogar verschärfen.

Bewertung
Originalität: mittel
Nutzen: tief
Egoismus-Faktor: hoch
Realisierungs-Chancen: mittel

Ermotti: Banker und Patriot

Vor sechs Jahren wurde die UBS vom Staat gerettet. Nun erteilt ihr heutiger Chef der Politik Ratschläge. Kann das gut gehen? Sergio Ermotti wagte es trotz der absehbaren Kritik. Er sieht die Schweiz seit längerem in einer Negativspirale drehen. Ermotti appelliert an den Bundesrat, die Führung zu übernehmen. In den konkreten Forderungen zeigt er sich als klassischer Finanzplatzvertreter: Neue Klagemöglichkeiten für Anleger und schärfere Strafbestimmungen für fehlbare Manager sollen aus der Aktienrechtsrevision und dem neuen Finanzdienstleistungsgesetz verbannt werden.

Die Stempelsteuer soll abgeschafft, die Kapitalgewinnsteuer und die Erbschaftssteuer erst gar nicht eingeführt werden. Ermotti wehrt sich gegen Verschärfungen bei der Grossbankenregulierung und will die staatliche Tätigkeit zurückbinden. Mit einer Ausnahme: Im Tourismus sollen Infrastrukturprojekte gefördert werden. Hier spricht Ermotti weniger als UBSChef, sondern als Tessiner, der sich um seinen Heimatkanton sorgt.

Kämen die Forderungen durch, würde der Finanzplatz zweifellos profitieren. Selbst bürgerliche Politiker halten aber Distanz zu den Banken. Die Realisierungs-Chancen sind deshalb gering.

Bewertung
Originalität: mittel
Nutzen bei Realisierung: mittel
Egoismus-Faktor: hoch
Realisierungs-Chancen: tief

Swissmem: Abspecken und länger arbeiten

Die Industrie ist (neben dem Tourismus) der am direktesten vom Frankenschock betroffene Wirtschaftszweig. Manche Firmen haben über Nacht ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren. Viele Aufträge wurden auf einen Schlag zu Verlustgeschäften. Der Präsident des Industrieverbands Swissmem, Hans Hess (59), gehörte anfänglich zu den Kritikern des SNB-Entscheides. Inzwischen trägt er ihn aber wie Karrer mit.

Seine Forderungen zielen auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen ab: Die Bilateralen sollen unbedingt erhalten, ein Freihandelsabkommen mit den USA baldmöglichst abgeschlossen werden. Hess fordert den Verzicht auf die Energiewende und die Rentenreform 2020. Pauschale Lohnkürzungen lehnt er ab. So würden die besten Arbeitskräfte vertrieben. Dafür forderte er längere Arbeitszeiten, wie dies der Gesamtarbeitsvertrag vorsieht.

Das Problem liegt ähnlich wie bei Economiesuisse: Abgesehen von längeren Arbeitszeiten wirken die Vorschläge erst langfristig.

Bewertung
Originalität: mittel
Nutzen bei Realisierung: mittel
Egoismus-Faktor: mittel
Realisierungs-Chancen: mittel

Gewerkschaftsbund: Jordan soll es richten

Die Nationalbank hat uns die Suppe eingebrockt, nun soll sie diese wieder auslöffeln. Nach dieser Devise funktioniert der Aktionsplan des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB). «Wechselkursprobleme können nur geldpolitisch gelöst werden», sagt SGB-Chefökonom Daniel Lampart (47).

Die SNB müsse einen neuen Euro-Mindestkurs einführen und ihn mit allen Mitteln verteidigen – koste es, was es wolle. Der Rest der Forderungen richtet sich gegen Sozialabbau und Lohnsenkungen. Ein Konjunkturprogramm verlangt der SGB nicht. Die Exportrisikoversicherung soll aber die Wechselkursrisiken der Firmen absichern. Ein neuer Mindestkurs würde sofort greifen und zu einer Beruhigung führen. Die SNB hat aber bereits klargemacht, dass eine solche Massnahme für sie auf absehbare Zeit nicht in Frage kommt. Zu sehr fürchtet sie eine drastische Ausweitung der Bilanz.

Bewertung
Originalität: mittel
Nutzen bei Realisierung: hoch
Egoismus-Faktor: mittel
Realisierungs-Chancen: sehr tief

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